- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 24/2014
- MMS – Geschäft mit der...
DAZ aktuell
MMS – Geschäft mit der Hoffnung
„Wundermittel“ bei Kontraste: Wann wachen die Behörden auf?
MMS wird aus den Chemikalien Natriumchlorit und Salzsäure gemischt. Dabei entsteht Chlordioxid, ein aggressives Desinfektionsmittel. Der Amerikaner Jim Humble propagiert es seit Jahren als Medizin. Seiner Meinung nach können mit MMS fast alle Krankheiten geheilt werden. Mehr über die Folgen der Einnahme erfährt das Kontraste-Team beim Giftnotruf in Mainz, wo sich immer wieder MMS-Geschädigte melden und von starken Durchfällen und Übelkeit berichten. „Wir würden das aufgrund der Chemikalien, die hier dem Körper zugeführt werden, als Verätzung bezeichnen“, erklärt man dort. Der Körper wehre sich durch Erbrechen oder Durchfall gegen die Schädigung der Schleimhäute. Zum Test wird vor laufender Kamera eine Bluse mit einer normalen MMS-Dosis beträufelt – nach wenigen Minuten ist die Farbe weggeätzt.
Hunderte Interessierte kamen jüngst zu einem Kongress nach Hannover, um Humble zu erleben. Das Kontraste-Team bat ihn undercover um Rat: Einer von ihnen sei an Leukämie erkrankt. „Alle Leute, die mit Leukämie zum Arzt gehen, sterben letztendlich“, erklärt Humble – und rät stattdessen zu einer Steigerung der MMS-Tropfen auf drei jede Stunde. Andreas Kalcker, führender Kopf der MMS-Szene, der gerne über die große Verschwörung gegen MMS lamentiert, rät ebenfalls dem erfundenen, an Darmkrebs erkrankten Vater von einer Operation ab. „Ich kann erfahrungsgemäß sagen, dass Darmkrebs sich sehr gut behandeln lässt mit MMS.“ Absolut fahrlässig, warnt der Berliner Krebsspezialist Dr. Uwe Peters. „MMS ist gefährlich.“ Für die Wirksamkeit gebe es keine wissenschaftlichen Nachweise. Die Patienten verpassten die Zeit, in der man die Erkrankung heilen könnte – und dann sei es unter Umständen zu spät. „Sie können an der Erkrankung versterben.“
Doch das Geschäft mit der Hoffnung auf Heilung boomt: So ist das Buch „Autismus heilen mit MMS“ auf dem Kongress der Beststeller. Die Mutter eines 12-Jährigen erklärt: „Vor drei Tagen hat er sich davon fast übergeben und ihm ist immer schlechter geworden.“ Dennoch will sie ihrem Sohn weiter MMS geben – er sei ein Zappelphilipp. Eine andere führt schon bei ihrer vierjährigen Tochter alle zwei Tage Einläufe mit Chlordioxid durch. Die Mütter halten sich streng an die Regeln von Kalcker und der Amerikanerin Kerri Rivera. Das Duo verbreitet die These, Autismus sei eine Folge von Impfschäden und Parasiten im Darm. In ihren Vorträgen zeigen sie Bilder von angeblichen Würmern, die nach den Einläufen aus den Kindern herauskommen. „Solche Prozeduren sind Kindesmisshandlung“, erklärt der renommierte Kinderpsychiater Prof. Michael Schulte-Markwort entsetzt – psychisch und physisch. Es gäbe keinen einzigen Hinweis, dass Parasiten die Ursache von Autismus seien.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.