Männersache

Phytotherapie bei BPH

Sägepalmenfrüchte, Kürbissamen, Brennnesselwurzel und Gräserpollen

Von Kristina Jenett-Siems | Eine gutartige Vergrößerung der Prostata, auch als benigne Prostatahyperplasie (BPH) bezeichnet, findet sich bei zahlreichen Männern jenseits des 40. Lebensjahres. Man schätzt sogar, dass von den Männern über 65 Jahre bereits 90% betroffen sind. Die BPH ist oft zunächst symptomlos, es können aber auch schon in frühen Stadien Beschwerden wie langsamer Miktionsbeginn, schwacher und/oder intermittierender Harnstrahl, nächtlicher Harndrang und „Restharngefühl“ auftreten. Zur Selbstmedikation einer leichten irritativen Symptomatik stehen einige Phytopharmaka auf Basis von Sägepalmenfrüchten, Kürbissamen, Brennnesselwurzel und Gräserpollen zur Verfügung. Treten dagegen stärkere und auch obstruktive, also stauende Symptome auf, ist dem Patienten immer ein Gang zum Arzt zu empfehlen.

Sägepalmenfrüchte

Die Sägepalme (Serenoa repens syn. Sabal serrulata, Arecaceae) kommt ausschließlich im Südosten der USA vor, insbesondere in Florida und einem schmalen angrenzenden Küstenstreifen. Sie wird bis zu 3 m hoch und findet sich häufig im Unterwuchs von Kiefernwäldern. Der Stamm ist meist niederliegend, daher der Artname „repens“ (= kriechend). Genutzt werden die Früchte der Sägepalme, bei denen es sich um dunkelrote einsamige Beeren handelt, die sich beim Trocknen schwarz verfärben. In Deutschland erhältliche Fertigpräparate (Tab. 1) enthalten lipophile Auszüge der Früchte, die durch Extraktion mit Ethanol unterschiedlicher Konzentration gewonnen werden. In anderen Ländern sind auch Extrakte mit flüssigem Kohlendioxid auf dem Markt. Wesentliche Bestandteile dieser Extrakte sind gesättigte und ungesättigte Fettsäuren (u.a. Myristoleinsäure), die überwiegend in freier Form vorliegen, sowie freie und konjugierte Phytosterole (u.a. β-Sitosterol).

Da das Enzym 5α-Reduktase, das die Umwandlung von Testosteron in das androgen wirksame Dihydrotestosteron katalysiert, eine wesentliche Bedeutung bei der Entstehung der BPH besitzt, wurden zahlreiche Untersuchungen an diesem Enzym durchgeführt. Es konnte eine dosisabhängige Hemmwirkung durch lipophile Sägepalmenfrucht-Extrakte gezeigt werden [1]. Außerdem wurden entzündungshemmende und antioxidative Wirkungen beschrieben. Die beobachteten Effekte werden überwiegend der Fettsäurefraktion zugeschrieben, ohne dass eine definierte Wirksubstanz benannt werden konnte.

In mehreren klinischen Studien konnte eine Überlegenheit von Sägepalmenfrucht-Extrakten gegenüber Placebo demonstriert werden, insbesondere im Hinblick auf eine Steigerung des maximalen Harnflusses [2], ebenso eine Gleichwertigkeit mit den chemisch definierten Arzneistoffen Finasterid (einem 5α-Reduktase-Hemmstoff) bzw. Tamsulosin (einem α1-Blocker) [3]. Andere Studien fanden dagegen keine über Placebo hinausgehenden Effekte [4], und ein aktueller Cochrane-Review [5] kommt in dieser Beziehung ebenfalls zu einem negativen Ergebnis. Kritisch muss allerdings angemerkt werden, dass in diesem Review Prüfpräparate unterschiedlicher Zusammensetzung verglichen werden, was im Hinblick auf die Variabilität pflanzlicher Extrakte in Abhängigkeit vom Extraktionsverfahren und vom Ausgangsmaterial sicher nur bedingt möglich ist.

Eine abschließende Beurteilung der Effektivität von Extrakten aus Sägepalmenfrüchten ist aufgrund der heterogenen Datenlage derzeit kaum möglich, dennoch stellen derartige Phytopharmaka in den Anfangsstadien der BPH eine gut verträgliche und nebenwirkungsarme Alternative zu synthetischen Arzneistoffen dar.

