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Gesundheitspolitik
AVR: Luft nach oben
Arzneiausgaben im Visier
Hochpreiser im Vormarsch
Der Arzneimittelmarkt erlebte mit 46 neuen Arzneimitteln 2014 einen regelrechten „Boom“: Es gab fast doppelt so viele Markteinführungen wie im Vorjahr. Auffällig an ihnen sind vor allem ihre hohen Preise: Eine Verordnung dieser neuen Mittel kostete im Schnitt 1400 Euro, während das durchschnittliche patentgeschützte Arzneimittel nur mit 290 Euro zu Buche schlug. Allein acht der neuen Präparate hatten eine Packung auf dem Markt, die mehr als 10.000 Euro kostete, erklärte Jürgen Klauber, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WidO) bei der Vorstellung des neuen AVR. Preistreiber waren vor allem die neuen Hepatitis-C-Präparate – der Trend setzt sich auch 2015 fort.
Aus Kassensicht bedarf es daher nochmals eines besonderen Blicks auf das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG). Dieses lege zwar einen „ersten Qualitätsfilter“ auf Arzneimittel – aber dieser Filter müsse verstärkt werden, erklärte der kommissarische Vorstand des AOK-Bundesverbands Martin Litsch. Auch wenn das AMNOG 2014 immerhin 443 Millionen Euro einsparen konnte – die Erwartungen hatten mit zwei Milliarden Euro doch deutlich höher gelegen. Litsch erklärte, auch Arzneimittel, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss einen Zusatznutzen attestiert bekommen haben, müssten in der Folge im Blick behalten werden. Die Praxis müsse zeigen, ob die Präparate ihr Versprechen einhalten können – gegebenenfalls seien weitere Studien durchzuführen und eine erneute Nutzenbewertung sinnvoll. Vor allem bei Arzneimitteln, die ein verkürztes Zulassungsverfahren durchlaufen haben, sei dies dringend nötig. Um „Mondpreise“ neuer Arzneimittel in ihrem ersten Jahr auf dem Markt zu unterbinden, will die AOK einen rückwirkend geltenden Erstattungsbetrag. Allerdings sei auch dies nur ein „erster Schritt“, der die GKV aber um 250 Millionen Euro jährlich entlasten könnte, so Litsch.
Preisvergleich mit den Niederlanden
AVR-Herausgeber Ulrich Schwabe (Uni Heidelberg) zeigte sich einmal mehr als Liebhaber von internationalen Preisvergleichen. Dieses Jahr stellt der AVR die „überhöhten deutschen Arzneimittelpreise“ den Preisen in den Niederlanden gegenüber. „Hätten wir holländische Arzneimittelpreise, ließen sich 4,6 Milliarden Euro sparen“, so Schwabe. Dahinter steckt eine Hochrechnung auf Basis eines Preisvergleichs der jeweils 250 umsatzstärksten Arzneimittel aus dem Segment der patentgeschützten Arzneimittel sowie des generikafähigen Marktes. Dabei rechnet der AVR mit einem Apothekenverkaufspreis exklusive Abschlägen und Mehrwertsteuer (19% in Deutschland, 6% in den Niederlanden), dafür inklusive Apothekenhonorar. Die Apotheken bekommen in unserem Nachbarland eine pauschale Gebühr von 6 Euro. Zudem haben die AVR-Autoren 3,2 Milliarden Euro abgezogen – so viel haben die in Deutschland geheimen Rabattverträge eingespart. Wie genau bei Generika gespart werden soll, ließ Schwabe offen. Allerdings sagte er klar: „Es geht nicht, dass die Apotheker das mit ihren etwas mehr als 8 Euro bezahlen.“
Lauterbach: Arznei-Gesetz erst im nächsten Jahr
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach erklärte, ganz so schnell werde die Regierung den Arzneimittelmarkt nicht angehen. Derzeit liefen fünf parallele gesundheitspolitische Gesetzgebungsverfahren – etwa zur Pflege und zu Klinikreformen – da sei ein Gesetz für den Arzneimittelmarkt „in den nächsten sechs Monaten realistischerweise kein Thema“, so Lauterbach. Wohl aber stünde ein solches im kommenden Jahr auf der Agenda. Für ihn gehört das AMNOG auf den Prüfstand. Aus seiner Sicht geht das Verfahren nicht schnell genug vonstatten – nötig seien vor allem mehr qualifizierte Menschen, die daran arbeiten. Auch müsse überprüft werden, ob Erstattungspreise rückwirkend gelten können, wenn zuvor ein überhöhter Preis verlangt wurde. Aber eigentlich schwebt Lauterbach vor, ein Verfahren der Kosten-Nutzenbewertung auf europäischer Ebene zu etablieren. „Wir sollten die Kraft Europas nutzen“, so der SPD-Fraktionsvize. Es müssten Strukturen geschaffen werden, um das in der Tat schwierige Projekt zu stemmen. Dafür müsse man „massiv aufrüsten“ und das Verfahren „von Lobbyeinflüssen befreien“.
Die Verbände der pharmazeutischen Industrie konterten dem AVR in gewohnter Manier. Bei Pro Generika kann man vor allem nicht nachvollziehen, wie im Generikamarkt noch zu sparen ist: „Die Erkenntnisse der AOK-Studie erscheinen wie aus einer anderen Welt“, so Geschäftsführer Bork Bretthauer. „Sie schlägt tatsächlich vor, dass Generikaunternehmen den Kassen Rabatte gewähren, die weit über das hinausreichen würden, was alle Generikaunternehmen in ganz Deutschland zusammengenommen real an Umsatz machen.“ |
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