Aus den Ländern

Interdisziplinär und innovativ

Breit aufgestellt und mit hochaktuellen Themen präsentierte sich die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) auf ihrer Jahrestagung vom 9. bis 11. Oktober in Freiburg.

570 Wissenschaftler, Apotheker und Promovierende trafen sich in den Räumen der Universität Freiburg. Mit fast 80 Vorträgen und über 250 Postern gab es eine stattliche Fülle an Programmpunkten.Bereits vor der offiziellen Eröffnung der Tagung fanden mehrere Vorsymposien statt, so zum Thema „Arzneimittelsicherheit“ (organisiert von der DPhG-Fachgruppe Arzneimittelkontrolle/Pharmazeutische Analytik) und über „Molekularpharmakologie G-Protein-gekoppelter Rezeptoren“ (organisiert von der Deutschen Gesellschaft für Pharmakologie, DGP). Daneben gab es auch öffentlich zugängliche Vorveranstaltungen sowohl zur traditionsreichen Geschichte der Freiburger Pharmazie als auch – unter dem Motto „Wissenschaft für jedermann“ – ein interessantes Referat von Dr. Monika Lachner (Max-Planck-Institut für Immunologie und Epigenetik, Freiburg) mit dem Titel „Wie die Umwelt unsere Gene steuert“.

Im Rahmen des Projekts „Pharmazie 2020 – Perspektiven in Forschung und Lehre“ wurde in einem weiteren Vorsymposium des DPhG-Präsidenten, Prof. Dr. Dieter Steinhilber, der aktuelle Status des Projekts vorgestellt. Es zielt auf die Weiterentwicklung der universitären Ausbildung und auf die Identifizierung und Etablierung neuer pharmazeutischer Forschungsfelder und -netzwerke ab. Erste Veröffentlichungen hierzu, die gemeinsam von den Fachgruppen und dem wissenschaftlichen Beirat der DPhG erarbeitet wurden, können auf der Homepage der DPhG abgerufen werden.

Zielstrukturen für innovative Arzneimittel

Im Anschluss an die Eröffnung des Kongresses ging es im Plenarvortrag von Prof. Dr. Roland Schüle (Universitätsklinikum Freiburg) um das hochaktuelle Forschungsgebiet der epigenetischen Drug Targets. Am Beispiel des von Schüle intensiv beforschten Enzyms LSD1, einer Lysin-spezifischen Histon-Demethylase, wurde klar, wie lohnenswert die Beschäftigung mit diesen Zielstrukturen z.B. für die Entwicklung neuer Krebstherapien ist.

Im Zentrum des zweiten großen Eröffnungsvortrags von Prof. Dr. Peter Gmeiner (Universität Erlangen-Nürnberg) standen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, die bekanntlich sehr wichtige Target-Strukturen von Arzneistoffen darstellen. Mittels des Designs neuartiger Liganden in Gmeiners Arbeitsgruppe gelingt es nun, diese Rezeptoren in ihrer hoch komplexen Struktur besser zu verstehen und vor allem auch ihre Funktion präzise zu beeinflussen.

Poster und Workshops

Insbesondere bei den Postern, die fast ausschließlich von jungen Wissenschaftlern präsentiert wurden, zeigte sich, dass die klassische Fächerteilung der Pharmazie in der Forschung häufig nur noch auf dem Papier existiert.

Biologische Themen in der Pharmazeutischen Chemie, pharmakologische Untersuchungen in der Pharmazeutischen Biologie und Technologie oder eine chemische Herangehensweise in der Pharmakologie – die Natur des Faches „Pharmazie“ drückt sich hier klar in ihrer breiten und vernetzten naturwissenschaftlichen Prägung aus. Die Einteilung in Poster-Gruppen wurde dadurch zu einer Herausforderung für die Organisatoren der Tagung.

Intensiv wissenschaftlich diskutiert wurde – außer bei den Posterpräsentationen – vor allem in den verschiedenen Sitzungen, z.B. zu den Themen Chemical Biology, Naturstoffe und ihre Wirkmechanismen, Nanomedizin, Biosimilars, Bioinformatik, Ionenkanäle als Drug Targets oder zu ethischen und rechtlichen Aspekten in der Biomedizin. Hierbei hat es sich bewährt, dass neben ausführlicheren Referaten etablierter Wissenschaftler auch Nachwuchsforscher ihre Arbeiten einem breiten Fachpublikum präsentieren dürfen.

Gentechnik und Nanotechnologie

Am Schlusstag des Kongresses hat Prof. Dr. Axel Brakhage (Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie, Jena) vielversprechende Wege zur Entdeckung neuer bioaktiver Stoffe aus Mikroorganismen vorgestellt. Indem er die Kommunikation zwischen Pilzen und Bakterien untersucht und als Werkzeug benutzt, gelingt es Brakhage, schlafende Biosynthese-Gencluster von Pilzen zu aktivieren und sie zur Synthese neuer Substanzen zu bewegen.

Prof. Dr. Moein Moghimi (Nano-Science Center, Universität Kopenhagen) stellte unter dem Titel „1001 Komplement-Geschichten“ verschiedene Wege vor, wie nanotechnologisch hergestellte Strukturen, z.B. zur Verpackung von Arzneistoffen in Nanoträger, zu Nebenwirkungen durch die Aktivierung des Komplementsystems führen können. Moghimi arbeitet daran, die Mechanismen der Aktivierung zu verstehen, um diese Probleme zu überwinden.

Traditionsgemäß nahmen an der Tagung auch Vertreter der Pharmazeutischen Gesellschaft Japans teil. Prof. Dr. Shigeru Ohta (Universität Hiroshima) und Prof. Dr. Masami Otsuka (Universität Kumamoto) berichteten über neurotoxische Faktoren bei Parkinson bzw. über die Rolle von verschiedenen Inositolphosphaten im Calcium-Signalling und bei der HIV-Replikation.

Auszeichnungen

Zum Abschluss der Tagung wurden nicht nur die fünf besten Posterpräsentationen durch Preise der Lesmüller-Stiftung honoriert, sondern auch drei besondere Auszeichnungen der DPhG vergeben:

Erstmals wurden sowohl der Walter-Schunack-Preis für junge Postdocs für herausragende wissenschaftliche Leistungen im Bereich der Medizinischen Chemie an Dr. Maxim Frizler als auch die Else-Ullmann-Medaille für besondere Verdienste auf dem Gebiet der Pharmazie an Dr. Ursula Vierkotten und Dr. Richard Klämbt verliehen.

Jun.-Prof. Dr. Ruth Brenk erhielt den Nachwuchswissenschaftler-Preis der DPhG-Stiftung (Horst-Böhme-Stiftung), der hervorragende junge Wissenschaftler fördert, die eine Hochschullaufbahn einschlagen möchten.

Als Postsymposium wurde der „Tag der Offizinpharmazie“ angeboten, der von der Fachgruppe Allgemeinpharmazie der DPhG in Kooperation mit der LAK Baden-Württemberg organisiert wurde. Bei dieser Fortbildungsveranstaltung ging es schwerpunktmäßig um die aktuelle Therapie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen.

Abseits des dichten und wissenschaftlich anspruchsvollen Programms bot die Jahrestagung aber auch die Gelegenheit, alte Kontakte innerhalb der „pharmazeutischen Familie“ zu pflegen und neue zu knüpfen – nicht zuletzt auch beim Konferenz-Dinner, das in der Freiburger Markthalle stattfand. 

Prof. Dr. Robert Fürst

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