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Arzneimittel und Therapie
„Einfach nur schlucken“
Orale Krebstherapie verstehen und richtig anwenden
Seither entwickelte die Industrie mehr und mehr oral verfügbare Krebstherapeutika. Heute sind ca. die Hälfte aller Neuentwicklungen für diese Indikation Oralia [Given, 2011]. Patienten schätzen daran die erleichterte Anwendung und dass sie sich durch diese Therapieform weniger krank, dafür aber freier fühlen [Catania, 2005].
Kritischer Punkt in der oralen Krebstherapie ist die Adhärenz der Patienten, also der Wille und das Vermögen, die Medikation genau so einzunehmen, wie der Arzt sie verordnet hat. Infusions- und orale Therapie stellen sehr unterschiedliche Anforderungen an den Willen und das Vermögen: Die Tabletten müssen in der richtigen Dosis geschluckt werden, obwohl die Gebrauchsinformation auf z.B. Übelkeit und Erbrechen oder Hautreaktionen als unerwünschte Wirkungen hinweist, und die Einnahmeschemata sind mit Einnahmeabständen zu Mahlzeiten und zwischenzeitlichen Therapiepausen größtenteils komplex. Beratung und Aufklärung über den Nutzen, die Risiken und die Eigenheiten der oralen Krebstherapie sind daher von zentraler Bedeutung für das Empowerment der Patienten.
Amerikanische Versorgungsforscher schließen in einem Aufsatz über Adhärenz in der oralen Krebstherapie, dass der Besuch beim Onkologen nicht ausreichen wird, um die Adhärenz der Oralia-Patienten sicherzustellen [Gellad, 2014]. In diesem Kontext bietet der direkte Kontakt zwischen Patient und Apotheker beim Einlösen des Rezeptes eine wertvolle Chance zur pharmazeutischen Beratung des Patienten, die die Beratung durch den Onkologen ergänzt und verstärkt. Diese Chance sollte nie ungenutzt bleiben! Da Oralia-Patienten nicht an eine Zytostatika-herstellende Apotheke gebunden sind, sondern orale Krebsmedikamente in jeder öffentlichen Apotheke einlösen können und dies einer Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP) zufolge auch tun, müssen das nötige Wissen, die Kompetenz und die Hilfsmittel für diese Beratung in jeder Apotheke vorhanden sein.
Essenzielle Beratungsinhalte
Damit der Patient die orale Krebsmedikation zuverlässig einnimmt, muss ihm der Nutzen der Therapie klar sein. Das kann neben der Verlängerung der Überlebenszeit auch eine Verbesserung der Lebensqualität sein. Manche Patienten haben falsche Annahmen bezüglich der oralen Krebstherapie, z.B. dass sie weniger wirksam sei und nur ein „letzter Versuch“ vor der palliativen Phase oder dass sie weniger toxisch sei. Manche Patienten fühlen sich durch die orale Therapie allein gelassen oder auch als Versuchskaninchen für neue Arzneimittel [zusammengefasst bei Bassan, 2014]. Solche Fehleinschätzungen sollten z.B. durch Fragen wie „Wie geht es Ihnen mit Ihrer Therapie?“ aufgespürt und möglichst ausgeräumt werden, damit sie die Adhärenz nicht gefährden. Aspekte, die außerdem in der Beratung berücksichtigt werden sollten, um eine sichere Arzneimitteltherapie zu gewährleisten, sind in der Tabelle aufgeführt.
Initiative „Orale Krebstherapie – sicher und effektiv“
Die Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP) möchte das pharmazeutische Personal in öffentlichen Apotheken in der Beratung von Patienten unter oraler Krebstherapie flächendeckend unterstützen. Daher hat sie Ende 2011 gemeinsam mit der Deutschen Krebsgesellschaft die Initiative „Orale Krebstherapie – sicher und effektiv“ gestartet. Elemente dieser Initiative sind praxisorientierte Schulungen, die durch engagierte und erfahrene Referenten im Bundesgebiet angeboten werden, und ein EDV-Betreuungstool in Form einer Online-Datenbank, die schnellen Zugriff auf die zentralen Beratungsaspekte zu oral verfügbaren Wirkstoffen in der Krebstherapie bietet. Die Schulung basiert auf einem achtstündigen Curriculum, das in drei Teile gegliedert ist: Grundlagen der Tumortherapie (2 Stunden), pharmazeutisch-onkologische Praxis (4,5 Stunden) und Handhabung der Oralia (1,5 Stunden). Die Grundlagen umfassen Terminologie, Epidemiologie, Tumorentstehung und Prinzipien der Tumortherapie. Im Abschnitt „Pharmazeutisch-onkologische Praxis“ geht es um Methoden der Dosisindividualisierung, um Toxizität der oralen Tumortherapeutika und geeignete Supportivtherapien sowie um Interaktionen. Der Abschnitt „Handhabung“ gliedert sich in die Lagerung, spezielle Abgabehinweise (wie Sondengängigkeit, Umgang mit Ausscheidungen etc.), Entsorgung und Reinigung. Foliensätze, die von Experten innerhalb der DGOP erstellt wurden, unterstützen die Referenten in den Vorträgen und gewährleisten einheitlich praxisnahe Inhalte. Zurzeit gibt es etwa 50 Referenten. Weitere Referenten sind jederzeit willkommen, da die Aufrechterhaltung eines bundesweiten Schulungsangebots eine sehr umfangreiche Aufgabe darstellt und am besten auf vielen Schultern getragen wird.
