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Aus den Ländern
Alzheimer, Parkinson und MS
Zur Eröffnung des Kongresses erklärte Kammerpräsident Gerd Ehmen: "Wir können und wir wollen mehr Verantwortung in der Patientenversorgung übernehmen für eine gesicherte Gesundheitsversorgung der Bevölkerung." Außerdem forderte Ehmen eine Vergütungssystematik, die die differenzierte Situation in Stadt und Land berücksichtigt und den finanziellen Spielraum für ein erweitertes Dienstleistungsspektrum eröffnet (siehe Bericht in DAZ.online vom 15. April).
Prof. Dr. Walter Raasch, Lübeck, hatte als Fortbildungsbeauftragter wieder für ein hervorragendes Programm mit hochkarätigen Referenten gesorgt und führte als Moderator selbst durch die Veranstaltung. Er verwies auf die große Zahl der Patienten, die von neurodegenerativen Erkrankungen betroffen sind. An der Spitze steht Morbus Alzheimer mit etwa 1,2 Millionen Patienten in Deutschland. Durch prominente Betroffene, die offen mit ihrer Krankheit umgehen, haben die Alzheimer- und die Parkinson-Erkrankung in der Öffentlichkeit ein Gesicht bekommen.
Volkskrankheit Alzheimer
Am Samstag ging es um die Alzheimer-Erkrankung, die häufigste Demenzerkrankung, die etwa zwei Drittel aller Demenzpatienten betrifft. Prof. Dr. Stefan Teipel, Rostock, erklärte, dass Biomarker und bildgebende Verfahren Wahrscheinlichkeitsaussagen über den späteren Ausbruch der Erkrankung ermöglichen, doch würden viele Personen nicht erkranken, obwohl solche Marker positiv seien. Daher sprach sich Teipel entschieden gegen den Einsatz dieser teilweise auch kommerziell angebotenen Marker außerhalb der Forschung aus. Viele Menschen mit Krankheitszeichen könnten den klinischen Ausbruch lebenslang kompensieren. Risikofaktoren für die Konversion zu einer relevanten Erkrankung seien geringe Ausbildung in der Jugend, fehlende geistige Anregung, geringe soziale Teilhabe, hoher Blutdruck und möglicherweise weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren.
Prof. Dr. Jochen Klein, Frankfurt, stellte die Therapieansätze dar, die von der unterstellten Ursache der Erkrankung abhängen. Die cholinerge Hypothese sei "noch nicht ganz widerlegt". Immerhin können Hemmstoffe der Acetylcholinesterase den Verlauf der Erkrankung für etwa sechs bis höchstens 12 Monate stabilisieren. Etwa 20 Jahre lang galten Amyloid-Peptide als wesentliche Ursache und wurden daher vorrangig erforscht, doch sei die Zeit von 2002 bis 2012 als "verlorene Dekade" zu betrachten. Denn die Amyloid-Plaques hätten sich letztlich nicht als entscheidend erwiesen, und die amyloid-gerichteten Therapien seien erfolglos. Dagegen sei die Hirnatrophie entscheidend für den Nervenzelltod und bildet nach Einschätzung von Klein einen klaren Endpunkt. Als Ansatzpunkt künftiger Forschungen sieht er besonders das tau-Protein.
Dr. David Prvulovic, Frankfurt, präsentierte Ergebnisse, nach denen sowohl körperliche als auch geistige Aktivität vor dem Ausbruch einer Demenz schützen. In einer Studie sei für Personen über 65 Jahre mit wöchentlich mindestens drei Trainingseinheiten ein um 32 Prozent geringeres Alzheimer-Risiko als für inaktive Personen ermittelt worden. Prvulovic empfahl mehrmals wöchentlich körperliche Aktivität mittlerer Intensität und die Bewältigung komplexer Aufgaben, allerdings dürften Personen mit beginnender Demenz geistig nicht überfordert werden.
Heike von Lützau-Hohlbein, München, Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, warb in einem engagierten Vortrag für einen angemessenen Umgang mit Demenzkranken. Angehörige und Kranke sollten täglich Dinge gemeinsam erleben und Spaß am Leben im Augenblick haben. Auch bei schweren kognitiven Defiziten hätten die Kranken weiterhin das Bedürfnis nach körperlicher Berührung und ehrlicher emotionaler Zuwendung. Besonders schlimm sei, wenn Demenzkranke im Krankenhaus als störend empfunden werden.
