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Gesundheitspolitik
Bundestag stimmt für Notdienstpauschale
Vor der Abstimmung des Bundestages verabschiedete der Gesundheitsausschuss noch wichtige Änderungen am ANSG und dem Arzneimittelrechtsänderungsgesetz. So wurde letzteres kurzfristig um ein Verbot rezeptbezogener Boni ergänzt. Die ABDA hatte in ihrer Stellungnahme zum Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagen, dieses Verbot ausdrücklich in § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG) zu verankern. Schwarz-Gelb griff die Idee im Sinne der "Klarstellung und Sicherstellung der Einheitlichkeit der Rechtsordnung" auf. Künftig sollen Zuwendungen und Werbegaben für Arzneimittel explizit unzulässig sein, wenn sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten. Bislang verbietet das HWG ausdrücklich nur Barrabatte. Geldwerte Vorteile, wie sofort einlösbare Gutscheine werden nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als geringwertige Kleinigkeiten im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 HWG angesehen – mit der Folge, dass sie nur zulässig sind, wenn sie die "Geringwertigkeitsschwelle" nicht überschreiten. Infolge dieser Rechtsprechung kam es zu Verwirrung und widersprüchlichen Einschätzungen und Entscheidungen. Denn im Berufs- und Aufsichtsrecht will man von der wettbewerbsrechtlichen Betrachtungsweise überwiegend nichts wissen. Ein weiterer Haken: Kammern und Aufsichtsbehörden können die Boni-Aktivitäten ausländischer Versandapotheken nicht erfassen. Mit dieser wenig befriedigenden Situation soll nun Schluss sein. "Eine Differenzierung zwischen der Bewertung von Barrabatten und geldwerten Rabatten, die zu einem späteren Zeitpunkt eingelöst werden können, ist sachlich nicht gerechtfertigt", heißt es in der Begründung. "Der Verbraucher soll in keinem Fall durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben unsachlich beeinflusst werden".
Änderungen am ANSG
Auch beim ANSG wurde vor der abschließenden Abstimmung im Ausschuss nochmal nachgebessert. So darf der Deutsche Apothekerverband (DAV) die Anzahl der Privatrezepte einzelner Apotheken schätzen, falls keine verlässlichen Angaben vorliegen und dafür eine Strafgebühr von maximal 500 Euro erheben. Ebenfalls 500 Euro Strafgebühr werden für Apotheker fällig, die unberechtigten Einspruch gegen die Festsetzung der Notdienstpauschale durch den DAV einlegen.
Mit einer Klarstellung im Bericht des Ausschusses hat die Regierungskoalition zudem ihren politischen Willen zum Ausdruck gebracht, das die Notdienstpauschale von den Finanzämtern als "echter Zuschuss" gewertet wird, der nicht umsatzsteuerpflichtig sein soll: "Das Bundesministerium der Finanzen hat dazu mitgeteilt, dass die Beurteilung dieser Frage im Sinne einer bundeseinheitlichen Verwaltungsauffassung letztendlich nur in Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder erfolgen könne. Unabhängig davon handele es sich bei der Notdienstpauschale nach Einschätzung des Bundesministeriums der Finanzen um einen echten Zuschuss, der nicht der Umsatzsteuer unterliege. "Vor diesem Hintergrund wurde eine entsprechende gesetzliche Klarstellung nicht vorgenommen", heißt es jetzt im Gesetzeskontext.
In der Bundestagsdebatte begründete die parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Flach (FDP) nochmals die Notwendigkeit der Notdienstpauschale: "Krankheiten halten sich nicht an die Öffnungszeiten unserer Apotheken. Daher wollen wir den Notdienst nachhaltig stärken und haben dabei besonders die ländlichen Apotheken im Blick." Das ANSG sei ein wichtiges Gesetz, auf das die Koalition "stolz sein kann". Michael Hennrich (CDU) begründete das ANSG als Maßnahme zur Stützung von Landapotheken, die häufiger Notdienst verrichten müssten, ohne entsprechende Umsätze erzielen zu können. Die neue Pauschale von circa 200 Euro sei "nicht zu hoch, aber angemessen", so Hennrich. Der CDU-Politiker bedauerte, dass keine gesetzliche Regelung zur Umsatzsteuerfrage erreicht werden konnte, zeigte sich aber zuversichtlich, dass das Bundesfinanzministerium mit den Länderbehörden eine Lösung finden werde.
