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Arzneimittel und Therapie
Off-label-Therapie mit Ciclosporin ist Infliximab nicht überlegen
Gemeinsam mit Morbus Crohn gehört die Colitis ulcerosa zu den verbreitetsten chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) in Deutschland. Sie ist gekennzeichnet durch eine fortschreitende, im Rektum beginnende Ulceration der Kolonschleimhaut, die blutig-schleimige Durchfälle und krampfartige Bauchschmerzen zur Folge hat. Standardtherapie sind Mesalazin, Olsalazin und Sulfasalazin, oral oder in Form von Suppositorien, Klysmen oder Schäumen rektal verabreicht. Bei fehlender Remission oder schwerem Krankheitsverlauf werden Glucocorticoide oral oder parenteral eingesetzt. Bei Unverträglichkeit oder Nichtansprechen ist Infliximab indiziert. Auch Therapieversuche mit Ciclosporin oder Tacrolimus werden empfohlen. Bei Ansprechen auf eine dieser Behandlungen schließt sich eine immunsuppressive Therapie mit Azathioprin oder 6-Mercaptopurin zur Remissionserhaltung an. Schlagen alle medikamentösen Optionen fehl, ist meist eine Operation (Kolektomie), bei der das gesamte Kolon entfernt und der Dünndarm mit dem Rektum verbunden wird, unumgänglich.
Alternativen bei Nichtansprechen
Rund 40% der Colitis-Patienten sprechen auf eine systemische Steroidtherapie nicht an. Ciclosporin und Infliximab werden in diesen Fällen als Rescue-Medikation eingesetzt. Bisher existierten jedoch keine randomisierten kontrollierten Studien zum Vergleich der Wirksamkeit und Sicherheit beider Therapieoptionen.
Lichtiger-ScoreDer Lichtiger-Score dient der Einschätzung der Krankheitsschwere. Kriterien wie beispielsweise die Anzahl der Stühle pro Tag, das Vorhandensein von Blut im Stuhl, das Auftreten nächtlicher Diarrhöen und Schmerzen und das Allgemeinbefinden werden mit Punkten bewertet. Bei ≥ 10 Punkten liegt ein schwerer Schub vor, bei einem Score ≤ 3 befindet sich der Patient in Remission. |
Unter der Annahme, dass Ciclosporin etwas wirksamer sein könnte, wurden beide Wirkstoffe in einer französischen unverblindeten Studie an 27 europäischen Zentren miteinander verglichen. Die Teilnehmer waren mindestens 18 Jahre alt, ihr Lichtiger-Score (siehe Kasten) lag bei ≥ 10 Punkten. Keiner von ihnen war zu einem früheren Zeitpunkt mit Ciclosporin oder Infliximab behandelt worden. Alle Patienten hatten mindestens fünf Tage lang eine erfolglose intravenöse Hochdosistherapie mit Steroiden in einer Dosierung von mindestens 0,8 mg/kg pro Tag Methylprednisolon oder einem Äquivalent erhalten. Ciclosporin (n = 58) wurde in einer Dosierung von 2 mg/kg Körpergewicht pro Tag über eine Woche intravenös und anschließend bis zum Studienende nach 98 Tagen oral (4 mg/kg KG) verabreicht. Infliximab (n = 57) wurde in einer Dosierung von 5 mg/kg KG an den Tagen 0, 14 und 42 appliziert. Patienten, die auf eine dieser Behandlungen ansprachen, erhielten zusätzlich ab dem siebenten Studientag Azathioprin.
Primärer Endpunkt war ein Behandlungsversagen mit folgenden vordefinierten Kriterien:
fehlendes klinisches Ansprechen am Tag 7
ein Rückfall zwischen dem 7. und dem 98. Tag
das Fehlen einer steroidfreien Remission am Tag 98
eine schwere Nebenwirkung, die zu Behandlungsabbruch, Kolektomie oder Tod führte.
Ein Therapieversagen nach diesen Kriterien wurde bei 35 Patienten (60%) unter Ciclosporin und 31 (54%) unter Infliximab registriert (absolute Differenz 6%, 95% KI -7 bis 19, p = 0,52). In den ersten sieben Studientagen lag das Ansprechen unter Ciclosporin bei 86%, unter Infliximab bei 84% (absolute Risikodifferenz 2%, 95% KI -11 bis 15, p = 0,76). Der Lichtiger-Score verbesserte sich zwischen Tag 0 und 7 in der Infliximab-Gruppe schneller als bei den Ciclosporin-Patienten, jedoch war dieser Unterschied nur an den Tagen 3 und 4 statistisch signifikant (p = 0,039 bzw. 0,015).
Die Behandlung wurde in beiden Gruppen gut toleriert. Bei neun Patienten (16%) in der Ciclosporin-Gruppe und 14 (25%) unter Infliximab traten im Studienzeitraum schwere unerwünschte Ereignisse auf. Die häufigste Nebenwirkung war dabei eine Verschlechterung der Erkrankung, daneben kam es zu schweren Infektionen wie z. B. durch das Cytomegalievirus.
Bessere Messinstrumente etablieren
Kritikpunkte der Studie sind aus Sicht der Autoren die relativ geringe Patientenzahl sowie die fehlende Verblindung. Eine solche wäre jedoch nur schwer realisierbar, da unter Ciclosporin zu Behandlungsbeginn häufig Parästhesien, vor allem ein Brennen in Händen und Füßen, auftreten sowie im Laufe der Behandlung Dosisanpassungen notwendig sind. Obwohl entgegen der Eingangshypothese Ciclosporin nicht wirksamer als Infliximab war, kann aus Autorensicht keine der beiden Optionen vorrangig empfohlen werden. Die Entscheidung für einen der beiden Wirkstoffe sollte von den Erfahrungen der Behandler abhängig gemacht werden. Nach Ansicht zweier Kommentatoren der Studie liegt ihr Stellenwert vor allem darin, dass erstmalig in einem gut definierten Patientenkollektiv die Effektivität beider Rescue-Medikamente verglichen wurde. Da eine Überlegenheit von Ciclosporin nicht gezeigt werden konnte, sowie auch wegen dessen ungünstigen Sicherheitsprofils, werden aus ihrer Sicht die meisten Ärzte bei der untersuchten Indikation eher Infliximab bevorzugen. Unumgänglich ist ihrer Meinung nach die Etablierung geeigneterer Messinstrumente für die Krankheitsaktivität, da der Lichtiger-Score nicht optimal sei.
QuelleLaharie D, et al. Ciclosporin versus infliximab in patients with severe ulcerative colitis refractory to intravenous steroids: a parallel, open-label randomised controlled trial. Lancet 2012; 380: 1909 – 1915.Levesque, BG, Sandborn, WJ. Infliximab versus ciclosporin in severe ulcerative colitis. Lancet 2012; 380: 1887 – 1888.S3-Leitlinie "Diagnostik und Therapie der Colitis ulcerosa", AWMF-Register Nr. 021/009, Stand 09/2011, Z Gastroenterol 2011; 49(9): 1276 – 1341.
Apothekerin Dr. Claudia Bruhn
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