Alzheimer GesellschaftAngehörige von Alzheimer-Patienten und Betroffene erhalten kompetente Beratung beim Info-Telefon der Deutschen Alzheimer Gesellschaft unter 0 18 03-17 10 17 (9 Cent pro Minute aus dem deutschen Festnetz). |
Gehirn und Musik
Das Programm am Sonntag eröffnete der Konzertflötist und Neurologe Prof. Dr. Eckart Altenmüller, Hannover, mit einer beeindruckenden Präsentation über die Plastizität des Gehirns als Reaktion auf das Musizieren. "Musizieren als Vernetzungskunst" verknüpfe Bewegungen beim Spielen von Instrumenten, Klänge und Noten und stärke die Ausbildung der zuständigen Hirnareale. Als planvolle Tätigkeit stärke das Musizieren auch den frontalen Kortex. Dies verbessere auch andere kognitive Fähigkeiten. Außerdem wird das Erlernen von Musikinstrumenten erfolgreich zur Verbesserung der Feinmotorik nach Schlaganfällen eingesetzt.
Parkinson: Zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung
Prof. Dr. Günther Deuschl, Kiel, stellte die Therapie der Parkinson-Erkrankung vor. Eher jüngere Patienten bis 70 Jahre oder fallweise auch darüber sollten vorzugsweise Dopaminagonisten erhalten, wobei Ergolin-Derivate fast nicht mehr eingesetzt werden. Ältere Patienten sollten eher L-Dopa in Kombination mit einem Decarboxylasehemmer erhalten. Langfristig droht dabei allerdings ein motorisches Spätsyndrom. Rasagilin wirke als bisher einzige Substanz wahrscheinlich neuroprotektiv. Wegen der Konstruktion der maßgeblichen Studie sei darüber allerdings ein "Glaubenskrieg" entbrannt. Für schwer behandelbare Dyskinesien sei die tiefe Hirnstimulation inzwischen trotz des problematischen Eingriffs das wichtigste Verfahren mit sehr guten Ergebnissen.
Apotheker sollten Parkinson-Patienten auffordern, täglich aktiv zu sein und Tätigkeiten auszuüben, die ihnen Freude bereiten. Als Komedikation mit Neuroleptika dürften Parkinson-Patienten nur Clozapin oder eventuell Quetiapin erhalten, während andere Neuroleptika schaden könnten.
Etwa fünf Prozent der Parkinson-Patienten leiden an einer monogenetisch bedingten Form der Erkrankung, erklärte Priv.-Doz. Dr. Norbert Brüggemann, Lübeck. Bei den übrigen Patienten treffen komplexe genetische Risikofaktoren und Umweltfaktoren zusammen. Die monogenetischen Formen dienen als Modelle für die Forschung. Außerdem sind bei einigen Formen Prognosen über den Krankheitsverlauf möglich. Die Therapie unterscheidet sich noch nicht in Abhängigkeit von der Ursache, aber langfristig erscheinen individualisierte Therapieansätze denkbar, bei denen die durch einzelne Gene gestörten Stoffwechselwege gezielt beeinflusst werden.
Neue Arzneimittel bei MS
Die multiple Sklerose wird typischerweise als inflammatorische Erkrankung beschrieben, aber die Atrophie von weißer Hirnsubstanz, also ein neurodegenerativer Aspekt, korreliert wesentlich mit dem Grad der Behinderung, erklärte Prof. Dr. Markus Schwaninger, Lübeck. Als Therapien mit günstigem Einfluss auf den Verlauf sind Interferone und Glatirameracetat etabliert. Neuere oral einsetzbare Wirkstoffe lassen demnächst weitere Therapieoptionen erwarten. Das bereits zugelassene Fingolimod und das schon lange aus der Psoriasis-Behandlung bekannte Dimethylfumarat wirken gemäß Studien sogar besser als die Standardtherapie. Laquinimod und Leflunomid, das ein Prodrug des Rheuma-Basistherapeutikums Teriflunomid ist, seien hinsichtlich der Wirksamkeit mit der Standardtherapie vergleichbar. Laquinimod und Dimethylfumarat erscheinen nach den bisherigen Erkenntnissen vergleichsweise gut verträglich, erklärte Schwaninger.
Fortbildung für PTA
Auch bei der Praxisfortbildung für PTA ging es um neurodegenerative Erkrankungen. Außerdem erläuterte Prof. Dr. Hartwig Steckel, Kiel, die Folgen der neuen Apothekenbetriebsordnung für die Rezeptur.
Viele Tagungsteilnehmer verbrachten auch den Samstagabend in Damp und erlebten beim Galaabend eine verblüffende Show der Zaubermeisterin Alana. Anschließend konnten sie auf der Tanzfläche selbst aktiv werden.
Details über ausgewählte Vorträge finden Sie demnächst in der DAZ.
tmb
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