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Arzneimittel und Therapie
Die Kehrseite der modernen Antidiabetika?
Schon 2009 gab es erste Verdachtsmomente gegen Sitagliptin. Damals waren der FDA 88 Pankreatitis-Fälle gemeldet worden. Der Hersteller reagierte sofort und wies darauf hin, dass im Rahmen der klinischen Studien an über 6000 Patienten keine Häufung zu erkennen gewesen sei. Seitdem wird immer wieder über ein mögliches Pankreasrisiko diskutiert. Eine Studie von Butler et al. untermauerte 2010 die Annahme der Pankreastoxizität. Auch im Tierversuch konnten Entzündungen des Pankreas festgestellt werden. Besonders problematisch ist dabei, dass stumme Entzündungsreaktionen des Pankreas zu Neoplasien mit schlechter Prognose führen könnten. Es wird befürchtet, dass die gemeldeten Fälle nur die Spitze eines Eisberges von zahlreichen subklinischen Pankreatiden sein könnten. Da anhand von über 780.000 Patientendaten aus Studien zur Sicherheit zwischenzeitlich aber keine erhöhte Inzidenz für Entzündungen des Pankreas festgestellt werden konnte, wurden Inkretinmimetika wegen ihrer sonstigen Vorzüge eher sogar vermehrt eingesetzt.
Risikobewertung durch FDA und EMA
Aufgrund weiterer gemeldeter Fälle, die zeitlich in Zusammenhang mit der Einnahme von GLP-1-Analoga und DPP-4-Hemmern stehen, und eines JAMA-Artikels von Singh et al., der zu dem Ergebnis kommt, dass unter Exenatid- und Sitagliptin-Therapie ein doppelt so hohes Risiko besteht, wegen einer akuten Pankreatitis hospitalisiert zu werden, hat die amerikanische Aufsichtsbehörde (FDA) nun erneut eine Risiko-überprüfung veranlasst und trägt alle Informationen zur Risikobewertung zusammen. Wissenschaftler werden aufgerufen, einen möglichen Mechanismus zu identifizieren. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) wird ebenfalls Untersuchungen anstellen. Auch die American Diabetes Association (ADA) hat die Hersteller aufgerufen, alle Studiendaten offenzulegen und an einer Aufklärung mitzuarbeiten.
Die Hersteller Merck (Januvia®) und BMS/AstraZeneca (Byetta®) vertrauen weiterhin der Sicherheit ihrer Medikamente und haben sich dahingehend geäußert.
Betroffene Arzneimittel
In Deutschland derzeit nicht erhältlich sind Linagliptin (Tradjenta®) und Alogliptin (Nesina®, Kasano®, Oseni®). |
Therapien nicht absetzen
Das Thema hat inzwischen auch die Laienpresse erreicht, so dass mit Nachfragen zu rechnen ist. Die Empfehlung an Patienten in der Apotheke sollte derzeit dahin gehen, die bestehende Therapie unbedingt beizubehalten, da eine Änderung der Therapie in jedem Fall das größere Risiko birgt. Es gibt zwar Verdachtsmomente, aber im Gegensatz dazu auch große Studien, bei denen keine Entzündungen festgestellt werden konnten. Eine generelle Umstellung ist nach aktueller Datenlage nicht nötig. Auf mögliche Anzeichen einer Pankreatitis kann und soll aber geachtet werden. Dazu gehören besonders
- Übelkeit,
- Erbrechen,
- Oberbauchschmerzen und
- auffällige Verdauungsprobleme mit fettigem Stuhlgang.
In solchen Fällen sollten unbedingt der Apotheker und behandelnde Arzt kontaktiert werden und eine Abklärung erfolgen. Zudem soll eine Meldung an die Behörden (BfArM) veranlasst werden. Die entsprechenden Formulare sind auf der Internetseite des BfArM (www.bfarm.de –> Pharmakovigilanz –> Formulare) zu finden. Es ist zu erwarten, dass durch weitere klinische Forschung und die Auswertung weiterer Anwenderdaten in der nächsten Zeit ein abschließendes Urteil gefällt werden kann, ob die Verstärkung der Inkretinwirkung mit Risiken für die Bauchspeicheldrüse behaftet ist.
Da die Glitazone in der Diabetestherapie kaum noch eine Rolle spielen, bleibt zu hoffen, dass die Sicherheitsprüfung nun zugunsten der Inkretinmimetika ausfällt und nicht eine weitere wichtige Stoffklasse in der Therapie des Diabetes verloren geht.
QuelleUS Food and Drug Administration, US Department of Health & Human Services (2009) Sitagliptin - acute pancreatitis. www.fda.gov/Safety/MedWatch/SafetyInformation/SafetyAlertsforHumanMedicalProducts/ucm183800.htm, 13. Juni 2013.
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