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Fragen aus der Praxis

Abführmittel auf Rezept

Wann Laxanzien zulasten der GKV verordnungsfähig sind

Eine langjährige Stammkundin, Frau M., bekommt neuerdings starke Analgetika gegen die durch ihre Arthrose verursachte Schmerzen. Auf dem aktuellen Rezept stehen Oxycodon-Tabletten. Weiterhin hat sie auch ein grünes Rezept bekommen. Darauf verordnet sind Laxoberal®-Abführ-Tropfen 50 ml. Die Kundin ist von den Zuzahlungen befreit, und wundert sich, als Sie von ihr 19,97 Euro für die Abführ-Tropfen verlangen.

FRAGE

Eine langjährige Stammkundin, Frau M., bekommt neuerdings starke Analgetika gegen die durch ihre Arthrose verursachte Schmerzen. Auf dem aktuellen Rezept stehen Oxycodon-Tabletten. Weiterhin hat sie auch ein grünes Rezept bekommen. Darauf verordnet sind Laxoberal®-Abführ-Tropfen 50 ml. Die Kundin ist von den Zuzahlungen befreit, und wundert sich, als Sie von ihr 19,97 Euro für die Abführ-Tropfen verlangen. Sie brauche diese ja schließlich nur, weil sie das neue Schmerzmittel bekomme, davor hatte sie keine derartigen Probleme. Warum zahlt die Krankenkasse dieses Mittel nicht?

Antwort geben

Apothekerinnen und Wissenschaftlerinnen der Arbeitsgruppe „Arzneimittelanwendungsforschung“, Zentrum für Sozialpolitik, Bremen.

Unter den Abführmitteln befinden sich Arzneimittel und Medizinprodukte. Die drei verschreibungspflichtigen Medikamente dürfen ohne Weiteres unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots für die Indikationen, für die sie zugelassen sind, zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden (s. Tabelle).

Methylnatrelxoniumbromid (Relistor®) wird im Rahmen der Palliativbehandlung bei einer durch die Opioidtherapie hervorgerufenen Obstipation verabreicht, wenn die üblichen peroralen Laxanzien nicht ausreichen oder nicht verabreicht werden können.

Linaclotid(Constella®) ist zur symptomatischen Behandlung des mittelschweren bis schweren Reizdarmsyndroms mit Obstipation bei Erwachsenen zugelassen.

Mit Prucaloprid (Resolor®) sollen Frauen behandelt werden, die unter chronischer Verstopfung leiden und auf andere Laxanzien nicht ausreichend ansprechen.

Auf altersgerechte Verordnung achten

Wenn Abführmittel als nicht verschreibungspflichtige, apothekenpflichtige Arzneimittel zugelassen sind, dann dürfen sie für Kinder unter zwölf Jahren beziehungsweise Jugendliche unter 18 Jahren mit Entwicklungsstörungen verordnet werden. Es muss natürlich berücksichtigt werden, ab welchem Alter die entsprechenden Mittel laut Fachinformation angewendet werden dürfen. So dürfen zum Beispiel Bisacodyl und Movicol® Junior bei Kindern schon ab zwei Jahren angewendet werden, während Natriumpicosulfat ab vier Jahren und andere Macrogol-Präparate erst ab zwölf Jahren zugelassen sind. Welcher Wirkstoff oder welche Darreichungsform verordnet wird, entscheidet sich individuell je nach Patient unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes. Nicht apothekenpflichtige Arzneimittel wie Abführ-Kapseln SN® oder Flohsamen indisch Aurica® dürfen nicht zulasten der Krankenkassen rezeptiert werden.

Für erwachsene Versicherte besteht auch die Möglichkeit, bei bestimmten Krankheitsbildern oder Therapien Abführmittel verordnet zu bekommen. Die Regelung dazu findet man in den Arzneimittelrichtlinien, Anlage I, Punkt 1. Danach dürfen Abführmittel für Erwachsene unter folgenden Voraussetzungen zulasten der GKV verordnet werden:

  • zur Behandlung von Erkrankungen im Zusammenhang mit Tumorleiden, Megacolon, Divertikulose, Divertikulitis, Mucoviszidose, neurogener Darmlähmung,
  • vor diagnostischen Eingriffen (wie vor einer Darmspiegelung),
  • bei phosphatbindender Medikation bei chronischer Niereninsuffizienz (wie Antiphosphat®, Calciumacetat Nephro®, Dreisarcarb®, Fosforenol®, Renacet®, Renagel®),
  • bei Opiat- sowie Opioid-Therapie und in der Terminalphase.

