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Arzt und Apotheker ebnen den Weg aus der Tablettensucht
ABDA stellt Ergebnisse des Modellprojekts zur Benzodiazepin-Abhängigkeit vor
Im Jahr 2009 fragte das Bundesgesundheitsministerium bei der ABDA an, ob sie ein von dem Apotheker Dr. Ernst Pallenbach in Villingen-Schwenningen initiiertes Modellprojekt mitträgt. Titel und Ziel des Projektes: „Ambulanter Entzug Benzodiazepin-abhängiger Patienten in Zusammenarbeit von Apotheker und Hausarzt“. Das Thema ist für Apotheker eine besondere Herausforderung. Es zählt zu ihren Pflichten, dem Arzneimittelmissbrauch entgegenzuwirken. Doch für viele ist es schwierig, bei einem Verdacht die richtigen Worte zu finden – sowohl für den Patienten als auch für den verordnenden Arzt. Diese Hemmnisse zu überwinden lohnt sich aber, vor allem natürlich für die Patienten. Und angesichts der vielen Betroffenen – es gibt sogar Schätzungen, die von 2,3 Millionen Abhängigen in Deutschland ausgehen – sah sich die ABDA durchaus berufen, sich dem Thema über das Modellprojekt anzunehmen. Auch das Ministerium selbst förderte das Projekt.
Wie Christiane Eckert-Lill, ABDA-Geschäftsführerin Pharmazie, berichtete, hatte das Projekt einen langen Vorlauf. Es galt Apotheker, Ärzte und Patienten hierfür zu motivieren – kein ganz leichtes Unterfangen. Das anfängliche Interesse bei den Apothekern war zwar groß. Aber viele fürchteten den Zeitaufwand – den Ärzten ging es nicht anders. Am Ende schrieben sich 179 Apotheker (aus 101 Apotheken) ein. Zudem waren 63 Ärzte mit an Bord und 102 Patienten machten mit. Am 19. Mai stellten die Beteiligten die Ergebnisse offiziell in Berlin vor. Und die können sich sehen lassen: 46 Prozent der teilnehmenden Patienten konnten die Benzodiazepine komplett absetzen, weitere 27,5 Prozent die Dosis reduzieren.
Ein praxistaugliches Modell
Die 102 Patienten waren vorwiegend weiblich (72%) und im Durchschnitt 71 Jahre alt. Sie erhielten in etwa seit acht bis zehn Jahren regelmäßig Benzodiazepine, im Schnitt 6,1 mg. Die meisten Teilnehmer wurden über die Apotheken gewonnen (56%), 42 Prozent motivierte der Arzt. 60 Prozent hatten noch keinen Versuch unternommen, die Arzneimittel abzusetzen. Ein knappes Drittel versuchte es allein. Die wenigstens nahmen die Hilfe einer speziellen Ambulanz oder eines Psychiaters in Anspruch. Für Dr. Rüdiger Holzbach, Chefarzt der Abteilung Suchtmedizin der LWL-Kliniken Warstein und Lippstadt, der das Projekt wissenschaftlich begleitet hat, ist dies eine der wichtigen Botschaften: Das Projekt der Apotheker und Ärzte erreicht eine Klientel, an der die bisherigen Angebote vorbeigehen. Und das war auch das Ziel von Projektleiter Pallenbach: Er wollte ein praxistaugliches Modell schaffen, von dem Patienten profitieren und mit dem Apotheker zeigen können, dass sie mehr können als nur Arzneimittel abgeben.
Den Präsident der Bundesapothekerkammer, Dr. Andreas Kiefer, stimmen die Ergebnisse des Projektes optimistisch. Es zeige, dass Apotheker in Kooperation mit Hausärzten den Patienten den Weg aus der Abhängigkeit ebnen und so die Arzneimitteltherapiesicherheit verbessern können. „Drei von vier teilnehmenden Patienten profitieren von der berufsgruppenübergreifenden Intervention unmittelbar“, betonte Kiefer. Und das nachhaltig: Die meisten Patienten berichteten, nach drei Monaten keinen Rückfall erlitten zu haben oder es war ihnen gelungen, die Dosis noch weiter zu reduzieren.
Honorierung muss sein
Für Kiefer und die ABDA ist dieses Projekt ein Modell mit Zukunft: Ärzte und Apotheker können gemeinsam etwas für eine bessere Patientenversorgung tun, die betroffenen Patienten können ihr Leben wieder besser genießen – und die Krankenkassen sparen Geld. Denn die Nebenwirkungen von Benzodiazepinen – etwa Stürze – können teuer werden. Auch ein stationärer Entzug kommt sie teurer als die ambulante Intervention von Arzt und Apotheker. Die ABDA sähe es nun gerne, wenn das Projekt zur Regelversorgung werden könnte. Kiefer erklärte, den Krankenkassen entsprechende Verträge anbieten zu wollen. Diese müssten auch eine Honorierung vorsehen. Schließlich ist die Beratung der Patienten durchaus mit Mehraufwand verbunden – und zugleich wird bewusst auf Einnahmen aus dem Arzneimittelverkauf verzichtet. Dies müsse angemessen honoriert werden. Im finanziell geförderten Modellprojekt erhielten die Apotheker pro Patient 150 Euro, die Ärzte 50 Euro. Ob dies eine Vorgabe für künftige Verträge sein kann, ließ Kiefer offen. Letztlich müssten Krankenkassen und Gesellschaft entscheiden, was ihnen ein Leben ohne Sucht wert ist, so der BAK-Präsident.
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