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Arzneimittel und Therapie
Wohin geht es in der Dermatologie?
Zur Erinnerung an den im vorigen Jahr verstorbenen, ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden und Mitgründer der Gesellschaft für Dermopharmazie (GD), Prof. Dr. Hans Christian Korting, hielt Prof. Dr. Dr. Thomas Ruzicka, München, als Einstieg in das Symposium die erste Hans-Christian-Korting-Gedächtnisvorlesung. Darin beschrieb Ruzicka als großen Trend der vorigen 30 Jahre die evidenzbasierte Medizin (EBM), doch er mahnte zum angemessenen Umgang mit der EBM. Diese dürfe nicht als "Fetisch" angesehen werden. Denn ebensowenig wie ein beliebiger Klavierspieler durch den Blick in die Noten wie ein Virtuose spielen könne, reiche für einen Arzt der Blick in die Leitlinien. Wissen, Können und Erfahrung bei der Deutung des allgemein zugänglichen Wissens seien weiterhin nötig, so Ruzicka. Außerdem dürfe fehlende Evidenz nicht mit fehlender Wirksamkeit verwechselt werden, weil lange etablierte oder ganz neue Therapien möglicherweise (noch) nicht nach den Regeln der EBM untersucht wurden und doch sehr wirksam sein können. Ein weiteres Missverständnis sei, starke Evidenz mit starker Wirksamkeit gleichzusetzen. Doch es könne aussagekräftige Daten für kleine, biologisch irrelevante Verbesserungen geben.
Mit Blick auf die Dermatologie erklärte Ruzicka, alle Hauterscheinungen würden zu diesem Fach gehören, also auch die ästhetische Dermatologie, allerdings sollten keine unsinnigen Maßnahmen angeboten werden. Ein weiterer Trend sei die molekulare Medizin, die den Weg zu personalisierten und zielgerichteten Therapien mit einer viel günstigeren Relation von erwünschten und unerwünschten Wirkungen eröffnet. Damit setze sich der "Siegeszug der Systemtherapien" in der Dermatologie fort, in der früher fast nur Lokalbehandlungen auf der Haut stattfanden. Insbesondere neue Biologicals würden in großer Zahl entwickelt, aber noch immer bestehe großer Bedarf an neuen Therapien für unzureichend behandelbare Krankheitsbilder.
Im Rahmen der molekularen Medizin werden Tumoren weniger nach der Morphologie, sondern künftig eher nach der zugrunde liegenden Mutation klassifiziert, erklärte Ruzicka. Ein Beispiel bietet das maligne Melanom. Bei B-RAF-mutierten Melanomen erhöht Vemurafenib die proliferationsfreie Zeit von durchschnittlich 1,6 auf 6,9 Monate. Doch der Durchschnitt sagt wenig aus, denn einige Patienten zeigen zeitweilig sogar eine volle Remission und profitieren viel länger. Allerdings bietet der Ansatz keine Heilung, nach einiger Zeit entstehen Resistenzen. Die Behandlung sei daher nur ein "Etappensieg", erklärte Ruzicka, aber er setzt große Hoffnung auf die Kombination mehrerer zielgerichteter Therapieansätze. Mögliche Kombinationspartner sind MEK-Inhibitoren oder Ipilimumab, der monoklonale Antikörper gegen CTLA-4. So könnten Tumorerkrankungen möglicherweise langfristig beherrschbar werden – nach dem Vorbild der Kombinationstherapie gegen HIV.
Optionen für die HyposensibilisierungDie Biotechnologie ermöglicht auch neue Varianten für die spezifische Immuntherapie zur Hyposensibilisierung, wie Prof. Dr. Joachim Saloga, Mainz, berichtete. Allergene könnten besser definiert werden. Es könnten sogar einzelne Allergene rekombinant hergestellt werden, wobei auch hypoallergene Mutanten oder andere gezielte Veränderungen möglich sind. Dies zielt insbesondere auf die bessere Sicherheit der Therapie, in einer Studie habe sich diese Erwartung aber nicht bestätigt. Daher wird noch nach der optimalen Dosierung gesucht. Weitere Optionen böten virus-like particles als neuartige Vehikel oder die sublinguale Therapie mit rekombinanten Allergenen, die in der Mundhöhle appliziert werden. Die orale Anwendung sei besonders zum Einsatz gegen Nahrungsmittelallergien interessant. |
Kombinationen gegen das Melanom
Bei Einführung der neuen zielgerichteten Therapeutika gegen das Melanom vor weniger als zwei Jahren wurde noch der aufeinander folgende Einsatz solcher Arzneimittel angedacht, doch inzwischen zeichnen sich eher Kombinationsstrategien ab. Dies wurde auch im Vortrag von Dr. Berenice M. Rudolph (in Vertretung für Prof. Dr. Stephan Grabbe), Mainz, im wissenschaftlichen Hauptprogramm der GD-Jahrestagung deutlich. Patienten, bei denen Vemurafenib nicht mehr wirkt, hätten oft keine ausreichende Lebenserwartung mehr, um den Wirkungseintritt von Ipilimumab zu erleben. Daher müssten diese Therapien bereits kombiniert werden, wenn die Wirkung des ersten Ansatzes nachlasse. Langfristig zielen die Kombinationsstrategien aber darauf, Wege für eine Heilung zu finden. Dabei könnten weitere neue zielgerichtete Therapien helfen, die derzeit entwickelt werden. Es sei allerdings schwierig, die unterschiedlichen Hersteller der zu kombinierenden Arzneimittel für gemeinsame Studien zu gewinnen.