Grüne und SPD: Gutes Ziel, schlechter Weg
Birgitt Bender (Grüne) kritisierte die Machart des ANSG: "Das ist Gesetzgebung im Blindflug." Es gebe nur Daten aus Bayern und Baden-Württemberg über die Lage beim Notdienst. Nicht interessiert habe sich die Koalition für den Zuschnitt der Notdienstbezirke. "Sie haben sich wenig gekümmert, was Sie da tun", so Bender. Trotz aller Kritik teilten die Grünen aber die Ziele der Notdienstpauschale. Auch Steffen-Claudio Lemme (SPD) bezeichnete das ANSG als "zu kurz gedacht und zu kurz gesprungen". Die Umsetzung zeige deutliche Schwächen auf. Der Fonds sei ein kompliziertes Konstrukt. Es sei unlogisch, den Fonds beim DAV anzusiedeln. Lemme kritisierte den zu hohen bürokratischen Aufwand. Eine Steuerfinanzierung sei nie geprüft worden. Apotheken in Ballungsgebieten würden noch stärker bevorteilt als bisher. "Man kann die Landapotheken nicht dadurch fördern, dass man Stadtapotheken besser bezahlt", so Lemme. Gut gemeint, sei nicht gut gemacht. Sowohl SPD als auch Grüne enthielten sich bei der Abstimmung
Zuspruch fand das Gesetz dagegen bei der Linksfraktion. Zwar halte die Fraktion die Finanzierung der Pauschale für falsch und zu bürokratisch, sagte die Abgeordnete Kathrin Vogler. Da das ANSG aber die Landapotheken stärke, begrüße Die Linke diesen Vorschlag.
Hammelsprung vor AMG-Abstimmung
Turbulent wurde es nach der ANSG-Abstimmung in erster und zweiter Lesung, als über das zugleich debattierte 3. Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften abgestimmt werden sollte. Jörn Wunderlich, Abgeordneter der Linksfraktion, stellte einen Geschäftsordnungsantrag: Der Bundestag sei nicht beschlussfähig. Dazu müsste nämlich die Hälfte der 620 Bundestagsabgeordneten anwesend sein. Tatsächlich waren die Sitzreihen im Plenum eher spärlich besetzt. Die Folge: Mit dem sogenannten Hammelsprung war die Beschlussfähigkeit festzustellen. So geschah es – mit allem Tumult, den ein solcher Hammelsprung mit sich bringt: Alle Abgeordneten mussten den Plenarsaal verlassen – und sich zählen lassen, als sie wieder hineinkamen. Ergebnis: 267 Abgeordnete waren zugegen. Grundsätzlich können auch mit weniger als der Hälfte der Bundestagsmitglieder Abstimmungen erfolgen. Schluss ist nur dann, wenn ein Geschäftsordnungsantrag gestellt ist und die Beschlussunfähigkeit festgestellt wurde. Und so blieb Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau nichts anderes übrig, als die Sitzung um kurz vor 21 Uhr aufzuheben – obschon die Liste der noch anstehenden Tagesordnungspunkte noch lang war.
Erstaunlich ist jedenfalls der Zeitpunkt, zu dem der Linken-Antrag gestellt wurde. Sicherlich hätte die Beschlussfähigkeit auch schon zu einem früheren Zeitpunkt angezweifelt werden können. Doch die Linksfraktion hatte schon tags zuvor im Gesundheitsausschusses – ebenso wie die SPD – sehr erzürnt auf weitere kurzfristige Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen zum Arzneimittelrechtsänderungsgesetz reagiert. Diese betreffen Anwendungsbeobachtungen sowie die Wahl der Vergleichstherapie im Rahmen der frühen Nutzenbewertung. Nach Lesart der Linken – und auch der SPD – können sich pharmazeutische Unternehmen ihre Vergleichstherapie künftig selbst auswählen. Damit sabottiere die Koalition ihr eigenes Gesetz, das AMNOG, erklärte Vogler in der Bundestagsdebatte. Die Linksfraktion hatte im Ausschuss eine erneute Anhörung zu diesen Anträgen erreichen wollen, scheiterte damit aber.
Am Freitag fand die Abstimmung zur AMG-Novelle im Bundestag dann doch noch statt. Allerdings nach AZ-Redaktionsschluss. Diesmal war das Plenum besser besetzt und es stand zu erwarten, dass Union und FDP keine Probleme hatten, ihr Gesetz durchzubringen.
Das letzte Wort hat der Bundesrat
Stimmt der Bundesrat wie erwartet am 5. Juli dem ANSG zu, kann die neue Notdienstpauschale erstmals zum Jahresende 2013 anteilig für das dritte Quartal ausgezahlt werden. Das Gesetz soll zum 1. August in Kraft treten. Etwas weniger gewiss ist das Inkrafttreten der AMG-Novelle. Auch dieses Gesetz ist nicht zustimmungsbedürftig – angesichts des Widerstands in der SPD ist aber zumindest denkbar, dass es noch im Vermittlungsausschuss landen könnte.
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