DAZ aktuell

Bedenken zu Rx-Boni-Verbot

Anwalt erwartet viele neue Rechtsstreite – Verbot im Heilmittelwerbegesetz europarechtskonform?

BERLIN (ks). Der Gesetzgeber will einen Schlussstrich unter die Streitigkeiten um rezeptbezogene Boni ziehen. Dazu will er § 7 Heilmittelwerbegesetz, der sich mit der (Un-)Zulässigkeit bestimmter Werbegaben befasst, ändern. Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas, der schon eine Vielzahl von Boni-Prozessen geführt hat, meint allerdings, es handele sich bei der geplanten Gesetzesänderung um einen "Schnellschuss", der möglicherweise mehr Probleme schaffe als löse. Beim Kongress des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken am 14. Juni in Berlin erklärte er, wo er die neuen Fallstricke sieht.

Die im September 2010 ergangenen Urteile des Bundesgerichtshofs zu Rezeptboni hatten die Apothekerkammern der Republik in Bewegung versetzt: Die Karlsruher Richter hatten zwar erklärt, dass Rx-Boni, die unterhalb einer sogenannten "Geringwertigkeitsschwelle" liegen, wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden seien. Aber sie stellten auch klar: Ein Verstoß gegen die gesetzliche Preisbindung ist durch die Kopplung des geldwerten Bonus an die Rezepteinlösung gegeben. Kammern und Aufsichtsbehörden blieb es damit unbenommen, berufs- bzw. verwaltungsrechtlich gegen Apotheken vorzugehen, die rezeptbezogene Gutscheine oder Boni bewerben und gewähren. Es liegen mittlerweile eine Reihe von Entscheidungen vor. Den Anfang machte Niedersachsen – denn hier ist die Apothekerkammer zugleich Aufsichtsbehörde. Das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg nahm an, dass die Geringwertigkeitsschwelle auch im Verwaltungsrecht zu berücksichtigen sei. Eine entsprechende Entscheidung folgte auch vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen. In den berufsgerichtlichen Verfahren lief es strenger. Ein Umstand, den Douglas nicht zuletzt darauf zurückführt, dass die Berufsgerichte auch mit Apothekern besetzt sind, die die Berufsrichter überstimmen können. In der Regel sprachen diese Gerichte eine berufsrechtliche Maßnahme aus. Aber nicht immer wurde sie mit einer Geldbuße verbunden – und wenn ja, fiel diese recht unterschiedlich hoch aus.

Douglas sieht das Vorgehen der Kammern mit einer gewissen Skepsis. Zwar könnten sie hier zeigen, dass sie etwas tun, wenn Apotheker gegen Berufspflichten verstoßen. Doch der Anwalt glaubt, dass die Kammern auch noch in ganz anderen Fällen aktiv werden könnten – doch so manches zwielichtige Gebaren von Kollegen werde lieber nicht weiter verfolgt.

Auch künftig sieht Douglas noch einige Arbeit auf die Juristen zukommen. Mit dem neuen Verbot in § 7 Abs. HWG, seien die beklagten Wertungswidersprüche nach wie vor nicht aufgelöst. Es werde die Frage neu gestellt werden müssen, wie es um andere Zuwendungen bestellt ist – könnte das Verbot auch greifen, wenn bei der Rezepteinlösung etwa Kundenzeitschriften oder eine Zahnbürste mitgegeben werden? Zudem erwartet der Anwalt, dass Apotheken neue Ideen ausprobieren werden. Vor allem aber meint er, dass der Gesetzgeber das Europarecht nicht ausreichend berücksichtigt habe. Der Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (Richtlinie 2001/83/EG), der eine Vollharmonisierung im Bereich der Heilmittelwerbung bezweckt, sei Grundlage für § 7 HWG. Doch die nun beabsichtigte Änderung finde in der Richtlinie keine Entsprechung. Eine Rechtfertigung hierfür kann der Anwalt in der Richtlinie ebenfalls nicht ausmachen. Douglas ist daher überzeugt, dass die neue Norm früher oder später den Europäischen Gerichtshof beschäftigen wird. Und bis dahin wird es wieder so manchen Rechtsstreit geben – "Gewinner" werden vor allem die Anwälte sein.

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