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Arzneimittel und Therapie
Hilft Vitamin E bei Alzheimer?
Supplementation zögert Pflegebedürftigkeit hinaus
Nervenzellen können durch freie Radikale geschädigt werden. Der Gedanke liegt nahe, diese Schädigung durch Substanzen mit Radikalfänger-Eigenschaften, zu denen einige Vitamine zählen, aufzuhalten. Vitamin E wurde bereits in vielen Studien mit Demenz-Patienten untersucht, wobei sich in den meisten kein Effekt zeigte. Der NMDA-Antagonist Memantin (z.B. Axura®, Ebixa®) dagegen ist bereits seit mehr als zehn Jahren zur Behandlung von Erwachsenen mit moderater bis schwerer Alzheimer-Demenz zugelassen.
Vier Behandlungsgruppen untersucht
Bei der kürzlich veröffentlichten TEAM-AD-Studie (Trial of Vitamin E and Memantine in Alzheimer’s Disease) handelt es sich um eine doppeltblinde, placebokontrollierte Parallelgruppen-Untersuchung mit 613 US-Veteranen (darunter 19 Frauen) mit einem mittleren Alter von knapp 79 Jahren, die an milder bis moderater Alzheimer-Erkrankung litten (Mini-Mental State Examination, MMSE, zwischen 12 und 26 Punkten). Sie wurde 2007 bis 2012 durchgeführt, die mittlere Behandlungsdauer lag zwischen 6 Monaten und vier Jahren. Die Studienteilnehmer erhielten 2000 IU/d α-Tocopherol (n = 152), 20 mg/d Memantin (n = 155), eine Kombination beider Substanzen (n = 154) oder Placebo (n = 152). Außer einem Patienten waren alle Teilnehmer zu Studienbeginn auf einen der drei bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz zugelassenen Acetylcholinesterasehemmer Donepezil, Galantamin oder Rivastigmin eingestellt. Primärer Endpunkt war der ADCS-ADL-Score (Alzheimer’s Disease Cooperative Study/Activities of Daily Living, Range 0-78), der vor allem Auskunft über die alltagspraktischen Fähigkeiten der Patienten wie Körperpflege und An- bzw. Auskleiden gibt, also letztlich für den Grad der Pflegebedürftigkeit steht. Die kognitiven Fähigkeiten, unter anderem bestimmt mittels MMSE und dem ADAS-COG (Alzheimer’s Disease Assessment Scale-Cognitive subscale), zählten zu den sekundären Endpunkten.
Signifikanter Unterschied nur in der Vitamin E-Gruppe
42% der Teilnehmer konnten die Studie nicht beenden, weil sie entweder frühzeitig verstorben waren oder ihre Einwilligung zurückgezogen hatten. Die Abbruchraten waren aber in den vier Behandlungsgruppen annähernd gleich. Nach einem mittleren Follow-up von 2,27 Jahren hatte sich in allen vier Gruppen der ADCS-ADL-Score verschlechtert: um 13,81 Punkte unter Vitamin E allein, um 14,98 unter Memantin, um 15,20 unter einer Kombination beider Substanzen sowie um 16,96 in der Placebogruppe. Allein die Differenz zwischen Vitamin-E- und Placebo-Gruppe war nach Adjustierung statistisch signifikant (-3,15 Punkte, 95% KI 0,92 bis 5,39, p = 0,03). Das bedeutet, dass unter der Vitamin-Supplementation die Pflegebedürftigkeit statistisch signifikant langsamer voranschritt. Bei den kognitiven Fähigkeiten zeigten sich keine Unterschiede. Aus dem sekundären Endpunkt Caregiver Activity Survey (CAS) war abzulesen, dass die mittlere Zunahme der Pflegebedürftigkeit unter Vitamin E um 2,17 Stunden pro Tag geringer war als unter Memantin (95% KI 0,63 bis 3,71, p = 0,03). Bei den unerwünschten schwerwiegenden Ereignissen zeigten sich signifikante Unterschiede zu Placebo nur bei den Infektionen, und auch nur im Vergleich mit der Memantin-Gruppe und der Kombinationsgruppe.
Geteilte Meinungen zur Aussagekraft der Studie
Die Autoren der Studie werten ihre Ergebnisse als Erfolg. Es sei eine der größten und längsten Behandlungsstudien bei Patienten mit milder bis moderater Alzheimer-Erkrankung. Die aus den Daten berechnete jährliche Verzögerung der Krankheitsprogression von 19% (6,2 Monate über die Follow-up-Periode) in der Vitamin-E-Gruppe sei ein bedeutsamer Effekt. Durch die Einsparung von rund zwei Stunden Pflegezeit pro Tag könnten zudem Pflegeaufwand und -kosten deutlich verringert werden. Denn eine Abnahme im ADCS-ADL-Score um drei Punkte (der Unterschied zwischen Vitamin-E- und Placebo-Gruppe) könne beispielsweise bedeuten, dass der Patient seine Fähigkeit zum selbständigen Ankleiden oder zur Körperreinigung verliert, so die Autoren.
Die fehlende Effektivität von Memantin in der Studie decke sich mit früheren Untersuchungen und bestätige die Leitlinien, in denen dieser Wirkstoff nur für Patienten mit moderater bis schwerer Alzheimer-Demenz empfohlen wird. Allerdings sei paradox, weshalb die Kombination von Vitamin E und Memantin weniger effektiv war als Vitamin E oder Memantin als Monotherapie – eine Wechselwirkung beider Kombinationspartner sei bisher nicht beschrieben worden, ein möglicher Mechanismus unklar.
Kommentatoren sehen die Studienergebnisse durchaus kritisch. So sei in keiner der Gruppen ein Effekt auf kognitive Fähigkeiten zu verzeichnen gewesen. Der gefundene signifikante Unterschied zwischen Vitamin E und Placebo beim primären Endpunkt konnte durch sekundäre Endpunkte, die Alltagsfunktionen charakterisieren, nicht bestätigt werden.
Die britische Alzheimer-Gesellschaft warnt in einer Stellungnahme vor der unkritischen Einnahme von Vitamin E bei Alzheimer-Demenz. Die in der Studie applizierte Dosis sei deutlich höher als die empfohlenen täglichen Aufnahmemengen des Vitamins, unerwünschte Wirkungen könnten auftreten. Weitere Studien müssten erst zeigen, ob es einen Vorteil bringt, dass Alzheimer-Patienten Vitamin E in derart hohen Dosen täglich einnehmen.
Quelle
Dysken MW, et al. Effect of vitamin E and memantine on functional decline in Alzheimer disease: the TEAM-AD VA cooperative randomized trial. JAMA (2014) 311(1): 33-44, doi: 10.1001/jama.2013.282834.
Evans DA, et al. Vitamin E, memantine, and Alzheimer disease. JAMA (2014) 311(1): 29-30, doi: 10.1001/jama.2013.282835.
Brown, D. Vitamin E has potential benefits for people with Alzheimer‘s, says study. Stellungnahme der britischen Alzheimer-Gesellschaft (Alzheimer’s Society) vom 31. Dezember 2013, www.alzheimers.org.uk/site/scripts/news_article.php?newsID=1910
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