Auch auf Fachtagungen wie z.B. dem NZW sind Oralia in der Krebstherapie vertreten. Am 13. September 2014 wird die 1. Fachtagung Orale Krebstherapie parallel zum NZW Süd in München stattfinden. Sie richtet sich an Apothekerinnen und Apotheker in allen öffentlichen Apotheken und bietet Einstieg und Vertiefung (s. Kasten).
Orale Krebstherapie beim NZW Süd
Zwei Neuerungen gibt es für den 13. NZW Süd (NZW = Norddeutscher Zytostatika Workshop), der am 12. und 13. September 2014 in München stattfindet und von der ersten Fachtagung Orale Krebstherapie flankiert wird. Damit wird er auch für in der Krebstherapie noch wenig erfahrene Offizinapotheker zum „Fortbildungsfeuerwerk“. Der Oralia-Teil ist auf Sonnabend, den 13. September 2014 konzentriert und beginnt mit einer Einführung ins Thema durch Dr. Tilman Schöning, Heidelberg. Mit zwei der „großen Oralia-Themen“ geht es weiter: unerwünschte Wirkungen (Kerstin Bornemann, Göttingen) und Adhärenz (Dr. Annette Freidank, Fulda). Viele Krebspatienten haben den verständlichen Wunsch, ihre Gesundheit mit Vitaminen und Nahrungsergänzungsmitteln zu verbessern. Aber tun sie sich damit tatsächlich etwas Gutes? Dieser Frage geht Jürgen Barth, Gießen, nach. Jan Geißler, CML Advocates Network, wird sich den Erwartungen widmen, die Krebspatienten an Apotheker stellen. Damit es nicht nur bei der Theorie bleibt, stehen außerdem Workshops zur Auswahl, in denen z.B. anhand von Fällen die beratungsrelevanten Aspekte erarbeitet oder Beratungsinhalte zu unerwünschten Wirkungen diskutiert werden.
Alle Informationen auf der Website www.orale-krebstherapie.de
Das pharmazeutisch-onkologische Betreuungstool der DGOP (PoB-DGOP®) ist eine Datenbank, die Monografien der oralen Wirkstoffe enthält und in der die Apotheke die Arzneimitteldaten ihrer Patienten speichern und ihre Beratung dokumentieren kann. Sie enthält standardisierte produktbezogene Beratungsmodule mit praxis- und patientenbezogenen Hinweisen zur Unterstützung der Abgabe der oralen Krebsmedikamente sowie Dokumentationsvorlagen für die Betreuungsleistung, patientenrelevante Neben- und Wechselwirkungen und die Arzneimitteleinnahme nach individuellem Plan, mit dessen Hilfe der Patient seine Therapie trotz der teils unregelmäßigen und daher außergewöhnlichen Einnahmerhythmen besser überblicken kann.
Die Monografien werden von Apothekern aktuell gehalten, die hierfür eine „Patenschaft“ übernommen haben. Weitere Monografie-Paten sind der DGOP genauso willkommen wie weitere Referenten. Registrierung und Nutzung der Datenbank sind kostenfrei, die Zugehörigkeit zu medizinischen Fachkreisen wird über ein DocCheck-Passwort nachgewiesen.
Das pharmazeutisch-onkologische Betreuungstool
Mehr Informationen über die Initiative der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP) sowie Kontaktdaten finden Sie unter www.dgop.org/anmeldung_kampagne.php. Hier findet sich auch ein Formular, mit dem Sie Interesse an einer Teilnahme an der Oralia-Schulung anmelden können.
Betreuungstool/Datenbank: https://dgop-oralia.de
Anmeldung als Referentin/Referent oder für eine Monografie-Patenschaft: mitgliederservice@dgop.org
Bestellung des kostenlosen vierteljährlichen Newsletters mit Informationen über orale Krebstherapie und die Oralia-Initiative: mitgliederservice@dgop.org
Ansprechpartnerin für weitere Fragen: Dorothee Dartsch: oralia@dgop.org
Quelle
Bassan F et al. Adherence to oral antineoplastic agents by cancer patients: definition and literature review. Europ J Canc Care 2014; 23: 22–35
Catania C et al. Perception that oral anticancer treatments are less efficacious: development of a questionnaire to assess the possible prejudices of patients with cancer. Breast Cancer Research and Treatment 2005; 92: 265–272.
Gellad WF: Targeted Cancer Therapy: From Bench to Bedside to Patient. J Clinic Oncol 2014; 32(4): 268–270.
Given BA, Spoelstra SL, Grant M. The challenges of oral agents as antineoplastic treatments. Seminars in Oncology Nursing 2011; 27, 93–103.
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