Arzneimittel und Therapie

Ergotherapie macht fit für den Alltag

Parkinson-Patienten in der häuslichen Umgebung schulen

Die Therapie der Parkinson-Krankheit mit dopaminergen Arzneimitteln hat die Lebensqualität und das Gesamtüberleben der Patienten verbessert. Aber je mehr die Erkrankung fortschreitet, desto mehr wird das alltägliche Leben beeinträchtigt. In einer klinischen Studie zeigte sich, dass eine häusliche individuelle Ergotherapie bei den Patienten die selbständig durchzuführenden Aktivitäten verbessert [1].

Die Parkinson-Krankheit ist eine langsam fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die durch das Absterben der Dopamin-produzierenden Nervenzellen in der Substantia nigra gekennzeichnet ist. Zu den Leitsymptomen gehören Rigor, Bradykinese bis hin zur Akinese und Tremor. Beim Voranschreiten kommt es mehr und mehr zu einer Einschränkung der täglichen Aktivitäten und der Teilnahme am Sozialleben. Ausreichende Bewegung ist wichtig, um die für das Parkinson-Syndrom typische allmähliche Verminderung der Mobilität so lange wie möglich hinauszuzögern. Bei fortgeschrittener Krankheit ist eine regelmäßige und speziell darauf ausgerichtete Physiotherapie angebracht. Im Gegensatz zur Physiotherapie befasst sich die Ergotherapie (aus dem griechischen: érgon, „Werk“, „Arbeit“) mit der Ausführung konkreter Betätigungen und deren Auswirkungen auf den Menschen, seinen Alltag und seine Umwelt. Ergotherapie unterstützt und begleitet Patienten, die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt oder von Einschränkung bedroht sind. Ziel ist, die Betroffenen bei Betätigungen in den Bereichen Selbstversorgung, Produktivität und Freizeit in ihrer persönlichen Umwelt zu stärken. Durch spezifische Aktivitäten, Umweltanpassung und Beratung sollen die Handlungsfähigkeit im Alltag, gesellschaftliche Teilhabe und die Lebensqualität verbessert werden. Eine Übersicht aus England 1995 hat gezeigt, dass hier nur 13 bis 25% der Parkinson-Patienten ergotherapeutisch behandelt wurden [2], in Holland waren es 2013 sogar nur 8% [3]. In der jetzt im Lancet publizierten Studie sollte der wahre Nutzen einer Ergotherapie bei Parkinson-Kranken ermittelt werden.

Mithilfe des Datennetzwerks ParkinsonNet wurden potenzielle Teilnehmer ermittelt. Das waren Patienten, die zu Hause lebten und über Probleme im Alltagsleben klagten, bei denen also eine Indikation für eine ergotherapeutische Behandlung gegeben war. Die Teilnehmer wurden 2:1 randomisiert und drei bis sechs Monate lang beobachtet. Die Leistungsfähigkeit bei alltäglichen Aktivitäten wurde mithilfe des COPM-Scores (Canadian Occupational Performance) zu drei Zeitpunkten erfasst (Baseline, nach drei Monaten und nach sechs Monaten). Zwei Wochen nach der Randomisierung erhielten die Patienten der Versuchsgruppe gemäß der holländischen Ergotherapie-Leitlinien zehn Wochen lang eine Ergotherapie, die Kontrollgruppe nicht. Zu den ergotherapeutischen Maßnahmen gehörten ein Strategietraining im Hinblick auf Aktivitäten, Aufmerksamkeitstraining, Hilfe bei der Optimierung täglicher Routinearbeiten und Hilfe beim Management von Zeitdruck. In Abhängigkeit der Komplexität der Aufgaben variierte die Anzahl der Sitzungen, allerdings mit einem Maximum von 16 Stunden innerhalb der zehn Wochen.

Bessere Bewältigung der Alltagsaufgaben

Zwischen April 2011 und November 2012 waren 191 Patienten in die Studie aufgenommen und randomisiert worden, 124 in der Versuchsgruppe und 67 in der Kontrolle. Als primärer Endpunkt galt die Leistungsfähigkeit von täglichen Aktivitäten nach drei Monaten, gemessen mit dem COPM-Score. In einem Interview waren die Patienten zu Anfang befragt und dann gebeten worden, die drei bis fünf täglichen Aufgaben zu benennen, bei denen sie die größten Schwierigkeiten hätten. Anschließend sollten die Patienten bei jeder dieser Aktivitäten ihre Leistungsfähigkeit anhand einer 10-Punkte-Skala angeben (COPM-P; 1 = nicht fähig, die Tätigkeit auszuüben, 10 = extrem gut möglich, die Tätigkeit auszuüben). Als sekundärer Endpunkt galt die gleiche Erfassung nach sechs Monaten.

Zu Beginn betrug der COPM-Score in der Versuchsgruppe im Median 4,3 (3,5 bis 5,0) und in der Kontrolle 4,4 (3,8 bis 5,0). Nach drei Monaten betrugen die Scores 5,8 (5,0 bis 6,4) bzw. 4,6 (4,6 bis 6,6). Die Fähigkeiten zur Durchführung bestimmter Aufgaben hatten sich also nur in der Versuchsgruppe signifikant verbessert, und die Differenz im Vergleich zur Baseline betrug 1,2. Auch nach sechs Monaten zeigte sich noch eine Verbesserung im Vergleich zur Baseline in der Versuchsgruppe. Die COPM-Differenz zwischen den Gruppen war auch nach sechs Monaten noch signifikant, hatte aber über die Zeit abgenommen.

Erkenntnisse und Grenzen

In dieser Studie konnte eine Ergotherapie im Vergleich zu einer Kontrollgruppe signifikant die selbst eingeschätzte Leistungsfähigkeit im Hinblick auf täglich zu verrichtende Tätigkeiten verbessern und wirkte sich auch positiv auf die Zufriedenheit der Patienten aus. Leider mussten die Prioritäten schon zu Beginn von den Patienten gegenüber den Assessoren definiert werden. Die Forscher selber sahen hier einen Schwachpunkt der Untersuchung. Denn diese könnten sich ja im Laufe der Ergotherapiestunden verändert haben, zumal die Therapiekräfte sie auch gar nicht kannten. Inwieweit die teilweise gleichzeitig durchgeführte Medikation mit L-Dopa und gleichzeitig ausgeführte Physiotherapie die Ergebnisse direkt beeinflusst haben könnten, konnte durch das Studiendesign nicht differenziert geklärt werden. Die Tatsache, dass die COPM-Differenz im zweiten halben Beobachtungsjahr kleiner wurde, lässt darauf schließen, dass eine ergotherapeutische Erhaltungstherapie angebracht sein könnte, um eine Nachhaltigkeit zu erreichen. In weiteren Untersuchungen sollte auch eine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt werden und untersucht werden, ob es Determinanten gibt, die auf ein gutes Ansprechen dieser Therapie hinweisen. 

Quelle

[1] Sturkenboom M et al. Efficacy of occupational therapy for patients with Parkinson´s disease: a randomized controlled trial. www.thelancet.com/neurology. dx.doi.org/10.1016/S1474-4422(14)70055-9.

[2] Clarke CE, Zobkiw RM et al. Quality of life and care in Parkinson´s disease. Br J Clin Pract 1995: 49: 228–293.

[3] Van der Marck MA et al. Integrated multidisciplinary care in Parkinson´s disease: a non-randomised, controlled trial (IMPACT). Lancet Neurol 2013; 12: 947–956.

 

Apothekerin Dr. Annette Junker

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