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Arzneimittel und Therapie
Erhöhtes Risiko bei hochpotenten Wirkstoffen
Die wohl bekannteste Nebenwirkung der zur LDL-Cholesterol-Spiegelsenkung breit angewendeten und in der Regel gut verträglichen Statine ist die Rhabdomyolyse. Sie ist durch die Auflösung quergestreifter Muskelfasern, vor allem der Skelett- und Herzmuskulatur, gekennzeichnet. Man erkennt sie an einer rot-braunen Verfärbung des Urins infolge Myoglobinurie, an Muskelschwäche und geschwollenen Muskeln sowie labordiagnostisch an erhöhten Blutwerten von Muskelenzymen wie Kreatinkinase und Lactatdehydrogenase. Da das frei werdende Myoglobin die Nieren schädigt, stellt das akute Nierenversagen eine gefürchtete Komplikation der Rhabdomyolyse dar. Im Jahre 2001 hatten Todesfälle infolge Rhabdomyolyse unter Cerivastatin weltweit zur Marktrücknahme von Lipobay® geführt.
Wirksamkeit von StatinenRosuvastatin (Crestor®), Atorvastatin (z. B. Sortis®) und Simvastatin (z. B. Zocor®) sind derzeit die potentesten Statine, da sich mit ihnen eine LDL-Cholesterol-Senkung von 45% und mehr erzielen lassen (Simvastatin 40 mg bis zu 45%, Atorvastatin 80 mg bis zu 55%, Rosuvastatin 40 mg bis zu 60%). Fluvastatin, Lovastatin und Pravastatin zählen zu den niedriger potenten Statinen. Bei allen CSE-Hemmern ist eine abendliche Gabe vorzuziehen, da die körpereigene Cholesterol-Synthese bevorzugt nachts stattfindet. Lovastatin sollte zusammen mit der Nahrung eingenommen werden. Die Resorption wird zwar durch die Nahrung verzögert, die Bioverfügbarkeit bleibt aber gleich. Atorvastatin kann unabhängig von der Nahrung aufgenommen werden, Simvastatin sollte auch vorzugsweise abends eingenommen werden. Bei den lipophilen Substanzen Atorvastatin und Pravastatin sinkt die Bioverfügbarkeit durch Nahrungszufuhr. Die Einnahme von Rosuvastatin kann zu jeder Tageszeit mit einer Mahlzeit oder unabhängig von den Mahlzeiten erfolgen. |
Daten von über zwei Millionen Patienten
In der kürzlich veröffentlichten Analyse hatte eine kanadische Arbeitsgruppe um Colin Dormuth neun auf Kohortenstudien und Metaanalysen basierende Datenbanken aus Kanada, den USA und Großbritannien mit mehr als zwei Millionen Patienten ab 40 Jahren ausgewertet. Diese waren im Zeitraum Januar 1997 bis April 2008 neu auf eine hochwirksame Statintherapie eingestellt worden. Als hochpotent galt dabei eine Behandlung mit Rosuvastatin ab einer Tagesdosis von 10 mg, mit Atorvastatin ab 20 mg pro Tag oder mit Simvastatin ab 40 mg pro Tag. Primärer Endpunkt der Analyse war die Hospitalisationsrate infolge eines akuten Nierenversagens.
Bei Patienten mit normaler Nierenfunktion vor Therapiebeginn zeigte sich in der Analyse nach 120 Tagen Behandlungsdauer ein 34-prozentiger Anstieg der Klinikeinweisungen infolge akuter Nierenprobleme im Vergleich zu Patienten, denen niedriger potente Statine verabreicht worden waren (adjusted rate ratio 1,34, 95% KI 1,25-1,43). Auch wenn das Risiko im Zeitverlauf langsam abnahm, blieb es bis zu zwei Jahre nach Therapiebeginn signifikant. Bei Patienten, die vor Behandlungsbeginn bereits an einer chronischen Nierenerkrankung gelitten hatten, erhöhte sich die Hospitalisationsrate nicht.
Hinweise aus früheren Studien
Bereits aus früheren Studien existieren Hinweise darauf, dass Statine nierenschädigend sein können. So war beispielsweise in der JUPITER-Studie (Justification for the Use of Statins in Prevention: an Intervention Trial Evaluating Rosuvastatin) mit fast 18 000 Patienten unter Rosuvastatin ein – allerdings nicht signifikanter – Anstieg der Rate an akutem Nierenversagen um 19% beobachtet worden. In der jetzt veröffentlichten Analyse errechneten die Autoren, dass pro 1700 mit einem hochpotenten Statin behandelten Patienten ein zusätzliches akutes Nierenversagen erwartet werden muss (number needed to harm). Ärzte sollten dies bei der Verschreibung berücksichtigen und gegebenenfalls eine niedrigere Statindosis oder einen weniger potenten Wirkstoff verordnen. Doch die erwünschten ausgeprägten LDL-Cholesterol-Senkungen von über 45% sind nur mit den hochpotenten Wirkstoffen Atorvastatin, Rosuvastatin und Simvastatin erzielbar. Daher besteht die Herausforderung für die Praxis nach Meinung der Autoren darin, diejenigen Patienten zu identifizieren, für die eine hochpotente Statintherapie mit einem günstigen Nutzen-Risiko-Verhältnis, auch im Hinblick auf ein mögliches Nierenversagen, verbunden ist.
Pharmakokinetik der Statine. Durch die kompetitive Hemmung der HMG-CoA-Reduktase kann mit Statinen eine LDL-Cholesterol-Senkung in relevantem Maße um 24 bis 55% erreicht werden: Fluvastatin < Pravastatin < Lovastatin < Simvastatin < Atorvastatin < Rosuvastatin [Quelle: Arzneimitteleinnahme: wann - wie viel – womit, 2. Auflg. 2005, WVG Stuttgart] | |||||||
Einzeldosis
[mg]
|
Tageshöchst-dosis [mg] |
Plasmaeiweiß-bindung [%] |
Bioverfüg-barkeit [%] |
Halbewerts-zeit [h] |
tmax
[h]
|
Elimination
[%]
|
|
Atorvastatin |
10 bis 20 |
80 |
98 |
12 |
14 |
1 bis 2 |
biliär 95 |
Fluvastatin |
20 bis 80 |
80 |
98 |
24 |
2,3 |
2 |
biliär |
Lovastatin |
10 bis 40 |
80 |
95 |
5 |
1,4 |
2 bis 3 |
biliär |
Pravastatin |
5 bis 40 |
40 |
43 bis 55 |
17 |
1,5 bis 2 |
1 bis 1,5 |
biliär
renal 20
|
Rosuvastatin |
5 bis 10 |
40 |
90 |
20 |
19 |
3 bis 5 |
renal 10 |
Simvastatin |
5 bis 40 |
40 |
95 |
5 |
1,9 |
1,7 |
biliär 60 |
Als weitere mögliche Faktoren, die zu einem Nierenversagen führen können, werden derzeit ein Zusammenhang zwischen der Statinbehandlung und der Proteinurie und eine Suppression der Coenzym-Q10-Synthese durch Statine diskutiert. Beide Mechanismen sind ebenfalls bereits in früheren Studien untersucht worden.
QuelleDormuth CR et al. Use of high potency statins and rates of admission for acute kidney injury: multicenter, retrospective observational analysis of administrative databases. BMJ (2013), 346:f880. doi: 10.1136/bmj.f880.Rose, O. Statine, Muskeln und Q10: Evidenzlage und Nebenwirkungen der Cholesterinsenker-Therapie. DAZ Nr. 10/2013
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