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Arzneimittel und Therapie
SSRI in der Schwangerschaft nicht absetzen
Trotz etlicher Studien ist nach wie vor ungeklärt, ob selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), mit denen Depressionen im Allgemeinen behandelt werden, angeborene Fehlbildungen, spontane Aborte, ein neonatales Entzugssyndrom oder persistierende pulmonare Hypertension auslösen. Umgekehrt konnte in den letzten Jahren festgestellt werden, dass das Absetzen von SSRI aufgrund einer Schwangerschaft mit einem erhöhten Rückfallrisiko in eine schwere depressive Episode und seinen Folgen wie Säuglingssterblichkeit oder plötzlichem Kindstod einhergeht. Wenig untersucht worden ist bisher allerdings die Frage, welchen Einfluss die fortgesetzte Einnahme von SSRI auf die Säuglingssterblichkeit bzw. Totgeburten hat.
Da in den skandinavischen Ländern zentrale Personenregister zur Erfassung von verschreibungspflichtigen Medikamenten und Geburten bestehen, ist es möglich, den Zusammenhang von Medikamenten auf eine bestehende Schwangerschaft zu untersuchen. Bei der durchgeführten Studie handelte es sich um eine populationsbezogene Kohortenstudie basierend auf zentralen Personenregistern aus Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland und Island über den Zeitraum von 1996 und 2007. Erfasst wurden mehr als 1,6 Millionen registrierte Geburten. Davon nahmen 1,8% der Frauen einen selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, was ca. 30.000 Geburten entspricht. Bei diesen Frauen handelte es sich im Allgemeinen um ältere Frauen, häufig Raucherinnen, Diabetikerinnen, Hypertonikerinnen oder Frauen, die sich zuvor in stationärer psychiatrischer Behandlung befunden haben. Ausgewertet wurden in der Studie Rezepteinlösungen der Wirkstoffe Citalopram, Fluoxetin, Paroxetin, Sertralin, Fluvoxamin und Escitalopram. Sie wurden mindestens drei Monate vor dem ersten Trimenon maximal während der gesamten Schwangerschaft eingenommen.
Ausgewertet wurden Totgeburten (intrauteriner Tod nach der 22. Schwangerschaftswoche), neonataler Tod (Tod nach dem 0. bis 27. Tag nach einer Lebendgeburt) und postneonataler Tod (Tod nach 28. bis 364. Tag nach einer Lebendgeburt). Insgesamt wurden 135 Totgeburten, 74 Fälle von neonatalem Tod in den ersten vier Lebenswochen sowie 40 Todesfälle im ersten Lebensjahr bei Frauen, die SSRI einnahmen, registriert.
Die Rate von Totgeburten war mit 4,6 versus 3,7 pro 1000 Geburten bei den Müttern mit SSRI etwas erhöht. Berücksichtigt man die Risikofaktoren der meist älteren Frauen wie Rauchen, Hypertonie und Diabetes, konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen Frauen mit und ohne SSRI in der Schwangerschaft festgestellt werden.
Ein ähnliches Ergebnis wurde bei neonatalen Todesfällen in den ersten vier Lebenswochen (2,5 vs. 2,2/1000) sowie bei Todesfällen im ersten Lebensjahr (1,4 vs. 1,0/1000) beobachtet: Wurden die bekannten Risikofaktoren berücksichtigt, konnte kein erhöhtes Risiko bei den Frauen, die SSRI einnahmen, beobachtet werden.
Nutzen und Risiken abwägen
Nach Ansicht der Autoren sollte die Einnahme eines SSRI nicht länger mit einer erhöhten Säuglingssterblichkeit oder einer Totgeburt in Zusammenhang gebracht werden. Die erhöhten Raten der Totgeburten und Säuglingssterblichkeit unter den Kindern, die einem SSRI ausgesetzt waren, lassen sich mit der Schwere der psychiatrischen Erkrankung der Mutter, den negativen Lebensgewohnheiten wie Rauchen oder dem fortgeschrittenen Alter der Mutter erklären. Trotzdem sollten bei jeder Entscheidung für die Einnahme von SSRI während der Schwangerschaft eventuelle andere Risiken für das Kind und der mentale Zustand der Mutter immer berücksichtigt werden.
QuelleStephansson O, Kieler H, Haglund B, et al. Selective Serotonin Reuptake Inhibitors During Pregnancy and Risk of Stillbirth and Infant Mortality. J Am Med Assoc 2013; 309(1): 48 – 54.
Apothekerin Elisabeth Hemrich
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