Wenn diese Vorgaben zutreffen, kann jeder Fach- und Hausarzt entsprechend Laxanzien verordnen. Dabei ist es nicht notwendig, die Diagnose auf dem entsprechenden Rezept zu vermerken. In der Apotheke besteht auch keinerlei Prüfpflicht, ob die oben genannten Indikationen zutreffen oder nicht. Beim Vorlegen eines Rezeptes darf das verordnete Mittel unter Berücksichtigung eventueller Rabattverträge abgegeben werden. Wenn keine Rabattverträge bestehen und eine Wirkstoffverordnung vorliegt, muss selbstverständlich der Wirtschaftlichkeit Rechnung getragen werden. Wenn beispielsweise Lactulose 500 ml verordnet ist, und die entsprechende Krankenkasse keine Rabattvereinbarungen abgeschlossen hat (wie die AOK Bayern), darf nur eines der drei günstigsten Präparate auf dem Markt abgegeben werden. In diesem Fall kann frei zwischen Lactulose 1A®, AbZ® und AL® ausgewählt werden. Bei einer namentlichen Verordnung kann auch das namentlich verordnete Medikament abgegeben werden. Ist die gleiche Verordnung zulasten der Techniker Krankenkasse ausgestellt worden, muss eines der drei Rabattpräparate abgegeben werden: Lactulose 1A®, Bifiteral® oder Lactulose Stada® (Stand: 31.07.13). Der Verkaufspreis muss hierbei nicht berücksichtigt werden.

Antwort kurz gefasst

  • Verschreibungspflichtige Laxanzien können ohne Einschränkung verordnet werden.

  • Als nicht verschreibungspflichtige, apothekenpflichtige Arzneimittel zugelassene Abführmittel, dürfen für Kinder unter zwölf Jahren verordnet werden*.
  • Ab zwölf Jahren regelt die Arzneimittelrichtlinie, Anlage I, Punkt 1 die Verodnungsfähigkeit, es bestaht allerdings keine Prüfpflicht für die Apotheke.
  • Rabattverträge sind ggf. zu beachten.
  • Ob als Medizinprodukt zugelassene Abführmittel verordnungsfähig sind, zeigt die Anlage V der Arzneimittelrichtlinien. Das muss in der Apotheke überprüft werden.
  • Medizinprodukte müssen nach Stückzahl verordnet sein, da sie keine N-Größen haben.
  • Rezepturen aus Macrogol-Pulver mit oder ohne Zusatz von Elektrolyten dürfen nur für Kinder unter zwölf Jahren* zulasten der GKV verordnet werden.

*beziehungsweise Jugendliche unter 18 Jahren mit Entwicklungsstörungen

Wirkstoffauswahl nach Leitlinie

Die Auswahl des Wirkstoffes sollte sich vor allem nach den aktuellen Leitlinien zur Therapie der chronischen Obstipation richten, wobei Patienten- und Krankheits-individuelle Faktoren berücksichtigt werden müssen.

Medizinprodukt oder Arzneimittel

Einige Abführmittel tragen eine Zulassung als Medizinprodukte. Ob diese verordnungsfähig sind, kann in der Anlage V der Arzneimittelrichtlinien aktuell überprüft werden. Die Aufnahme eines Präparats in diese Anlage erfolgt namentlich und befristet unter Angabe der Frist und der Verordnungsbedingungen.

So ist beispielweise Klysma Salinisch zur raschen und nachhaltigen Entleerung des Enddarms vor Operationen und diagnostischen Eingriffen verordnungsfähig, während Macrogol Dura® für Patienten ab dem vollendeten 12. Lebensjahr zur Behandlung der Obstipation in Zusammenhang mit Tumorleiden, Megacolon, Divertikulose, Divertikulitis, Mukoviszidose, neurogener Darmlähmung, bei phosphatbindender Medikation bei chronischer Niereninsuffizienz, Opiat- sowie Opioidtherapie und in der Terminalphase verordnet werden darf. Weiterhin sieht die Angabe eine Verordnung für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen im Alter von zwölf Jahren bis zum vollendeten 18. Lebensjahr zur Behandlung der Obstipation vor.

Momentan sind 20 Abführmittel in der Anlage V gelistet (Stand: 16.07.13). Bei fünf davon, Dr.Deppe Endostar®, Globance Lavage®, Globance Lavage Apfel®, Macrogol Al® und Stada® ist die Befristung 2012 abgelaufen. Die ersten vier Präparate sind nicht mehr im Handel, Stada vertreibt mittlerweile Macrogol als Arzneimittel.

