Recht

Nein zum Erbe

Wie Sie sich vor hinterlassenen Schulden schützen können

Viele Menschen haben eine romantische Vorstellung, wenn es ums Erben geht. Nach dem Tod eines Angehörigen tun sich ungeahnte Reichtümer auf: Häuser, Schmuck, Bankkonten – oder eine Apotheke. Aber das Bild vom glücklichen Erben ist ein Klischee. Allzu oft trügt der Schein. Erben bedeutet auch Verantwortung. Manchmal hinterlässt der Erblasser sogar Schulden. Oder das hinterlassene Geschäftshaus ist mit Grundschulden überladen, und die Bank betreibt bereits die Zwangsversteigerung.

Erbe wird man von selbst. Der Erbe tritt automatisch in die Rechtstellung des Erblassers ein, ohne hierfür etwas tun zu müssen. Das Erbe muss nicht ausdrücklich angenommen werden. Die Erbschaft fällt kraft Gesetz an die gesetzlichen Erben oder die im Testament oder Erbvertrag genannten Erben.

Niemand muss jedoch gegen seinen Willen Erbe werden. Jeder hat die Möglichkeit, zu der Hinterlassenschaft „Nein“ zu sagen. Dies dient vor allem zum Schutz des ­Erben, denn er haftet mit seinem eigenen Privatvermögen für die Schulden des Verstorbenen.

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„Fahr Taxi und lass die Erben laufen“ (H.P. Schober) - hat ein Verstorbener diesen Rat allzu sehr beherzigt und am Ende sogar Schulden hinterlassen, so ist es für die Nachkommen ratsam, das Erbe auszuschlagen.

Achtung! Frist beachten!

Die Ausschlagung des Erbes muss innerhalb einer Frist von sechs Wochen gegenüber dem Nachlassgericht am Wohnsitz des Erblassers erklärt werden. Die Ausschlagungsfrist beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem der Erbe von seiner Erbenstellung Kenntnis erlangt. Bei nahen Angehörigen ist dies meist der Todestag. Ist der Erbe testamentarisch bestimmt, beginnt die Frist mit der Verkündung des Testaments durch das Nachlassgericht. Nur in Ausnahmefällen wird die Frist verlängert. Die Ausschlagungsfrist beträgt sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland hatte. Die sechsmonatige Frist gilt auch für Erben, die sich bei Beginn der Frist im Ausland aufgehalten haben.

Achtung! Form beachten!

Die Erklärung der Erbausschlagung ist formbedürftig. Es reicht nicht aus, der Familie zu sagen, dass man nicht erben möchte, oder einen einfachen Brief zu schicken. Vielmehr ist die Ausschlagung des Erbes gegenüber dem Nachlassgericht zu erklären, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte. Die Erbausschlagung ist persönlich zu Protokoll des Rechtspflegers zu erklären. Ist dem Betroffenen nicht zumutbar, persönlich beim Nachlassgericht zu erscheinen, kann er gegenüber einem Notar die Ausschlagung erklären. Der Notar muss die Urkunde innerhalb der Sechswochenfrist an das Nachlassgericht weiterleiten. Die Ausschlagung der Erbschaft muss nicht begründet werden.

Die Ausschlagungsfrist beginnt von Neuem für denjenigen, der als Erbe nachrückt, weil ein vorhergehender Erbe die Erbschaft ausgeschlagen hat.

Ist der Erbe minderjährig, kann er nicht selbst ein Erbe ablehnen. Das müssen seine gesetzlichen Vertreter tun, also meistens die Eltern. Es ist zu beachten, dass beide Elternteile die Erbschaft ausschlagen müssen. Des Weiteren muss die Ausschlagung vom Familiengericht genehmigt werden.

Es ist jedoch keine gerichtliche Genehmigung erforderlich, wenn die minderjährigen Kinder erst durch das Ablehnen der Eltern in der Erbfolge nachgerückt sind. Die Eltern können dann beim Amtsgericht oder Notar sofort einen entsprechenden Antrag für die Kinder stellen.

Mitglieder einer Erbengemeinschaft können unabhängig von dem Verhalten der Miterben die Erbschaft ausschlagen. Ihr Erb­anteil wird den übrigen Miterben zugeschlagen.

Es kann nur das ganze Erbe ausgeschlagen werden. Ein ggf. gesetzlicher Pflichtanteil fällt in diesem Fall aber auch weg und kann nicht mehr eingefordert werden.

Keine Ausschlagung nach Annahme der Erbschaft

Obwohl die Erbschaft nicht ausdrücklich angenommen werden muss, kann die Annahme doch erklärt werden. Mit der Annahme der Erbschaft geht das Ausschlagungsrecht verloren. Nicht nur das Verstreichenlassen der Ausschlagungsfrist, sondern auch andere Verhaltensweisen des Erben werden als Annahme der Erbschaft gewertet:

  • Beantragung des Erbscheins,
  • Verkauf von Nachlassgegen­ständen,
  • Erhebung einer Klage auf Aus­einandersetzung der Erbengemeinschaft,
  • Antrag auf Grundbuchberich­tigung.

