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- DAZ 16/2013
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Arzneimittel und Therapie
Begünstigt ein Mangel an Melatonin Typ-2-Diabetes?
In den letzten Jahren erschienen einige Artikel zum Einfluss von Melatonin auf den Glucosestoffwechsel. So hemmte in Zellversuchen Melatonin, das von der Epiphyse fast nur nachts ausgeschüttet wird, die Freisetzung von Insulin aus den Betazellen des Pankreas. Das Hormon schützte Ratten, die anfällig für Typ-2-Diabetes waren, vor Hyperlipidämie und Hyperglykämie. Mäuse mit Insulinresistenz profitierten ebenfalls von Melatonin. Die Resistenz verbesserte sich ebenso wie der Glucosemetabolismus. Studien zum menschlichen Genom zeigten einen Zusammenhang zwischen Mutationen des Gens, das für den Melatonin-Rezeptor auf den Betazellen kodiert, und Typ-2-Diabetes. Die höchste Inzidenz trat dabei auf, wenn der Rezeptor komplett funktionsunfähig war.
Epidemiologische Studie als Basis für Fall-Kontroll-Studie
In den USA führte man ab 1976 die Nurses’ Health Study durch, bei der tausende Krankenschwestern über Jahrzehnte Fragen zu Lebensgewohnheiten, Krankheiten und Medikamenten beantworteten sowie Blut- und Urinproben abgaben. Immer wieder wird dieser Datenpool zu erneuten Auswertungen herangezogen. So wurden im Jahr 2000 einigen Teilnehmerinnen der prospektiven Beobachtungsstudie Harn- und Blutproben abgenommen. Aus diesen Daten wählten die Autoren 370 Fälle aus, die im Zeitraum 2000 bis 2012 einen Typ-2-Diabetes entwickelt hatten. Sie untersuchten die Melatonin-Sekretion dieser Studienteilnehmerinnen vor Auftreten der Krankheit und verglichen sie mit der Sekretion von weiteren 370 Teilnehmerinnen, die keinen Typ-2-Diabetes entwickelt hatten (Kontrolle).
Der Hauptmetabolit des Melatonin im Urin, 6-Sulfatoxymelatonin, diente dabei als Messwert (normalisiert gegen Kreatinin) und als Rückschluss auf die Melatonin-Sekretion. Tatsächlich war in der Gruppe mit den späteren Diabetikerinnen (Fall-Gruppe) der Median des Melatonin-Metaboliten geringer als in der Kontroll-Gruppe. Die Autoren unterteilten Fälle und Kontrollen weiter in drei Kategorien mit geringer, mittlerer und hoher Melatonin-Sekretion. Die Frauen mit Melatonin-Mangel erkrankten 2,17-fach häufiger an einem Typ-2-Diabetes als Frauen mit einer hohen nächtlichen Hormonproduktion.
Ausschluss weiterer Faktoren
Im Vergleich zu der Kontroll-Gruppe hatten die Teilnehmerinnen der Fall-Gruppe unter anderem auch einen höheren BMI, waren weniger körperlich aktiv, nahmen mehr β-Blocker und waren eher familiär vorbelastet. Die Autoren rechneten daher anhand der Kontrollen die Begleitfaktoren heraus, die ebenfalls einen Einfluss haben könnten. Der Zusammenhang zwischen geringerer Melatonin-Sekretion und erhöhter Typ-2-Diabetes-Inzidenz blieb bestehen. In der Kategorie mit der höchsten Melatonin-Sekretion betrug die Inzidenz 4,27 Fälle/1000 Personenjahre, in der Kategorie mit der geringsten Sekretion dagegen 9,27 Fälle/1000 Personenjahre.
Beweis der Kausalität steht noch aus
Sollte man Personen mit einem Risiko für Typ-2-Diabetes nun zur Einnahme von Melatonin raten? Die bisherigen Studien lassen zwar vermuten, dass ein niedriger Melatonin-Spiegel die Inzidenz des Typ-2-Diabetes begünstigt, eventuell über eine erhöhte Insulinresistenz. Bewiesen ist diese Kausalkette jedoch noch nicht. Hierzu sind weitere Studien notwendig, die durch aktiv gesteigerte Melatonin-Sekretion oder Supplementierung einen direkten Einfluss auf Insulinsensitivität und Typ-2-Diabetes-Inzidenz zeigen können. Bis dahin ist es sicher nicht verkehrt, die Melatonin-Produktion durch ausreichend Schlaf anzuregen.
QuelleMcMullan JC et al., Melatonin Secretion and the Incidence of Type 2 Diabetes. JAMA 2013; 309(13): 1388 – 1396.
Apothekerin Dr. Corinna Schraut
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