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Feuilleton
Reiseapotheken
Ausstellung im Brandenburgischen Apothekenmuseum Cottbus
Plötzlich auftretende Kopfschmerzen, eine Magenverstimmung oder ein Sonnenbrand können die Urlaubsfreuden empfindlich beeinträchtigen. Deshalb ist es ein guter Brauch, eine Reiseapotheke für alle Fälle im Gepäck mitzuführen.
Schon Ötzi hatte vorgesorgt
Das war im Prinzip schon vor Urzeiten so, als es weder Ärzte noch Apotheker gab. Nachdem 1991 am Similaun die Gletschermumie „Ötzi“ gefunden worden war, stellte sich bei der genaueren Untersuchung heraus, dass Ötzi vor dem Antritt seiner letzten Wanderung Vorsorgemaßnahmen getroffen hatte, um Krankheiten oder Verletzungen behandeln zu können. Die Gürteltasche enthielt neben verschiedenen Schneidwerkzeugen und anderen Kleingeräten zur Nahrungsbeschaffung auch Schwefelkies (Pyrit), Zunderschwämme (Fomes fomentarius) und Birkenporlinge (Piptoporus betulinus). Das Mineral und die Pilze waren einerseits unentbehrlich, um in der Wildnis zum Einbruch der Nacht oder für die Nahrungszubereitung ein Feuer entfachen zu können.
Es ist jedoch anzunehmen, dass die Menschen vor über 5000 Jahren auch schon die blutstillende und antibiotische Wirkung der Pilze kannten und sie als heilende Bandagen auf Wunden legten.Der Fund der „Reiseapotheke“ aus dem Neolithikum ist ein bis jetzt beispielloser Glücksfall. Wie andere profane Gebrauchsgegenstände wurden auch Behältnisse für den Transport von Arzneimitteln in aller Regel nicht aufbewahrt, wenn sie ihren Zweck nicht mehr erfüllten. So gibt es erst seit dem 19. Jahrhundert zahlreiche Belege, die die frühere Arzneiversorgung für unterwegs dokumentieren. Ausnahmen sind prunkvolle Reiseapotheken der Renaissance und des Barock, die wegen ihres künstlerisches Wertes die Zeiten überdauert haben.
Mit Olitäten „auf dem Strich“
Reisende Adelige, vermutlich aber auch Kaufleute und wohlhabende Bürger ließen prunkvolle kleine Schränke oder Kästen anfertigen, die zuweilen dem Inventar einer Offizin ähnelten. Sie waren mit Schubladen und Fächern ausgestattet, in denen nicht minder kostbare Fläschchen und Gläser, Pillendosen und Balsambüchsen bruchsicher aufbewahrt werden konnten. Für die Arzneizubereitung wurden kleine Waagen, Gewichte, Mörser, Spatel, Messbecher und Pipetten mitgeführt. Manche Reiseapotheke enthielt sogar Geheimfächer für besonders teure Medikamente oder Gifte.
Im Thüringer Schwarzatal und Umgebung (Königsee, Schmiedefeld u.a.) ging ab dem 17. Jahrhundert aus heilkundigen Köhlern, Pechsiedern und Harzscharrern die Zunft der „Buckelapotheker“ hervor, die Kräuter sammelten und daraus in ihren Laboratorien sogenannte „Olitäten“ herstellten. Die Buckelapotheker vertrieben ihre Balsame, Essenzen, Destillate und Pillen selbst und gingen mit amtlicher Lizenz „auf den Strich“. Diese genau festgelegten, von Generation zu Generation vererbten Wege führten auch aus Deutschland hinaus nach Polen und Ungarn, in die Schweiz und in die Niederlande. Mit „Olitäten“ gefüllte Spanschachteln, Fläschchen und Dosen wurden in einem „Reff“ gestapelt, einem Holzgestell, das auf dem Rücken getragen wurde.
Feldapotheken
Auch Feldapotheken waren im weiteren Sinne Reiseapotheken, die speziell mit Medikamenten und Hilfsmitteln für die Behandlung verwundeter und kranker Soldaten ausgestattet wurden. Seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert zogen im Tross der Heere privilegierte Apotheker mit, die Arzneien aus ihrer Offizin mit ins Feld nahmen. Als der Staat ab Mitte des 17. Jahrhunderts stehende Heere aufstellte, stellte er auch Apotheker für die Versorgung der Soldaten sowohl in Kriegs- als auch in Friedenszeiten in den Dienst. Aus diesen Anfängen entwickelte sich die moderne Militärpharmazie. In der Ausstellung wird anhand einer Feldapotheke der Nationalen Volksarmee der DDR dargestellt, welche besonderen Anforderungen an den Transport und die Lagerung von Medikamenten in Katastrophenfällen gestellt wurden (und werden).
Arzneitaschen für alle Fälle
Die pharmazeutische Industrie entwickelte und produzierte nicht nur Arzneistoffe und Fertigpräparate, sondern bot auch Haus- und Reiseapotheken an, welche die wichtigsten Mittel für Notfälle bereithielten.
Neben Analgetika und fiebersenkenden Mitteln gehörten dazu auch Mittel bei Magenverstimmungen oder „Alkoholkater“ – und selbstverständlich auch Verbandzeug und Wundpflaster. Der Erste-Hilfe-Kasten gehört schon lange zur Pflichtausstattung von Kraftfahrzeugen. Im Gegensatz zur vorindustriellen Zeit sind alle Arzneimittel gebrauchsfertig und benötigen nur wenig Volumen. So überrascht es nicht, dass es schon um 1900 Taschenapotheken gab, die kleiner waren als ein Brillenetui.
Ausstellung
Brandenburgisches Apothekenmuseum
Altmarkt 24, 03046 Cottbus
Tel. (0355) 23997, Fax 3831848
www.niederlausitzer-apothekenmuseum.de
Geöffnet: Dienstag bis Freitag 10 bis 17 Uhr
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