Sonderfall Macrogol

Macrogol stellt einen besonderen Fall dar. Diesen Wirkstoff findet man sowohl als Medizinprodukt (Macrogol Dura®, Macrogol Tad®, Laxatan® M, Movicol® Beutel) als auch als Arzneimittel (Marogol 1A®, Macrogol AbZ®, Macrogol Ct Balance®, Macrogol Teva®, Macrogol Ratiopharm®, Movicol® aromafrei) wieder.

Eine weitere Besonderheit ist die Verschreibungspflicht für Movicol® Junior aromafrei und Movicol® V, die mit der Zusatzzulassung bei Koprostase und Kotstau zusammenhängt.

Wenn Abführmittel verordnet werden, die als Medizinprodukte im Handel sind, besteht für die Apotheke durchaus eine Prüfpflicht. So muss überprüft werden, ob das verordnete Mittel in der Anlage V namentlich gelistet, und die angegebene Frist nicht abgelaufen ist. Eine Überprüfung der Indikation ist in den Lieferverträgen zwar nicht direkt vorgesehen. Sofern Altersvorgaben bestehen, ist es jedoch ratsam, Rücksprache mit dem Arzt zu halten, wenn diese nicht erfüllt sind. So eine Situation würde entstehen, wennzum Beispiel Macrogol Dura® für ein Kind unter zwölf Jahren verordnet wurde. Bei Klysma Salinisch müsste aber nicht überprüft werden, ob tatsächlich eine Operation oder ein diagnostischer Eingriff bevorsteht.

Auch eine Genehmigung der Krankenkasse oder ein Kostenvoranschlag sind bei einer Verordnung der gelisteten Medizinprodukte weder nötig, noch gesetzlich vorgesehen. Medizinprodukte tragen keine Normgrößen, diese sind für Arzneimittel vorbestimmt, so dass zum Beispiel bei Movicol® Beutel je nach Stückzahlverordnung ohne Weiteres eine Packung mit 10, 20, 50 oder 100 Stück abgegeben werden kann.

Aufgepasst bei Rezepturen

Trotz der breiten Palette an verfügbaren Präparaten werden immer noch häufig individuelle abführende Rezepturen verordnet, die meistens aus Macrogol-Pulver mit oder ohne Zusatz von Elektrolyten wie Natriumchlorid, Natriumhydrogencarbonat und Kaliumchlorid bestehen. Solche Zubereitungen dürfen nur für Kinder unter zwölf Jahren beziehungsweise Kinder unter 18 Jahren mit Entwicklungsstörungen zulasten der GKV verordnet werden. Wenn die Verordnung für eine erwachsene Person ausgestellt ist, kann sie nicht zulasten der Krankenkasse abgerechnet werden. In solchen Fällen sollte der Arzt über die mögliche Verordnung von Fertigarzneimitteln mit den gleichen Inhaltsstoffen informiert werden.

Wie können Sie Ihrer Kundin Frau M. helfen? Sie sollten auf jeden Fall Rücksprache mit dem verordnenden Arzt halten, und diese über die rechtlichen Vorgaben zur Verordnung von Abführmitteln zulasten der GKV informieren und beraten. Im Fall der Frau M. treffen die Bedingungen der Anlage I zu, sie bekommt das Opioidanalgetikum Oxycodon. So steht einer Verordnung von Laxoberal-Tropfen auf Kassenrezept nichts im Wege. 



Literatur:

Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung, verfügbar unter: www.g-ba.de/downloads/62-492-738/AM-RL_2013-06-20_2013-07-16.pdf [Letzter Zugriff: 31.07.13]

Anlage I: Zugelassene Ausnahmen zum gesetzlichen Verordnungsausschluss nach § 34 Abs. 1 SGB V (OTC-Übersicht), verfügbar unter: www.g-ba.de/downloads/83-691-323/AM-RL-I-OTC-2013-06-05.pdf [Letzter Zugriff: 31.07.13]

Anlage V: Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte, verfügbar unter: www.g-ba.de/downloads/83-691-331/AM-RL-V_2013-07-16.pdf [Letzter Zugriff: 31.07.13]

www.fachinfo.de [Letzter Zugriff: 31.07.13]

Autorinnen

Heike Peters, Stanislava Dicheva, Anna Hinrichs, Insa Heyde, Daniela Böschen,
Apothekerinnen und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen in der Arbeitsgruppe „Arzneimittelanwendungsforschung“, Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen

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