Arzneimittel und Therapie

Sigmoidoskopie statt Koloskopie

Kleine Darmspiegelung als Früherkennungsuntersuchung ausreichend?

Versicherte ab 55 Jahren können zweimal innerhalb von zehn Jahren eine Koloskopie zur Darmkrebsvorsorge durchführen lassen. Dagegen wird die „kleine“ Darmspiegelung (Sigmoidoskopie), die nur einen Teil des Dickdarms untersucht, in Deutschland nicht zur Routine-Früherkennung von Darmkrebs angeboten. Eine Studie zeigt nun, dass auch durch die „kleine“ Darmspiegelung das Risiko verringert werden kann, an Darmkrebs zu erkranken.

Im Gegensatz zur Koloskopie birgt die Sigmoidoskopie ein relativ geringeres Risiko für Komplikationen und dauert durchschnittlich nur fünf Minuten (Koloskopie 30 Minuten), sodass auch die Gabe von Beruhigungs- oder Schmerzmitteln unnötig erscheint. Es wird jedoch nicht der gesamte Dickdarm untersucht, sondern nur ungefähr die letzten 60 cm, in denen aber ungefähr zwei Drittel aller Darmtumore entstehen [1].

Ob auch eine einmalige Sigmoidoskopie für eine evidenzbasierte Vorsorge ausreicht und die Zahl der Darmkrebserkrankungen sowie assoziierter Todesfälle signifikant senken kann, untersuchte nun eine bevölkerungsbasierte Studie aus Norwegen (Norwegian Colorectal Cancer Prevention Trial, NORCCAP) [2]. Hier wurden 100.210 Personen im Alter von 50 bis 64 Jahren randomisiert zu einer Darmkrebsvorsorge mittels Sigmoidoskopie, mit oder ohne einen zusätzlichen Test auf okkultes Blut, eingeladen (20.572 Personen insgesamt, 10.283 Sigmoidoskopie allein, 10.289 mit zusätzlicher Stuhluntersuchung). Personen, die nicht zu diesem Screeningverfahren eingeladen wurden, stellten die Kontrollgruppe dar (78.220).

Während einer Nachbeobachtungszeit von 10,9 Jahren (Median) erkrankten in der Interventionsgruppe 253 Personen an Darmkrebs, in der Kontrollgruppe 1.086. 71 bzw. 330 Personen verstarben daran. Dies entsprach einer Reduktion der Neuerkrankungen um 20% bzw. der Mortalität um 27% (HR 0,73; 0,56–0,94). In der Altersgruppe der 50- bis 54-Jährigen lag die Darmkrebsinzidenz um 32% niedriger (HR 0,68; 0,49–0,94), in der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen dagegen um 17% (HR 0,83; 0,71–0,96). Der zusätzliche Test auf okkultes Blut im Stuhl brachte keine signifikanten Unterschiede.

Sigmoidoskopie senkt Morbidität und Mortalität

Nach Ansicht der Autoren reduziert demnach eine einmalige Sigmoidoskopie die Anzahl der Neuerkrankungen bzw. Todesfälle durch Darmkrebs signifikant. Das persönliche Risiko, an dem Tumor zu sterben, sinkt von 4 auf 3 Promille. Die NORCCAP ist die nun vierte Studie, die bestätigt, dass die Sigmoidoskopie als Screeningverfahren zur Darmkrebsvorsorge geeignet ist [3].

Anders als die zuvor durchgeführte SCORE-Studie aus Italien, die US-amerikanische PLCO- bzw. die britische Flexi-Scope-Studie, stellt die norwegische Analyse jedoch auch erstmals eine bevölkerungsbasierte Studie dar, da eine Darmkrebs-Früherkennung zu diesem Zeitpunkt in Norwegen keine offizielle Kassenleistung war. So konnte sichergestellt werden, dass die Personen der Kontrollgruppe nicht auf Eigeninitiative eine Darmspiegelung durchführen ließen und dadurch die Randomisierung der Studie sowie deren Ergebnisse nachträglich beeinflussten. Auch schloss NORCCAP erstmalig Personen ab dem 50. Lebensjahr ein, für die seit einiger Zeit ebenfalls eine Vorsorgeuntersuchung empfohlen wird.

Direkter Vergleich existiert nicht

Die Koloskopie gilt heute als Standardvorsorgeuntersuchung, obwohl die Effektivität der Risikominimierung durch beide Arten der Darmspiegelung bisher nicht direkt verglichen wurde. Bei allen Patienten mit positivem Befund in der Sigmoidoskopie wurde im Anschluss auch eine Koloskopie durchgeführt. Daher gilt es als unwahrscheinlich, dass Karzinome im proximalen Kolon, die normalerweise bei einer kleinen Darmspiegelung nicht erreicht werden, übersehen wurden. Die Ergebnisse dieser und anderer Studien lassen daher den Schluss zu, dass die Sigmoidoskopie möglicherweise eine vergleichbare Vorsorgeuntersuchung darstellt, die jedoch für den Patienten mit weniger Belastungen verbunden ist und eine geringere Rate an möglichen Komplikationen aufweist.

Ob letztendlich die Sigmoidoskopie entgegen der heute gültigen Empfehlungen eine Koloskopie vollständig als offizielle Kassenleistung ersetzen kann, werden zukünftig wohl nur klinische Vergleichsstudien evaluieren können. 

Quelle

[1] www.gesundheitsinformation.de/die-kleine-und-die-grosse-darmspiegelung.2069.de.html?part=frueherkennung-7p (vom 25.08.2014)

[2] Holme Ø. et al. (2014). „Effect of flexible sigmoidoscopy screening on colorectal cancer incidence and mortality: A randomized clinical trial.“ JAMA 312(6): 606–615.

[3] Brett AS (2014). „Flexible sigmoidoscopy for colorectal cancer screening: More evidence, persistent ironies.“ JAMA 312(6): 601–602.

 

Apotheker André Said

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