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- DAZ 37/2014
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Prisma
Dünne Luft in Tibet
Angeborener Schutz vor Polyzythämie
Der Mensch reagiert auf den relativen Sauerstoffmangel mit der vermehrten Produktion von Erythrozyten, die den Sauerstoff von der Lunge in die verschiedenen Gewebe transportieren. Ein Übermaß an Erythrozyten (Polyzythämie) verdickt das Blut und kann zu schweren Komplikationen führen, zumal aufgrund des niedrigen Luftdrucks der Blutdruck steigt und das Herz stärker belastet wird.
Tibeter und einige Chinesen besitzen einen DNA-Abschnitt, der vom ausgestorbenen Denisova-Menschen, einer Art sibirischem Neandertaler, stammt. Darauf befindet sich das Gen, das den Hypoxie-induzierten Faktor 2α (HIF-2α) codiert. HIF-2α reguliert die Synthese von Erythropoietin in Abhängigkeit von Sauerstoffversorgung und -bedarf. Alle anderen Menschen besitzen dieses Gen in einer Variante, die viel stärker auf Sauerstoffmangel reagiert, sodass der Körper mehr Erythropoietin und folglich auch mehr Erythrozyten produziert. Auch die Prolylhydroxylase 2 (PHD2) steuert die Reaktion des Körpers auf den jeweiligen Sauerstoffbedarf: Sie hydroxyliert Prolinreste sämtlicher HIF, worauf diese inaktiviert und abgebaut werden. Bei 85 Prozent der Tibeter wird die PHD2 aufgrund einer Genvariante schon bei einem geringeren Sauerstoffgehalt im Blut aktiv, sodass sie ebenfalls die Produktion von Erythrozyten bremst.
Der angeborene Schutz vor Polyzythämie ist jedoch keine notwendige Voraussetzung für ein Leben in 4000 Metern Höhe – man denke an die Bewohner der Anden oder an professionelle Bergsteiger. Wichtiger ist die Fähigkeit, den knappen Sauerstoff effektiver zu verwerten; hier kann man durch Gewohnheit und Training viel erreichen.
Quellen: Huerta-Sánchez E, et al. Altitude adaptation in Tibetans caused by introgression of Denisovan-like DNA. Nature 2014;512:194-197. - Lorenzo FR, et al. A genetic mechanism for Tibetan high-altitude adaptation. Nature Genetics; Epub 17.08.2014
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