Kürbissamen

Arzneilich verwendete Kürbissamen stammen von verschiedenen Varietäten der Pflanze Cucurbita pepo, und zwar meist von samenschalenlosen Kulturvarietäten wie dem Steirischen Ölkürbis (var. styriaca). Die niederliegende, einhäusige Pflanze bildet bis zu 10 m lange Ranken, und aus den gelben Blüten entwickeln sich große, kugelförmige Beerenfrüchte, in denen zahlreiche 7 bis 15 mm lange Samen („Kürbiskerne“) enthalten sind. Die Samen enthalten ein fettes Öl mit einem hohen Linolsäureanteil und etwa 1% Steroide, besonders Δ5- und Δ7-Sterole (Abb. 1) und deren Glucoside, außerdem Tocopherole und Spurenelemente wie Selen.

Abb. 1: Phytosterole aus Kürbissamen.

Experimentell konnte gezeigt werden, dass Δ7-Sterole die Bindung von Dihydrotestosteron an zytoplasmatische Rezeptoren hemmen [6], sodass speziell dieser Stoffgruppe eine Beteiligung an der Wirkung von Kürbissamen auf die Prostata zugeschrieben wird. Bezüglich der Wirksamkeit liegt lediglich für einen Kürbissamenextrakt eine neuere Studie nach WHO-Kriterien vor, in der eine signifikant stärkere Reduktion des IPSS (Internationaler Prostatasymptomscore) gegenüber Placebo gefunden wurde, während andere Parameter wie Prostatavolumen und Restharnmenge unverändert blieben [7]. Beispiele zu Fertigpräparaten gibt Tabelle 2.

Brennnesselwurzel

Brennnesselwurzeln werden üblicherweise von der Großen Brennnessel Urtica dioica gewonnen, einer 60 bis 120 cm hohen Staude mit eiförmigen, am Rand grob gesägten Blättern. Da die Pflanze sich mithilfe von Brennhaaren gegen Fressfeinde wehrt, ist sie jedermann gut bekannt. Die Brennnessel hat eine lange Tradition als Heilpflanze, schon in mittelalterlichen Kräuterbüchern wird sie als wassertreibendes Mittel oder zur Behandlung von Gelenkleiden erwähnt. Der Einsatz bei BPH ist allerdings erst in den letzten Jahrzehnten populär geworden. Phytopharmaka (Tab. 3) enthalten relativ hydrophile wässrig-alkoholische Extrakte, in denen Phytosterole, Triterpensäuren, Lignane, Polysaccharide und einfache Phenolverbindungen nachgewiesen werden können. Außerdem ist in der Brennnesselwurzel ein spezielles Lectin (UDA = Urtica dioica Agglutinin) vorhanden.

Zu Brennnesselextrakten liegen zahlreiche In-vitro-Untersuchungen und tierexperimentelle Befunde vor, in denen u.a. eine Interaktion mit dem sexualhormonbindenden Globulin, eine Hemmung der 5α-Reduktase, eine immunmodulierende Aktivität und eine Reduktion des Prostatavolumens gezeigt werden konnten [8, 9]. In zwei placebokontrollierten klinischen Studien wurden widersprüchliche Ergebnisse erzielt: Während Schneider und Rübben [10] für das Präparat Bazoton®-uno (459 mg Trockenextrakt aus Brennnesselwurzel (7,1–14,3:1), Auszugsmittel Methanol 20%) lediglich eine minimale Verbesserung des IPSS ohne gleichzeitigen Einfluss auf Restharnmenge und Lebensqualität beobachteten, wurden in einer sechsmonatigen Studie an 588 Patienten mit einem allerdings nicht weiter spezifizierten Fluidextrakt durchaus Vorteile gegenüber Placebo demonstriert [11]. Weitere Studien wären wünschenswert, um den Nutzen von Brennnesselwurzelextrakten für die Therapie der BPH besser beurteilen zu können.

