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Fragen aus der Praxis
Krank in Mund und Rachen
Zahlt die Kasse die Behandlung?
Frage
Eine Kundin (40 Jahre), langjährige Asthmatikerin, betritt die Apotheke und legt ein grünes Rezept vor. Verordnet sind Pimafucin® (Wirkstoff: Natamycin) Lutschtabletten. Die Kundin ist sehr verärgert, dass sie nun 25,14 Euro zahlen soll, schließlich habe sie die Pilzinfektion in der Mundhöhle doch wegen ihres Asthmasprays (Viani®) bekommen und nicht, weil sie etwa schlechte Mundhygiene betreibe. Auch Sie sind etwas verwundert, dass die Praxis ein grünes Rezept ausgestellt hat, schließlich handelt es sich doch um ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel. Sie vermuten einen Irrtum und rufen in der Praxis an. Die medizinische Fachangestellte gibt Ihnen jedoch die Auskunft, dass die Krankenkassen „jetzt Lutschtabletten nicht mehr bezahlen“. Was könnte dahinter stecken und ist diese Information korrekt?
Zunächst einmal ist die Darreichungsform „Lutschtabletten“ in der Verordnungsfähigkeit nicht eingeschränkt, wohl aber Mund- und Rachentherapeutika. Die Arzneimittelrichtlinie (AMR)unterscheidet hinsichtlich der Verordnungsausschlüsse und –einschränkungen zunächst zwischen
- apothekenpflichtigen, nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V (AMR § 12) und
- verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gemäß § 34 Abs. 1 Satz 6 SGB V (AMR § 13).
Das gilt ganz allgemein für alle Arzneimittel. § 12 der Arzneimitterichtlinie, der unter anderem besagt, dass „nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen sind“, betrifft also auch nicht-verschreibungspflichtige Mund- und Rachentherapeutika. Ausgenommen sind Kinder unter zwölf Jahren und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen unter 18 Jahren (SGB V § 34 Abs. 1 Satz 5). Der Gesetzgeber hat allerdings nicht definiert, welche „Entwicklungsstörungen“ hier gemeint sind, das entscheidet also allein der Arzt. Die Apotheke muss bei einer derartigen Verordnung auch nicht nachprüfen, ob tatsächlich eine Entwicklungsstörung vorliegt.
Doch auch für Erwachsene ist die Verordnung von Mund- und Rachentherapeutika in bestimmten Fällen möglich. In der Anlage I der Arzneimittelrichtlinie sind drei Ausnahmefälle definiert:
- Antimykotika nur zur Behandlung von Pilzinfektionen im Mund- und Rachenraum (Nr. 7).
- Nystatin nur zur Behandlung von Mykosen bei immunsupprimierten Patienten (Nr. 34).
- Synthetischer Speichel nur zur Behandlung krankheitsbedingter Mundtrockenheit bei onkologischen oder Autoimmun-Erkrankungen (Nr. 40). (siehe hierzu auch: „Tränen- und Speichelflüssigkeit für Kassenpatienten?“, DAZ 2011, Nr. 24, S. 52)
Nystatin als Wirkstoff ist hier unter Nr. 34 noch einmal gesondert aufgeführt, da auch die Verordnungsfähigkeit von Tabletten mit erfasst werden sollte.
Einschränkungen auch bei Rx
Zurück zu unserem Fall: Mit Pimafucin® Lutschtabletten wurde hier jedoch ein verschreibungspflichtiges Präparat verordnet. Die vorstehenden Erläuterungen sind in diesem Fall also gar nicht relevant. Doch auch bei Rx-Präparaten ist die Verordnungsfähigkeit eingeschränkt: In § 13 der Arzneimittelrichtlinie Absatz 1, Satz 2 heißt es folgendermaßen: „Ausgeschlossen von der Versorgung sind nach § 34 Abs. 1 Satz 6 SGB V bei Versicherten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, (verschreibungspflichtige) Mund- und Rachentherapeutika, ausgenommen bei Pilzinfektionen, geschwürigen Erkrankungen der Mundhöhle und nach chirurgischen Eingriffen im Hals-, Nasen-, Ohrenbereich.“
Eine weitere Einschränkung finden wir in der Anlage III: Dermatika, die auch zur Reinigung und Pflege oder Färbung der Haut, des Haares, der Nägel, der Zähne, der Mundhöhle usw. dienen … (Nr. 23).
Versicherten, die wie unsere Beispielkundin unter einer Mykose des Mund- und Rachenraumes leiden – eine relativ häufige unerwünschte Wirkung der inhalativen Corticoide – kann also weiterhin ein entsprechendes Arzneimittel verordnet werden und zwar sowohl verschreibungsfreie als auch verschreibungspflichtige. Zusammengefasst sind mehrere Unsicherheiten bei der Verordnung erkennbar:
- Pimafucin® Lutschtabletten hätten in diesem Fall auf einem Kassenrezept verordnet werden können.
- Das grüne Rezeptformular dient der Verordnung von nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die der Versicherte gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V selbst bezahlen muss, die der Arzt aber als medizinisch notwendig oder sinnvoll erachtet.
- Die Bestimmung in der Arzneimittelrichtlinie (§ 13), dass Mund- und Rachentherapeutika nur eingeschränkt verordnungsfähig sind, gilt mindestens seit Dezember 2008 (Inkrafttreten der neuen Arzneimittelrichtlinie) und nicht erst seit „jetzt“. Auch in der davor gültigen Richtlinie gab es bereits eine ähnliche Einschränkung.
Antwort kurz gefasst
- Sowohl verschreibungspflichtige als auch nicht-verschreibungspflichtige Mund- und Rachentherapeutika sind bei Versicherten, die das 18.Lebensjahr vollendet haben, von der Versorgung durch die GKV ausgeschlossen.
- Ausnahmen regelt die Arzneimittelrichtlinie.
- Mittel zur Behandlung von Pilzinfektionen im Mund- und Rachenraum gehören zu den zugelassenen Ausnahmen, sowohl bei den OTCs als auch bei den Rx-Präparaten. Eine Verordnung zulasten der GKV ist also möglich.
Besonders Patienten im Finalstadium benötigen häufig künstliche Speichelflüssigkeit. Apothekenpflichtige Arzneimittel (derzeit nur Glandosane®) und auch ein in der Anlage V der Arzneimittelrichtlinien verzeichnetes Medizinprodukt (Saliva natura®) können verordnet werden.
Eine Übersicht über die Verordnungsfähigkeit verschiedener Mund- und Rachentherapeutika gibt die Tabelle.
Literatur
[1] Die Arzneimittelrichtlinie inclusive aller Anlagen findet man unter www.g-ba.de/informationen/richtlinien/3/
[2] Sozialgesetzbuch V: Hauck/Noftz Sozialgesetzbuch, Gesamtkommentar. Berlin 2013 (Erg.-Lieferung 6/14)
[3] Informationen zum Grünen Rezept: Selbstmedikation und Grünes Rezept www.abda.de/selbstmedikation.html
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