IL-31 – Target bei Atopie
Auch bei anderen dermatologischen Indikationen bietet der Trend zur molekularen Medizin neue Optionen, wie sich beim Symposium über neue therapeutische Konzepte zeigte. Als mögliche neue Zielstruktur nannte Prof. Dr. Jens Malte Baron, Aachen, Interleukin-31 (IL-31), das bei atopischer Dermatitis erhöht ist. Es steht am Beginn einer langen Signalkaskade und steuert die Freisetzung von IL-20 und IL-24. Experimentell wurde durch einmalige kurzzeitige Gabe von IL-31 eine erhebliche Schädigung der Epidermis ausgelöst. Es steigert die Aufnahme von Allergenen, macht die Haut durchlässig für Irritanzien und erhöht den transepidermalen Wasserverlust. Der physiologische Effekt von IL-31 ist die Induktion antimikrobieller Peptide, doch offenbar setzen die schädigenden Effekte erst bei höheren Konzentration von IL-31 ein. Baron betrachtet IL-31 auch als möglichen Ansatz für die Therapie von Mastozytosen und myeloproliferativen Neoplasien.
Neue Strategie zur Tumorvakzinierung?Grundsätzliche Überlegungen zum Umgang mit Tumorvakzinen beschrieb Prof. Dr. Martin Röcken, Tübingen. Im Gegensatz zu den großen Erfolgen von Impfungen gegen Viren würden Tumorvakzine bisher nur in speziellen Situationen günstig wirken. Ungeeignete Vakzine könnten sogar das Tumorwachstum fördern. Während Impfstoffe gegen Viren prophylaktisch eingesetzt werden, dienen Tumorvakzine zur Therapie bestehender Krebserkrankungen. Hier sieht Röcken Argumente für einen Strategiewechsel. Denn die Überlebensdauer von Krebspatienten korrelierte in Untersuchungen beim Melanom, aber auch bei einigen Karzinomen nicht mit der Krebsprogression, sondern mit der Dauer der Wachstumspause. Besonders lange lebten Patienten mit dauerhaftem Wachstumsstopp des Tumors ("tumor dormancy") und nicht diejenigen, bei denen die Tumormasse zunächst schnell abnahm. Als Therapieziel für eine Vakzine böte sich damit weniger die Eradikation des Tumors, sondern eher eine langfristige Tumorkontrolle mit geeigneten Zytokinen oder Antikörpern gegen Tumorantigene. |
Cathelicidin – Target bei Rosazea
Als mögliche Ursachen der Rosazea wurden noch in den 1990er Jahren viele unspezifische Effekte diskutiert. Die Erkrankung ist mit einer Prävalenz von drei bis fünf Prozent häufig, sie führt zu wiederkehrenden Rötungen des Gesichts, Papeln, Pusteln sowie seltener zu Knoten und Ödemen. Inzwischen gilt eine Störung des angeborenen Immunsystems als Auslöser, erläuterte Priv.-Doz. Dr. Jürgen Schauber, München. Bei Rosazea ist die Spaltung der antimikrobiellen Peptide in der Haut gestört, sodass ein anderes Peptidmuster mit einer erhöhten Konzentration von Cathelicidin entsteht. Dies aktiviert die Chemokinfreisetzung in Entzündungszellen und stimuliert die Neoangiogenese. Außerdem ist die Aktivität der kutanen Protease erhöht, sodass weitere pro-inflammatorische Cathelicidin-Spaltprodukte entstehen. UV-Licht und Demodex-Milben wirken dabei als Triggerfaktoren. Der entzündliche Mechanismus erklärt die Wirksamkeit von Doxycyclin und Retinoiden, die einzelne Schritte der Entzündungskaskade hemmen. Langfristig könnten CathelicidinInhibitoren als neues Wirkprinzip entwickelt werden, so Schauber. Unabhängig von diesem Mechanismus sei bald die Einführung eines Brimonidin-Gels zu erwarten, das durch seinen alphaadrenergen Effekt die Gesichtsrötung deutlich vermindert.
IgE – Target bei Urtikaria
Ein weiteres Target für eine häufige Hauterkrankung stellte Priv.-Doz. Dr. Petra Staubach, Mainz, vor. Bei chronischer Urtikaria bewirken vielfältige Trigger, dass Mastzellen Entzündungsmediatoren freisetzen. Etwa die Hälfte der Patienten haben erhöhte IgE-Werte, obwohl kein relevantes Allergen zu finden ist. Einen therapeutischen Ansatz bietet damit der rekombinante humanisierte monoklonale Antikörper gegen IgE, Omalizumab, der erfolgreich gegen schweres Asthma eingesetzt wird. Fallberichte und eine in Deutschland durchgeführte placebokontrollierte Studie sprechen für eine deutliche Reduktion der Symptome, so Staubach. Erstaunlicherweise wirkt Omalizumab schneller als bei Asthmapatienten und es ist auch bei Patienten mit niedrigem IgE-Spiegel erfolgreich. Dies lässt einen weiteren Wirkungsmechanismus vermuten, nach dem noch gesucht wird.
tmb
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