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Arzneimittel und Therapie
Phosphatgepufferte Augentropfen können die Hornhaut schädigen
Phosphatpuffer werden in zahlreichen Ophthalmika zur Einstellung des physiologischen pH-Wertes verwendet. Allein in Deutschland gibt es derzeit 213 verkehrsfähige phosphatgepufferte Augentropfen und Augengele, darunter 205 Augentropfen und acht Augengele. Hierzu zählen in erster Linie antihypertensive Antiglaukomatosa mit Wirkstoffen wie Timolol (und andere Betablocker) bzw. Prostaglandinanaloga (Latanoprost, Bimatoprost und Tafluprost). Da Puffersysteme allgemein als Hilfsstoffe deklariert sind, müssen diese nur nach Art, jedoch nicht nach enthaltender Menge in den entsprechenden Fach- und Gebrauchsinformationen erfasst werden. Dabei differiert der eingesetzte Gehalt unter den zugelassenen Präparaten mitunter erheblich (2,79 bis 153,49 mmol/l) und übersteigt die physiologische Phosphatkonzentration der Tränenflüssigkeit (1,45 mmol/l) um ein Vielfaches. Beim Vorhandensein von Phosphat in ophthalmologischen Lokaltherapeutika sollte daher prinzipiell das Risiko für Hornhautcalcifizierungen bedacht werden. Phosphathaltige Augentropfen umfassen nicht nur wirkstoffhaltige Präparate, die der Verschreibungspflicht unterliegen. Auch künstliche Tränenersatzmittel sind als Medizinprodukte frei erhältlich und daher in regelmäßigem und vielfältigem Gebrauch.
Irreversible Ablagerung von Kalkplatten auf der Hornhaut
Obwohl bisher keine ernsthaften unerwünschten Reaktionen auftraten, zeigten 2008 zwei Einzelfallberichte des BfArM, dass nach häufiger Anwendung phosphathaltiger Augentropfen eine irreversible Ausfällung von Calciumphosphat in der Hornhaut (Cornea) sowie der Bindehaut beobachtet wurde. Die Ein- bzw. Ablagerung schwer löslicher Phosphate führt zu einer massiv erhöhten Blendempfindlichkeit und beeinträchtigt insbesondere das nächtliche Sehvermögen. Oftmals ist eine chirurgische Keratoplastik (Hornhauttransplantation) notwendig, um die geschädigte Hornhaut wiederherzustellen.
Das BfArM startete nach Bekanntwerden der Ereignisse eine umfangreiche Literaturrecherche und diskutierte die Thematik anschließend auf europäischer Ebene. Bereits präklinische Daten am Tiermodell beschrieben mögliche Calcifizierungen nach Anwendung phosphathaltiger Lösungen an alkaliverätzten Kaninchenaugen [1]. Die Datenbank unerwünschter Arzneimittelwirkungen des BfArM listet insgesamt acht Berichte zu Ausfällungen schwerlöslicher Calciumphosphate, die mit einer längerfristigen Anwendung phosphatgepufferter Ophthalmika assoziiert sind. In allen gelisteten Fällen besaßen die Patienten bereits ausgeprägte Hornhautschädigungen bzw. -störungen, wie Hornhautulkus, Blepharitis bzw. Keratektomie. Auch die Arbeitsgruppe des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA initiierte eine EU-weite Befragung von Herstellern relevanter Ophthalmika und ermittelte insgesamt 117 Berichte zu Hornhautcalcifizierungen [2].
Die Pathogenese einer irreversiblen Ausfällung von schwerlöslichem Calciumphosphat ist bisher nicht genau geklärt. Es wird ein multifaktorielles Geschehen angenommen. Neben prädisponierenden Schädigungen der Cornea wird auch eine kritische Phosphatschwelle diskutiert, welche erst oberhalb der Phosphatkonzentration der Tränenflüssigkeit derartige Calcifizierungen fördert und von Applikationsfrequenz bzw. -dauer ophthalmologischer Präparate abhängt. Auf Grundlage der bisher verfügbaren Daten betont das BfArM jedoch, dass Calciumphosphate in bereits geschädigter Hornhaut auch unter physiologischen Bedingungen entstehen könnten, allerdings mit deutlich geringerer Wahrscheinlichkeit.
Eine Calcifizierung intakter Hornhaut durch phosphatgepufferte Augenarzneien sei bisher nicht zu erwarten, sodass im Rahmen einer europäischen Nutzen-Risiko-Bewertung phosphat-haltige Ophthalmika nach wie vor positiv bewertet wurden. Die EMA hält einen Verzicht dieser Puffersysteme daher für nicht erforderlich, da die beobachteten Calcifizierungen insgesamt sehr selten auftraten. Gleichwohl ist ein EU-weit harmonisierter Hinweis in den Produktinformationen entsprechender Augentropfen in Planung und soll über das mögliche Risiko von Hornhautcalcifizierungen bei prädisponierten Patienten aufklären.
BeratungstippDas Risiko für Hornhautcalcifizierungen betrifft neben den phosphatgepufferten Ophthalmika auch solche Präparate, die Phosphat als Bestandteil des Wirkstoffes enthalten (z. B. Betamethasonphosphat) [3]. Patienten mit massiven Hornhautschädigungen sollten dementsprechend phosphatfreie Alternativpräparate (z. B. Citratpuffer) wählen und gegebenenfalls die Medikation unter Absprache mit dem behandelnden Arzt anpassen. |
Apotheker André Said
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