Feuilleton

"Das ischt aber e nobli Frau vu Basel …"

Sie lernten sich 1903 kennen: Er, Hermann Hesse, 26 Jahre alt, arbeitete als Buchhändler in einem Basler Antiquariat; sie, Maria Bernoulli, genannt Mia, fast zehn Jahre älter als Hermann, betrieb in Basel mit ihrer Schwester ein eigenes Atelier für Porträtfotografie mit innovativen Fotografiertechniken. Die beiden Frauen gelten als die ersten Berufsfotografinnen der Schweiz.
Hermann-Hesse-Haus in Gaienhofen.
Foto: DAZ/diz

Mia bewunderte Hermanns Fähigkeit zu schreiben. Sie verliebte sich mit großer Leidenschaft in den spröden Junggesellen. Und schon im August 1904 war die Hochzeit – ohne Einwilligung der Eltern. Das junge Paar begeisterte sich für den damaligen Trend junger Leute: raus aus der Stadt und dem Überfluss, hinaus aufs Land. Während Hermann eher hin ins Schwäbische tendierte und sich schon mal nach Calw zurückzog, bevorzugte Mia die Nähe zur Schweiz. Sie konnte ihn von der Schönheit der Bodenseelandschaft überzeugen. Nach langer Suche mietete sie in dem stillen Örtchen Gaienhofen am Bodensee eine bescheidene Wohnung. Ein Jahr nach dem Umzug wurde der erste Sohn Bruno geboren.

Mia Hesse-Bernoulli , um 1903. Foto: Atelier Mia Hesse

In den ersten Jahren in Gaienhofen war das junge Paar glücklich. Von den eingesessenen Gaienhofenern wurden Mia und Hermann allerdings kritisch beäugt: Sie, die noble Frau aus Basel, mit ihrem Fotoapparat, mit dem sie Leute bei der Arbeit fotografiert, er, der Schreiberling, der im weißen Anzug Gartenarbeit macht.

Als sich ihre finanzielle Lage verbessert hatte, bauten sie 1907, etwas außerhalb des eigentlichen Dorfes auf einer Anhöhe, ein stattliches Haus. Sie empfingen dort viele Künstler. Doch schon 1912 verkauften sie es. Sie sehnten sich zurück ins städtische Leben, in die Schweiz. Die Ehe hielt danach nicht mehr allzu lange. 1923, nach psychischen Krisen von Mia und Hermann, ließen sie sich scheiden.

Das Hermann-Hesse-Haus steht noch heute. Es befindet sich, hübsch restauriert, in Privatbesitz von Eva Eberwein-Schnell und Bernd Eberwein, dem ehemaligen Geschäftsführer des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH). Als Bewohnerin des Hermann-Hesse-Hauses hat sich Eva Eberwein der Geschichte der Hesses gewidmet, vor allem aber dem Leben von Mia Hesse. Dank ihres Engagements und dem des "Fördervereins Hermann-Hesse-Haus und -Garten" ist es möglich, das Haus nach Voranmeldung im Rahmen von Führungen zu besichtigen.

Eva Eberwein Foto: DAZ/diz

In diesem Jahr, aus Anlass des 145. Geburtstages von Mia Hesse, steht eine Sonderführung auf dem Programm: ein inszenierter Gang durch Gaienhofen auf den Spuren von Mia Hesse. Eine Bauernmagd, gespielt von Ilona Schönle, lässt auf dem Rundgang durchs alte Dorf in Anekdoten und Erzählungen die Zeit lebendig werden, in der Mia nach Gaienhofen gekommen ist. Die erlebenswerte Führung, die sich auf Briefquellen und mündliche Überlieferungen stützt, verwebt die Geschichte von Mia und dem Dorf mit fiktiven Momenten.


Die Führung findet in diesem Jahr noch dreimal statt: am 17. August, 21. September und 12. Oktober, jeweils um 15 Uhr. Teilnahme nur nach Voranmeldung. Weitere Infos dazu unter www.hermann-hesse-haus.de oder
(0 77 35) 44 06 53.


diz


Ilona Schönle spielt eine Bauernmagd in Gaienhofen. Foto: DAZ/diz

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