Arzneimittel und Therapie

Generationswechsel bei Aspirin

Tablette mit neuer Formulierung soll den Klassiker ersetzen

jb | Die Vorteile einer festen Darreichungsform liegen in der einfachen Handhabung und der Dosiergenauigkeit, die einer flüssigen Zubereitung vor allem in der schnelleren Resorption. Eine neue Formulierung zur Applikation von Schmerzmitteln, wie zum Beispiel ASS, soll alle diese Vorteile in sich vereinen. So liest es sich in der Patentschrift mit dem Titel „Method and composition to improve absorption of therapeutic agents“, die Bayer Healthcare vor einigen Jahren einreichte. Das Ergebnis dieser Arbeiten hat nun Marktreife erlangt: Ab Juli ist die „neue“ Aspirin® in Deutschland verfügbar.

Aufgrund ihrer MicroAktiv-Technologie, bei der die Wirkstoffpartikel im Vergleich zur klassischen Aspirin®-Tablette um 90% verkleinert sind und zudem Natriumcarbonat als Hilfsstoff hinzugefügt wurde, soll sich die neue Formulierung sechsmal schneller als bisher im Magen auflösen und dann den Wirkstoff besonders rasch freisetzen. Der wirksame Bestandteil (500 mg ASS) erreicht so laut Studien 2,5 mal schneller den Blutkreislauf als bisher. Die Kinetik entspricht damit der einer Brausetablette. Zudem wurden die Tabletten mit einem Überzug versehen, der die Einnahme erleichtern soll.

Foto: Bayer
Ein spezieller Blister schützt die „neue“ Aspirin®vor Feuchtigkeit.

Eine doppelblinde, placebokontrollierte, randomisierte Wirksamkeitsstudie mit 514 Patienten konnte zeigen, dass die optimierten pharmakokinetischen Eigenschaften auch tatsächlich zu einer rascheren Schmerzlinderung führen: Die Probanden, die unter postoperativen Schmerzen nach Weisheitszahnextraktion litten, erfuhren unter der neuen Tablette einen Effekt, der doppelt so schnell eintrat, wie der nach Gabe einer herkömmlichen Aspirin®-Tablette. Bis zur deutlich spürbaren Schmerzlinderung vergingen unter der neuen Formulierung nur 49 Minuten (p < 0,05), unter der bisherigen Tablette 99 Minuten. Eine erste Schmerzlinderung trat bei der neuen Tablette im Schnitt bereits nach rund 16 Minuten ein.

Die überzogene Aspirin®, die diesen Monat eingeführt wird, soll die bisherigen Tabletten vollständig ersetzen.

Technologe Prof. Dr. Wolfgang Frieß von der Ludwig-Maximilians-Universität München erklärt die Vorteile der neuen Formulierung folgendermaßen: Die schnelle Löslichkeit basiert auf zwei Komponenten. Welche davon entscheidend ist oder ob es die Kombination aus beiden ist, lässt sich anhand der vorliegenden Daten nicht sagen. Zum einen sind die mikronisierten Wirkstoffpartikel für die schnellere Löslichkeit verantwortlich. Sie haben im Vergleich zu den Teilchen der herkömmlichen Aspirin®-Tablette eine größere Gesamtoberfläche, an der die Acetylsalicylsäure in Lösung geht. Zum anderen ist es der Hilfsstoff Natriumcarbonat. In der Tablette sei zwar nicht so viel enthalten, dass tatsächlich ein ausgeprägter Brauseeffekt auftritt, aber der Natriumcarbonat-Zusatz bewirkt einen lokalen pH-Anstieg in unmittelbarer Umgebung der sich auflösenden Wirkstoffpartikel. So wird die Lösungsgeschwindigkeit im sauren Milieu des Magens verbessert. Der Vorteil der Formulierung liegt also darin, dass die Wirkstoff-Freisetzung bei saurem pH-Wert verbessert wurde. Die neue Darreichungsform stellt allerdings auch andere Anforderungen an die Verpackung als die klassische Aspirin®-Tablette. In Gegenwart des basischen Natriumcarbonats könnte ASS, wenn es in Kontakt mit Feuchtigkeit kommt, schnell hydrolysieren. Dagegen schützt der spezielle Blister der neuen Aspirin® (s. Abb.). Zudem könnte der Überzug einen gewissen Schutz vor Feuchtigkeit bieten und die Wahrnehmung von Essigsäure verringern. Vor allem aber erleichtert er die Einnahme.

Das Prinzip ergibt in den Augen von Professor Frieß auf jeden Fall Sinn, da die Patienten in der Regel einen schnellen Wirkeintritt wünschen und daher bisher vor allem auf Brausetabletten oder Granulate zurückgegriffen haben. Bayer habe mit der neuen Formulierung sein Portfolio erweitert.

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