Bloße Fürsorgemaßnahmen für den Nachlass führen hingegen nicht zur Annahme einer Erbschaft. Hierunter fällt beispielsweise das Verschenken von verderblichen Gegenständen aus dem Nachlass. Auch die vorübergehende Fortführung einer Apotheke durch einen Verwalter ist nicht als Annahme der Erbschaft zu werten.

Aus folgenden Gründen ist eine Ausschlagung des Erbes sinnvoll:

  • Der Nachlass ist überschuldet: Wenn sich abzeichnet, dass der Verstorbene mehr Schulden als Guthaben hinterlassen hat, sollte die Erbschaft ausgeschlagen werden.
  • Im Nachlass ist eine sanierungsbedürftige Immobilie: Wenn eine Immobilie geerbt wird, die renoviert werden muss, sollte genau überlegt werden, ob man sich die Kosten leisten kann. Der Erbe kommt für alle Folgekosten auf.
  • Der Erbe ist selbst verschuldet: Das Erbe kann von den Gläubigern gepfändet werden.
  • Der Erbe befindet sich bereits in der Privatinsolvenz: Wenn sich der Erbe im Verfahren der Verbraucherinsolvenz befindet, fällt eine Erbschaft in der Wohlverhaltensperiode zur Hälfte an den Insolvenzverwalter.
  • Der Erbe befindet sich bereits in der Unternehmensinsolvenz: Wenn der Erbe Einzelunternehmer ist und sich mit seinem Unternehmen in einem Insolvenzverfahren befindet, haftet er auch mit seinem Privatvermögen für Schulden aus dem geschäft­lichen Bereich.

Alternativen zur Ausschlagung des Erbes

Wenn der Nachlass unübersichtlich ist und keine gesicherte Aussage getroffen werden kann, ob eine Überschuldung vorliegt, sollte das Erbe nicht sofort ausgeschlagen werden.

Ein Erbe abzulehnen, ist nicht die einzige Möglichkeit, sich vor Schulden des Erblassers zu schützen. Könnten nach Abzug aller Schulden doch noch Vermögenswerte als Erbschaft übrig bleiben, ist auch eine Haftungsbeschränkung in Erwägung zu ziehen. Dann werden die Schulden des Erblassers aus dem vorhandenen Erbe bezahlt, der Erbe steht aber selbst nicht in der Pflicht dazu. Hierbei gibt es verschiedene Möglichkeiten:

  • Das Erbe wird durch eine Nachlassverwaltung geordnet: Vom Erben kann beim Gericht eine Nachlassverwaltung beantragt werden. Das Gericht setzt einen Verwalter ein, der das Erbe ordnet und alle Schulden mit dem vorhandenen Geld bezahlt. Das Verfahren ist kostenpflichtig. Der Erbe haftet jedoch nicht mit seinem privaten Vermögen für die Schulden des Erblassers und kann doch noch etwas erben.
  • Ein Nachlassinsolvenzverfahren beantragen: Wurde das Erbe nicht ausgeschlagen und es stellt sich später heraus, dass das Erbe überschuldet ist, muss die Eröffnung eines Nachlass­insolvenzverfahrens beantragt werden. Das Verfahren kostet Gerichtskosten und ist sehr aufwendig. Es bewirkt aber, dass der Erbe nicht für die Schulden des Erblassers haftet.

Die Ausschlagung wieder rückgängig machen?!

Wurde das Erbe unüberlegt aus­geschlagen? Und jetzt ist es zu spät? Nicht unbedingt. Im Gesetz (§ 1957 BGB) steht „… die Anfechtung der Ausschlagung gilt als Annahme“.

Dafür muss allerdings ein An­fechtungsgrund vorliegen, der von den Gerichten sehr genau geprüft wird. Folgende Anfechtungs­gründe werden vom Gesetzgeber akzeptiert:

  • Der Erbe hat sich in irgendeiner Form geirrt, entweder über die Ausschlagung an sich oder wegen der Eigenschaft der Erbschaft, z. B. wusste er nichts von einem Haus oder einem Wert­papierdepot, das zum Nachlass gehört.
  • Der Erbe hat durch Täuschung oder Drohung die Erbschaft ausgeschlagen.

Überblick verschaffen – aber keinen Erbschein beantragen

Nach dem Tod des Erblassers sollte man sich unbedingt so schnell wie möglich einen genauen Überblick über die Vermögensverhältnisse des Verstorbenen verschaffen. Es sollten die Papiere des Erblassers durchforstet, die Konten überprüft und bei den Banken Erkundigungen eingeholt werden.

Aber Vorsicht! Die Erben haben zwar das Recht, Auskünfte bei der Bank zu bekommen. Allerdings wollen die Banken dafür die Sterbeurkunde oder den Erbschein sehen. Sobald jedoch ein Erbschein beantragt wurde, gilt das Erbe als angenommen und kann nicht mehr ausgeschlagen werden. Der BGH hat deshalb entschieden, dass es ausreichend ist, wenn die Erbenstellung mit der Sterbeurkunde und z. B. dem Stammbuch nachgewiesen wird. |

Anja Tophofen ist Steuerberaterin bei der bundesweit tätigen Kanzlei Dr. Schmidt und Partner mit Niederlassungen in Koblenz, Dresden, München und Oberhausen

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