Londoner Hofapotheker aus Hannover

Als die britische Queen Anne Stuart 1714 kinderlos starb, rangierte Kurfürst Georg Ludwig von Hannover (1660–1727) zwar hinter etwa 50 Thronanwärtern aus dem Hause Stuart und verwandter Familien; diese waren jedoch als Katholiken von der Thronfolge ausgeschlossen, sodass Georg Ludwig neuer König von Großbritannien wurde. Als er mit zehn Kutschen, 50 Pferden und einem etwa 150-köpfigen Gefolge nach London übersiedelte, nahm er auch Ernst August Jäger mit, einen Sohn des hannoverschen Hofapothekers Christian Jäger (1637–1719). In der Veranstaltung spielte Schauspieler Thomas Schenk die Rolle dieses Hofapothekers und erläuterte dem Publikum dessen Rechte und Pflichten anhand seines Bestallungsbriefes von 1680: Er hatte neben der herzoglichen Familie auch eine Schar an Bediensteten wie Kammerdiener, Küchenmeister, Mundschenke, Stallknechte, Vogelfänger oder Feuerhüter zu versorgen. Den Großteil der pharmazeutischen Grundstoffe und Drogen kaufte er zweimal im Jahr auf Messen in Antwerpen, Amsterdam, Bremen oder Nürnberg ein; er baute aber auch viele Arzneipflanzen im eigenen Apothekergarten an.

Mehrbesitz vor 300 Jahren

Nach dem Tod seines Vaters leitete Ernst August Jäger (†1752) formal beide Hofapotheken in London und Hannover, obwohl er noch einen jüngeren Bruder Christian hatte. Zahlreiche Schriftstücke zeugen davon, wie schwierig eine Überwachung der hannoverschen Apotheke über diese weite Distanz war – ein Brief zwischen den beiden Städten war etwa zwei Wochen unterwegs. Mit Hindernissen musste Jäger sicher auch in London kämpfen, denn er war der englischen Sprache nicht mächtig. Da er und sein Bruder keine Kinder hatten, übernahmen zwei Söhne seiner Schwester, Christian Heinrich Brande und August Hermann Brande (1708–1783), die Hofapotheken in London bzw. in Hannover. Aus der englischen Linie ging der Chemiker William Thomas Brande (1788–1866) hervor, von dessen Verdiensten um die Wissenschaft wiederum der Schauspieler Schenk berichtete.

Der „Migrationshintergrund“ der britischen Könige brachte eine wechselseitige Befruchtung in Kunst und Wissenschaft mit sich. So gingen neben Georg Friedrich Händel auch die Geschwister Caroline und Wilhelm Herschel nach England, die sich dort als Musiker und Astronomen einen Namen machten. Der britisch-deutsche Wissenstransfer führte u.a. zur Gründung der fortschrittlichen Universität Göttingen im Jahr 1737.

Genau 100 Jahre später, 1837, endete mit dem Tod König Wilhelms IV. die Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover aufgrund des unterschiedlichen Erbrechtes der beiden Monarchien. In Großbritannien folgte ihm seine Nichte Victoria (1819–1901) auf den Thron, die einem ganzen Zeitalter ihren Namen gab, in Hannover folgte ihm sein Bruder Ernst August (1771–1851). Die hannoversche Hofapotheke besteht bis heute als Schloss-Apotheke fort und feierte letztes Jahr ihr 333-jähriges Jubiläum (s. Foto).

Am Ende der Veranstaltung präsentierten zwei Mitglieder der Familie Brande aus Berlin und Oldenburg ein Familienerbstück, einen von König Georg V. von Hannover der Brandeschen Hofapotheke im Jahr 1857 gewidmeten silbernen Pokal. 

Quellen

Höcklin H. Auch die britischen Hofapotheker kamen aus Hannover. Die Personalunion und die Apothekerfamilien Jäger und Brande. Hannoversche Geschichtsblätter 2012; NF66:139-162

Höcklin H. 333-iähriges Jubiläum der Schloss-Apotheke, ehemalige Hofapotheke, Hannover. Dtsch Apoth Ztg 2013;153(25):114-115

Dr. Gabriele Beisswanger, Minden