Arzneimittel und Therapie

Vitamin D enttäuscht

Schmerzen und Knorpelverlust nicht gebessert

Weltweit zählt die Kniegelenksarthrose zu einer der häufigsten chronischen Erkrankungen. Der Gelenkverschleiß hat einen erheblichen Einfluss auf die Funktion des Knies und die Lebensqualität der Betroffenen. Die Ergebnisse verschiedener Studien wiesen bisher auf einen günstigen präventiven Effekt des Sonnenvitamins auf chronisch-degenerative Gelenkerkrankungen hin. Allerdings konnte die Supplementierung von Vitamin D in einer aktuellen, randomisierten klinischen Studie bei Patienten mit einer Kniegelenksarthrose weder die Schmerzen noch den weiteren Knorpelverlust vermindern.

In verschiedenen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass bei Personen mit Vitamin-D-Mangel (25-OH-D < 20 ng/ml) chronische, schmerzhafte Gelenkerkrankungen wie rheumatoide Arthritis und Osteoarthritis vermehrt auftreten [1 – 3, 8]. Unabhängige prospektive Kohortenstudien zeigten zudem, dass ein guter 25-OH-D-Status oder eine höhere Vitamin-D-Einnahme mit einem 2,5 bis 3-fach verminderten Risiko für das radiologische Fortschreiten einer Hüft- beziehungsweise Kniegelenksarthrose assoziiert sind [1, 2]. Darüber hinaus haben ältere Personen mit einer rheumatoiden Arthritis oder Kniegelenksarthrose ein erhöhtes Knochenbruch- und Sturzrisiko [4, 5]. Ergebnisse von prospektiven Beobachtungsstudien, wie der Framingham-Studie, geben zusätzlich Hinweise darauf, dass eine bessere Knochendichte das Voranschreiten einer Kniegelenksarthrose vermindert [6, 7, 8].

Ein typisches klinisches Symptom eines ausgeprägten Vitamin-D-Mangels (25-OH-D < 10 ng/ml) ist die Muskelschwäche, die vor allem proximal auftritt und häufig mit einem breitbasigen Gangbild und Gliederschmerzen einhergeht. Vitamin D verbessert die Muskelkraft und kann das Sturzrisiko vermindern [9]. Patienten mit Kniegelenksarthrose könnten demnach unter multiplen Aspekten von einer Optimierung ihres Vitamin-D-Status (25-OH-D: 30 – 60 ng/ml) profitieren.

Der 25-OH-D-Spiegel ist das Barometer der Vitamin-D-Gesundheit. Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen sollte der 25-OH-D-Spiegel im Serum zwischen 30 und 60 ng/ml liegen, um langfristig negative Folgen auf die Gesundheit zu vermeiden. Ideal ist ein 25-OH-D-Status zwischen 40 und 60 ng/ml bzw. 100 und 150 nmol/l. Bei 25-OH-D-Spiegeln unter 20 ng/ml liegt ein ausgeprägter Vitamin-D-Mangel und bei Werten zwischen 21 und 29 ng/ml ein mäßiger Vitamin-D-Mangel vor, der auch als Vitamin-D-Insuffizienz bezeichnet wird [9, 11]. Das aktive 1,25-(OH)2 -D sollte zur Einschätzung des Vitamin-D-Status ausdrücklich nicht gemessen werden, da es bei einem Vitamin-D-Mangel oft aufgrund erhöhter Parathormonspiegel normal oder sogar kompensatorisch erhöht ist!

In der randomisierten, kontrollierten doppelblinden Interventionsstudie erhielten 146 Patienten (mittleres Alter: 62,4 Jahre, 61% Frauen) mit Kniegelenksarthrose über zwei Jahre entweder Vitamin D (2000 I.E. Vitamin D pro Tag) oder Placebo. Der angestrebte 25-OH-D-Spiegel lag bei mindestens 36 ng/ml. Um diesen Spiegel zu erreichen, konnte die Dosis des Sonnenvitamins schrittweise gesteigert werden. Die primären Endpunkte waren Knieschmerzen, die mit der WOMAC-Skala gemessen wurden (0 Punkte = keine Schmerzen, 20 Punkte = extreme Schmerzen), und der mittels Kernspintomographie gemessene Knorpelverlust. Die sekundären Endpunkte umfassten die Kniefunktion (WOMAC-Funktionsskala: 0 Punkte = keine Einschränkung, 68 Punkte = extreme Einschränkung) sowie die Knorpeldicke, Läsionen der Knochenstruktur, radiologische Weite des Gelenkspalts und die Gelenkbeweglichkeit.

