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- AZ 6/2013
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Gesundheitspolitik
Höchstgradig unseriös
Das war es wohl mit der Notdienstpauschale. Die Konstruktion, die das Bundesgesundheitsministerium sich ausgedacht hat, bedarf eines Gesetzes, meinen Innen- und Justizministerium, eine Verordnung reicht nicht aus. Und ein solches Gesetz ist im Bundesrat zustimmungspflichtig.
Zu dem schon vorher bestehenden Problem, dass die FDP wohl nicht gerade erpicht darauf sein dürfte, im Wahljahr mit "Geschenken für die Apotheker-Klientel" in den Massenmedien für Schlagzeilen zu sorgen, kommt nun das Problem, dass Schwarz-Gelb seit der Landtagswahl in Niedersachsen in der Länderkammer keine Mehrheit mehr besitzt.
Nach dem Pick-up-Desaster dürfte nun zum zweiten Mal in dieser Legislaturperiode ein Versprechen schwarz-gelber Gesundheitspolitik an die Apotheker am Veto der Verfassungsressorts scheitern. Das ist ein Armutszeugnis – und politisch in höchstem Maße unseriös.
Wenn man sich auf feste Zusagen von Bundesministern – ich spreche hier nicht von blumigen Wahlkampfversprechen à la "Wir wollen die inhabergeführte Apotheke stärken", sondern von konkreten Zusagen – nicht mehr verlassen kann, untergräbt das das Vertrauen in die Politik. Besonders pikant ist, dass es die traditionelle Partei der Selbstständigen und Mittelständler ist, die einigen tausend Unternehmen die Planungssicherheit nimmt.
Zur Erinnerung: Es geht hier nicht um Peanuts. Die versprochenen 120 Millionen Euro pro Jahr ergäben pro Apotheke im Durchschnitt über 5000 Euro. Und dem stünden keine zusätzlichen Kosten entgegen, denn mehr Notdienste sollen ja gerade nicht geleistet werden. Berücksichtigt man jetzt noch, dass das Geld nicht gleichmäßig verteilt werden, sondern den Apotheken zugute kommen soll, die unter besonders vielen, besonders unprofitablen Notdiensten zu leiden haben, so kann man sich leicht ausmalen, wie sehr diese Apotheken von der Pauschale profitieren würden – oder muss man sagen: profitiert hätten?
Ich bin pessimistisch, dass die ebenso vollmundig wie unerwartet angekündigte Notdienstpauschale noch zu retten ist. Sollte das BMG überraschend doch noch eine Regelung, die die Zustimmung von Innen- und Justizministerium und gegebenenfalls auch den Weg durch den Bundesrat findet, aus dem Hut zaubern – umso besser!
Benjamin Wessinger
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