Arzneimittel und Therapie

Bei Darmtumoren beeinflusst der BRAF-Mutationsstatus die Wirksamkeit

Die Wirksamkeit von Acetylsalicylsäure zur Primärprävention kolorektaler Tumore wird wahrscheinlich von einer Genmutation beeinflusst. So das Ergebnis einer retrospektiven Auswertung zweier großer Studien.

Seit geraumer Zeit wird die Wirksamkeit von Acetylsalicylsäure (ASS) zur Primärprophylaxe kolorektaler Tumore diskutiert. Einige Studien sehen einen protektiven Effekt in der langfristigen ASS-Einnahme, andere nicht. Wie die protektive Wirkung von ASS zustande kommt, ist nicht vollständig geklärt. ASS hemmt die Cyclooxygenase 2, die wiederum in Signalwege von Wachstumsfaktoren eingebunden ist. So beeinträchtigt ASS möglicherweise durch die Hemmung der Cyclooxygenase auch das Wachstum von Tumorzellen. Wird die Cyclooxygenase nur unzureichend gehemmt, werden die Wachstumssignale in geringerem Ausmaß unterdrückt, die präventive Wirkung von ASS bleibt aus. Ob ASS nun protektiv wirkt oder nicht, hängt möglicherweise vom Mutationsstatus des BRAF-Gens ab (s. Kasten). Durch eine Mutation an BRAF kann Acetylsalicylsäure die Cyclooxygenase 2 nicht mehr in vollem Ausmaß hemmen, und die Wachstumssignale werden weitergeleitet. Ob die protektive Wirkung von ASS tatsächlich vom BRAF-Status abhängt, wurde anhand der Daten zweier großer Studien untersucht.


BRAF-Mutationen


Das BRAF-Protein ist ein wichtiger Bestandteil des RAS-MAPKinase-Signaltransduktionswegs, der am normalen Wachstum und Überleben der Zellen beteiligt ist und unter anderem Zellproliferation und Apoptose steuert. BRAF hat in diesem Signaltransduktionsweg die Funktion eines regulierenden Schalters. Bestimmte Mutationen des BRAF-Gens führen zu einer konstitutiven Aktivierung des BRAF-Proteins, der Schalter befindet sich im permanenten "An-Zustand", was zu einer unkontrollierten Zellproliferation führen kann.

Verschiedene solide Tumore wie etwa kolorektale Karzinome (bei 10-15% aller kolorektalen Karzinome), Melanome, Schilddrüsenkarzinome und nicht kleinzellige Lungenkarzinome weisen eine derartige aktivierende Mutation von BRAF auf, die zu einer verstärkten Signalweiterleitung und letztlich zu einer unregulierten Zellproliferation führt.

Die Hemmung des mutierten BRAF wird bereits therapeutisch beim Melanom umgesetzt (Hemmung der mutierten BRAF-Kinase mit Vemurafenib).


Protektive Wirkung bei BRAF-Wildtyp

Aus den Daten der Nurses` Health Study und der Health Professionals Follow-up Study mit insgesamt 127.865 Teilnehmern (mit einem Follow-up von 3.165.985 Personenjahren) konnte der BRAF-Mutationsstatus von 1226 Patienten mit kolorektalen Tumoren festgestellt und in Beziehung zur Einnahme von ASS bzw. zur Einnahme eines Placebos gesetzt werden.

Im Vergleich zur Placebogruppe führte die Einnahme von ASS zu einer 27 %igen Reduktion des Risikos, an einem kolorektalen Karzinom mit BRAF-Wildtyp zu erkranken (HR 0,73; 95 % Konfidenzintervall 0,64 bis 0,83). Bei Probanden, die regelmäßig ASS einnahmen, aber eine BRAF-Mutation aufwiesen, konnte kein verringertes Risiko festgestellt werden (HR 1,03; 95 % Konfidenzintervall 0,76 bis 1,38).

Die protektive Wirkung der ASS-Einnahme war von der Einnahmedauer abhängig. Probanden, die ASS länger als 14 Wochen (berechnet auf ein Äquivalent von 325 mg ASS pro Woche) eingenommen hatten, erkrankten zu 57 % seltener (HR 0,43; 95 % Konfidenzintervall 0,25 bis 0,75) an einem kolorektalen Karzinom (BRAF-Wildtyp). Bei Probanden, bei denen ein kolorektales Karzinom mit BRAF-Mutation vorlag, führte auch die längere Einnahme von ASS zu keinem verringerten Risiko (HR 1,20; 95 % Konfidenzintervall 0,54-2,64).


Risikofaktoren für kolorektale Karzinome


  • Fettleibigkeit
  • Alter (> 50 Jahre)
  • positive Familienanamnese (Polypen oder kolorektale Karzinome)
  • Diabetes
  • ethnische Merkmale (schwarze Hautfarbe)
  • körperliche Inaktivität
  • Rauchen

Fazit der Autoren

Die regelmäßige Einnahme von ASS führte bei Probanden, bei denen keine BRAF-Mutation vorlag, zu einem geringeren Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken (im Vergleich zur Placebogruppe). Bei Probanden mit BRAF-Mutation konnte keine Risikoreduktion festgestellt werden. Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass BRAF-mutierte Tumorzellen weniger sensitiv auf die Wirkungen von ASS reagieren. Somit ist ein Biomarker bekannt, mit dessen Hilfe der Benefit einer Prävention mit ASS vorhersagbar ist. Um klinische Konsequenzen aus diesem Ergebnis zu ziehen, seien aber noch weitere Untersuchungen erforderlich, so das Fazit der Autoren.


Quelle

Nishihara R et al. Aspirin use and risk of colorectal cancer according to BRAF mutation status. JAMA (2013) 309, 2563 – 2571.

Pasche B. Differential effects of Aspirin before and after diagnose of colorectal cancer. JAMA (2013) 309, 2598 – 2599.


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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