Phytosterole

Da in verschiedenen Phytopharmaka, die bei der Prostatahyperplasie eingesetzt werden, Phytosterole enthalten sind, wird von einigen Herstellern postuliert, dass diese entscheidend an deren Wirkung beteiligt sind. Wissenschaftlich fundierte Nachweise hierfür fehlen allerdings bisher. Fertigarzneimittel, die reines β-Sitosterol enthalten (z.B. Harzol® 10 mg Hartkapseln), gehören zwar streng genommen nicht zu den Phytopharmaka, sollen hier aber dennoch kurz erwähnt werden. Zu zwei Präparaten liegen kleinere placebokontrollierte Studien älteren Datums vor, die eine Effektivität bei der Prostatahyperplasie möglich erscheinen lassen [12, 13]. Es muss allerdings kritisch angemerkt werden, dass unsere Nahrung üblicherweise mehr β-Sitosterol enthält, als mit diesen Fertigarzneimitteln zugeführt wird.

Gräserpollen

Das Präparat Pollstimol® enthält 23 mg eines kompliziert hergestellten Extraktgemisches aus Gräserpollen (Roggen, Wiesen-Lieschgras und Mais im Verhältnis 30:1,5:1); als Auszugsmittel werden Wasser und Aceton verwendet. In vitro konnte eine Hemmung der Aktivität von Entzündungsmediatoren und ein Einfluss auf das Wachstum kultivierter Prostatazellen gezeigt werden [14, 15]. Ähnlich wie beim β-Sitosterol gibt es zwei kleinere Studien aus den 90er Jahren, die eine Effektivität bei der Prostatahyperplasie möglich erscheinen lassen [16, 17]. Es wären aber Studien mit größeren Fallzahlen und einer validierten Auswertung nötig, um eine Überlegenheit gegenüber Placebo belegen zu können.

Afrikanischer Pflaumenbaum

Unter anderem in Frankreich, Italien und den USA werden auch Extrakte aus der Rinde des Afrikanischen Pflaumenbaums (Prunus africana syn. Pygeum africanum, Rosaceae) zur Behandlung der BPH eingesetzt. Die Verwendung der pulverisierten Rinde bei Miktionsbeschwerden entstammt der traditionellen afrikanischen Medizin. Als Inhaltsstoffe sind Phytosterole, pentazyklische Triterpene und Ferulasäureester beschrieben. Ein Cochrane-Review kam 2002 zu dem Ergebnis, dass die vorliegenden klinischen Studien zu heterogen und teilweise auch methodisch zu schwach seien, um die Effektivität seriös beurteilen zu können [18].

Weidenröschenkraut und Kombinationspräparat

Die Droge Weidenröschenkraut stammt von kleinblütigen Arten der Gattung Epilobium (Oenotheraceae syn. Onagraceae), z.B. Epilobium parviflorum. Sie sind durch kleine rosa Blüten und seidig behaarte Samen gekennzeichnet und in Mitteleuropa weit verbreitet. Die volksmedizinische Verwendung bei BPH geht auf Maria Treben zurück, die empfahl, 3- bis 5-mal täglich einen Aufguss von einem Esslöffel Weidenröschenkraut zu trinken. Fertigpräparate existieren auf dem deutschen Markt nicht. Extrakte und das daraus isolierte Tannin Oenothein B hemmen in vitro die 5α-Reduktase [19].

In einer aktuellen, allerdings sehr kleinen australischen Studie (n = 57) wurde die Effektivität eines Kombinationspräparates untersucht, das Kürbiskernöl, Lycopin und Extrakte aus Weidenröschenkraut, Afrikanischem Pflaumenbaum und Sägepalme enthält [20]. Die Autoren konstatieren eine signifikante Verbesserung des IPSS im Vergleich zu Placebo, wobei der Anteil, den die Einzelkomponenten an der Wirksamkeit besitzen, offen bleibt. 