85% der Teilnehmer beendeten die Studie. Die Serumspiegel des 25-OH-D stiegen unter der Supplementierung von Vitamin D signifikant im median um 16,1 ng/ml und in der Placebo-Gruppe um 2,1 ng/ml an (p < 0,001). Zu Beginn der Studie hatten die Teilnehmer in der Vitamin-D-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe etwas stärkere Knieschmerzen (median 6,9 vs. 5,8 Punkte, p = 0,08) und eine deutlich schlechtere Kniefunktion (median 22,7 vs. 18,5 Punkte, p = 0,04). Unter der Supplementierung von Vitamin D besserten sich die Knieschmerzen um 2,31 Punkte und in der Placebo-Gruppe um 1,46 Punkte. Zu keinem Zeitpunkt zeigten sich aber signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Auch der mediane Knorpelverlust war in beiden Gruppen gleich. Bei den sekundären Endpunkten wurden ebenfalls keine Unterschiede festgestellt [10].

Eine ausreichende Supplementierung von Vitamin D (Ziel: 25-OH-D > 36 ng/ml) über einen Zeitraum von zwei Jahren konnte in dieser Interventionsstudie weder die Knieschmerzen noch den Knorpelverlust bei Patienten mit Kniegelenksarthrose im Vergleich zu Placebo verringern. Nach Aussage des leitenden Autors der Studie Timothy McAlindon vom Tufts Medical Center in Boston scheint die Kniegelenksarthrose demnach keine Indikation für Vitamin D zu sein.

Das Studienergebnis aus dem JAMA überrascht uns nicht. Es gab keinen Grund anzunehmen, dass Vitamin D bei bereits bestehender Kniegelenksarthrose die Gelenkschmerzen als auch die Progression der Erkrankung reduziert. Die Message und Schlussfolgerung dieser Studie für Ärzte sollte sein, dass man generell in der medizinischen Praxis stärker auf eine gute Versorgung der Bevölkerung mit Vitamin D achtet, um chronische Erkrankungen, inklusive der Arthose, vorzubeugen.


Quelle

[1] McAlindon TE, Felson DT, Zhang Y, et al. Relation of dietary intake and serum levels of vitamin D to progression of osteoarthritis of the knee among participants in the Framingham Study. Ann Intern Med 1996; 125(5): 353 – 359.

[2] Lane NE, Gore LR, Cummings SR, et al. Serum vitamin D levels and incident changes of radiographic hip osteoarthritis: a longitudinal study. Study of Osteoporotic Fractures Research Group. Arthritis Rheum 1999; 42(5): 854 – 860,

[3] Merlino LA, et al. Vitamin D intake is inversely associated with rheumatoid arthritis: results from the Iowa Women’s Health Study. Arthritis Rheum. 2004; 50(1): 72 – 77.

[4] Arden NK, Nevitt MC, Lane NE, et al. Osteoarthritis and risk of falls, rates of bone loss, and osteoporotic fractures. Study of Osteoporotic Fractures Research Group. Arthritis Rheum 1999; 42(7): 1378 – 1385.

[5] Cooper C, Coupland C, Mitchell M. Rheumatoid arthritis, corticosteroid therapy and hip fracture. Ann Rheum Dis. 1995; 54(1): 49 – 52.

[6] Bischoff-Ferrari HA, Zhang Y, Kiel DP, Felson DT. Positive association between serum 25-hydroxyvitamin D level and bone density in osteoarthritis. Arthritis Rheum. 2005; 53(6): 821 – 826.

[7] D’Elia HF, Larsen A, Mattsson LA, et al. Influence of hormone replacement therapy on disease progression and bone mineral density in rheumatoid arthritis. J Rheumatol. 2003; 30(7): 1456 – 1463.

[8] Zhang Y, Hannan MT, Chaisson CE, et al. Bone mineral density and risk of incident and progressive radiographic knee osteoarthritis in women: the Framingham Study. J Rheumatol 2000; 27(4): 1032 – 1037.

[9] Gröber U, Holick MF. Vitamin D: Die Heilkraft des Sonnenvitamins. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 2012.

[10] McAlindon T, et al. Effect of vitamin D supplementation on progression of knee pain and cartilage volume loss in patients with symptomatic osteoarthritis. A randomized controlled trial. JAMA 2013; 309(2): 155 – 162.

[11] Holick, MF. Vitamin D deficiency. N Engl J Med, 2007; 357(3): 266 – 281.


Uwe Gröber
Akademie für Mikronährstoffmedizin, Essen

Michael F. Holick
Boston University Medical Center, Massachusetts, USA



DAZ 2013, Nr. 4, S. 30

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