Gesundheitspolitik

Bündnis 90/Die Grünen: "Es ist nicht leicht grün zu sein"*

Andreas Kaapke

*(Kermit in der Sesamstraße)

Gerade die grünen Gesundheitspolitiker haben es den Apothekerinnen und Apothekern in den letzten zehn Jahren alles andere als leicht gemacht. Zuletzt hatte Jürgen Trittin, männlicher Spitzenkandidat und "Ober-Grüner", Apothekenketten gefordert. Deshalb schaut man mit Sorge auf das Wahlprogramm der Grünen, inwieweit hier den Apotheken schwere Einschläge bevorstehen. Aber auch hier tiefe Ernüchterung nach Sichtung des Wahlprogramms. Arbeiten sich die Grünen in ihrem 337 Seiten umfassenden Wahlprogramm an extrem vielen politischen Themen ab und können vor diesem Hintergrund zwischenzeitlich als uneingeschränkt etablierte Partei angesehen werden, sind je nach Zählart rund zwanzig Seiten dem Thema Gesundheit gewidmet, im engeren Sinne eher zehn Seiten. Auf diesen Seiten gehen die Grünen sehr umfassend mit dem Thema Gesundheitspolitik um, sparen aber ebenfalls die Apotheken völlig aus. Findet man Ausführungen zu Pflegeeinrichtungen und Hebammen mithin zur Drogen- und Suchtpolitik, findet sich kein Kommentar zu den Apotheken. Schade! Hier hätte man mit mehr rechnen dürfen, gar müssen, ob dies immer zur Freude gereicht hätte, sei an anderer Stelle zu klären, aber so gar nichts!? Die dem Wähler gebotene Ignoranz im Hinblick auf die Apotheken bei 337 Seiten Programm kann nicht zufrieden stimmen, denn gerade die "Benders dieser Welt" waren immer für eine inhaltliche Reibung gut.

Es ist nun nicht minder interessant, was die Bündnis-Grünen zur Gesundheitspolitik insgesamt sagen, wiewohl hier nur ansatz- und ausschnittsweise ausgewählt werden kann: "(…) Unser Gesundheitssystem ist in Schieflage geraten. Privatversicherte sind häufig privilegiert und erhalten Vorzugsbehandlungen. (…) Die 2-Klassen-Medizin in unserem Gesundheitswesen wollen wir beenden. Unsere Alternative ist die grüne Bürgerversicherung: eine für alle statt jeder für sich. (…) Die grüne Bürgerversicherung bezieht alle Bürgerinnen und Bürger in die Solidargemeinschaft ein. Gleichzeitig wird die paritätische Finanzierung zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen wiederhergestellt. (…) Dabei werden wir sicherstellen, dass die höheren Honorare, die heute über die Privatversicherten an die Ärzteschaft und die anderen Gesundheitsberufe fließen, insgesamt erhalten bleiben und gerechter verteilt werden."

Auch Bündnis 90/Die Grünen wollen die wohnortnahe gesundheitliche Versorgung weiter verbessern und den Zugang unabhängig von Alter, Einkommen, Geschlecht, Herkunft, Behinderung, sozialer Lage und Wohnort sicherstellen. "(…) Kern muss eine Primärversorgung sein, in der Haus- und KinderärztInnen sowie Angehörige weiterer Gesundheitsberufe auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Dafür sind u. a. die Aufwertung der HausärztInnen und des Berufsbilds der Pflege, eine veränderte Aufgabenverteilung zwischen den Gesundheitsberufen und ein Vergütungssystem erforderlich, das die besonderen Leistungen der Primärversorgung, wie die Beratung und Begleitung der Patienten berücksichtigt."

Auch die Kommunen sollen in Zukunft eine andere, größere Rolle im Rahmen der Gesundheitspolitik einnehmen: "(…) Bei der Ausgestaltung der Gesundheitsversorgung soll den Kommunen sowie den regionalen und lokalen Zusammenschlüssen von Patientinnen und Patienten sowie Gesundheitsberufen künftig eine größere Rolle zukommen."

Zwar äußerte sich Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Wahlprogramm nicht explizit zu den Apotheken, aber zu Arzneimitteln an mehreren Stellen: "(…) Die kürzlich eingeführte Nutzenbewertung neuer Arzneimittel ist ein wichtiger Schritt. Sie ermöglicht, den Preis eines Medikaments davon abhängig zu machen, welcher Patientennutzen mit ihm verbunden ist. Blockadeversuchen der Pharmaindustrie werden wir entschieden entgegentreten. (…) Perspektivisch streben wir eine Angleichung der Preisregulierung und der Regelungen zur Qualitätstransparenz für Arzneimittel innerhalb der EU an."

"(…) Doch die mangelhafte Qualitätstransparenz ist eine der großen Schwachstellen im deutschen Gesundheitswesen. Benötigt wird eine Art ‚Stiftung Warentest‘ im Gesundheitswesen, die zuverlässige Qualitätsinformationen sammelt und allgemeinverständlich aufbereitet."

Insgesamt legt die Partei Bündnis 90/Die Grünen ein umfassendes Gesundheitspaket vor, welches allerdings die Apotheken ignoriert. Viele Punkte, die im Hinblick auf andere Leistungserbringer formuliert sind, ließen sich auf Apotheken übertragen. Man kann sich dessen zwar final nicht sicher sein, es wäre aber stringent und konsequent. Wenn dies nur jemals jemand in der Politik interessiert hätte. Eine Gesundheitsministerin oder ein Gesundheitsminister der Grünen ist denkbar, wenn es zu einer rot-grünen Koalition kommt. Ob das Ressort Gesundheit dann den Grünen zugeschlagen würde, weiß man nicht, aber warum nicht. Jürgen Trittin wird sicherlich nicht Gesundheitsminister, schon eher Renate Künast als Allzweckwaffe und sich für nichts zu schade, Biggi Bender als Fachpolitikerin oder Katrin Göring-Eckardt als Sozialpolitikerin und Spitzenkandidatin. Oder es kommt zu einer Überraschung, dafür waren die Grünen schon immer gut.


Andreas Kaapke


Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

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