Literatur

 [1] Koch E in: Loew D, Rietbrock N (Hrsg). Phytopharmaka in Forschung und klinischer Anwendung. Steinkopff Verlag, Darmstadt 1995:57–79

 [2] Boyle P, et al. Updated meta-analysis of clinical trials of Serenoa repens extract in the treatment of symptomatic benign prostatic hyperplasia. Br J Urol Int 2004;93:751–756

 [3] Carraro JC, et al. Comparison of phytotherapy (Permixon) with finasteride in the treatment of benign prostate hyperplasia: a randomized international study of 1,098 patients. Prostate 1996;29:231–240

 [4] Barry MJ, et al. Effect of Increasing Doses of Saw Palmetto Extract on Lower Urinary Tract Symptoms. A Randomized Trial. JAMA 2011; 306:1344–1351

 [5] Tacklind J, et al. Serenoa repens for benign prostatic hyperplasia. Cochrane Database Syst Rev 2012;12:CD001423

 [6] Schilcher H, Dunzendorfer U, Ascali F. Delta 7-sterole, das prostatotrope Wirkprinzip in Kürbissamen? Urologe [B] 1987;27:316–319

 [7] Bach D. Placebokontrollierte Langzeittherapiestudie mit Kürbissamenextrakt bei BPH-bedingten Miktionsbeschwerden. Urologe [B] 2000;40:437–443

 [8] Lichius JJ. Qualitätsbeurteilung von Brennesselwurzelextrakten (Urtica dioica L.) für die Arzneimittelherstellung. Habilitationsschrift Martin-Luther-Universität Halle/Saale. Shaker Verlag, Aachen 2001

 [9] Chrubasik JE, et al. A comprehensive review on the stinging nettle effect and efficacy profiles. Part II: Urticae radix. Phytomedicine 2007;14:568–579

[10] Schneider T, Rübben H. Brennesseltrockenextrakt (Bazoton®-uno) in der Langzeittherapie des benignen Prostatasyndroms (BPS). Urologe [A] 2004;43:302–306

[11] Safarinejad MR. Urtica dioica for treatment of benign prostatic hyperplasia: a prospective randomized, double-blind, placebo-controlled, crossover study. J Herb Pharmacother 2005;5:1–11

[12] Berges RR, et al. Randomised, placebo-controlled, double-blind clinical trial of β-sitosterol in patients with benign prostatic hyperplasia. β-Sitosterol study group. Lancet 1995;345:1529–1532

[13] Klippel KF, Hiltl DM, Schipp B. A multicentric, placebo-controlled, double-blind clinical trial of β-sitosterol (phytosterol) for the treatment of benign prostatic hyperplasia. Br J Urol 1997;80:427–432

[14] Loschen G, Ebeling L. Hemmung der Arachidonsäure-Kaskade durch einen Extrakt aus Roggenpollen. Arzneim Forsch/Drug Res 1991;41:162

[15] Habib FK. Die Regulierung des Prostatawachstums in Kultur mit dem Pollenextrakt Cernitin T60 und die Wirkung der Substanz auf die Verteilung von EGF im Gewebe. In: Vahlensieck W, Rutishauser G (Hrsg). Benigne Prostatopathien. Thieme, Stuttgart 1992:120

[16] Becker H, Ebeling L. Phytotherapie der BPH mit Cernilton – Ergebnisse einer kontrollierten Verlaufsstudie. Urologe [B] 1991;31:113

[17] Buck AC, et al. Treatment of outflow tract obstruction due to benign prostatic hyperplasia with the pollen extract, Cernilton. A double-blind, placebo-controlled study. Br J Urol 1990;66:398

[18] Wilt T, et al. Pygeum africanum for benign prostatic hyperplasia. Cochrane Database Syst Rev 2002;(1):CD001044

[19] Lesuisse D, et al. Determination of oenothein B as the active 5α-reductase-inhibiting principle of the folk medicine Epilobium parviflorum. J Nat Prod 1996;59:490–492

[20] Coulson S, et al. A phase II randomised double-blind placebo-controlled clinical trial investigating the efficacy and safety of ProstateEZE Max: a herbal medicine preparation for the management of symptoms of benign prostatic hypertrophy. Complement Ther Med 2013;21:172–179

 

Autorin

Priv.-Doz. Dr. Kristina Jenett-Siems studierte Pharmazie an der Freien Universität Berlin, wurde dort promoviert und hat sich 2003 für Pharmazeutische Biologie habilitiert. Forschungsschwerpunkt: Phytochemie und Pharmakologie traditioneller Arzneipflanzen.

Priv.-Doz. Dr. Kristina Jenett-Siems, Institut für Pharmazie der FU Berlin, Königin-Luise-Str. 2-4, 14195 Berlin, kjsiems@zedat.fu-berlin.de

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