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Feuilleton
Marginalien um die Margarine
Kontroversen ums Fett und seine Fettsäuren
* Der verehrten, wegen ihrer Leistungsstärke und menschlichen Qualitäten von mir sehr bewunderten Kollegin Prof. Dr. Mónica Söllhuber, die als Catedrática an der Universidad Complutense in Madrid forscht und lehrt, in herzlicher Verbundenheit zum 60. Geburtstag gewidmet.
Geschichtliches
Auf Anregung von Kaiser Napoleon III. stiftete die französische Regierung einen Preis für die Erfindung eines billigen und haltbaren Surrogates für Butter, das sich auch zur Verpflegung der Truppen eignete. Der französische Chemiker Hippolyte Mège-Mouriès gewann 1869 den Preis mit seiner "beurre économique" (= preiswerte Butter), die er später Margarine Mouriès nannte. Er hatte sie aus der flüssigen Rindertalgfraktion mit Namen Oleo margarin durch Emulgieren mit Wasser, Milch und einigen weiteren Ingredienzien sowie anschließender Kühlung hergestellt.
Inhaltsstoffe der Margarine
Derzeit enthalten 100 g Margarine in der Regel 80 g Fett, 16 bis 19 g Wasser, 0,5 g Eiweiß und die gleiche Menge Kohlenhydrate sowie Phytosterole. Als pflanzliche Rohstoffe kommen Palmöl, Sonnenblumenöl, Erdnussöl, Rapsöl, Leinöl oder Sojaöl infrage, als tierische Rohstoffe (nicht in reiner Pflanzenmargarine!) Rindertalg und Seetieröle.
Physikalisch betrachtet, ist Margarine eine bei Raumtemperatur feste Wasser-in-Öl-Emulsion. Die wässrige Phase besteht häufig aus Magermilch. Als Emulgatoren werden Lecithin oder Diacetylweinsäure verwendet.
Zur Farbgebung dürfen Bixin und Betacarotin zugesetzt werden. Die Konservierung wird durch Sorbinsäure erreicht. Häufig wird Margarine mit den fettlöslichen Vitaminen D und E angereichert. Der Zusatz von Phytosterolen ist ebenfalls erlaubt, aber unter den Experten hinsichtlich seines diätetischen Nutzens umstritten.
Etymologisches1819 beobachtete der französische Chemiker Michel Eugène Chevreul, der sich mit der Analyse von Fetten aller Art befasste, beim Behandeln einer Kaliseife mit Säure an der Oberfläche des Ansatzes perlenförmige Ablagerungen; er hielt sie für eine neue Fettsäure und gab ihr den Namen "Margaron" (von griech. μαργαριτης, margarites = Perle). Später nannte er sie "acide margarinique". Es handelte sich um ein Palmitinsäure-Stearinsäure-Gemisch (C16 bzw. C18). "Margarinsäure" ist die heutige Trivialbezeichnung der Heptadecansäure (C17), die z. B. im Hammelfett enthalten ist. Ob Mège-Mouriès bei der Namensgebung seiner "Margarine" die perlenförmige Struktur im Sinn hatte oder ob er an lat. margo = Rand dachte, ist heute schwer nachvollziehbar. Wenn man nämlich fette Öle in einem dünnwandigen Glasgefäß von außen her stark kühlt, so lagert sich am inneren Rand eine halbfeste bis feste Masse ab, die man als Margarine bezeichnen könnte. Diesen Prozess, der zur Gewinnung höher schmelzender Fettfraktionen führt, nennt man "Winterisierung" oder Ausfrierung. Der Name Margarine beruht möglicherweise auch darauf, dass in der Rindertalgfraktion, die den Namen "Oleo margarin" führte, Palmitinsäure und Stearinsäure (ihr Gemisch ist Chevreuls "Margarinsäure") in großen Mengen enthalten sind. Vom lateinischen margo = Rand abgeleitet ist auch der Begriff Marginalien, worunter man bekanntlich Randbemerkungen versteht. |
Fetthydrierung
Den Wunsch, aus fetten Ölen (d. h. bei Raumtemperatur flüssigen Fetten) streichbare, feste bis harte Fette herzustellen, die man heute auch für die Margarineherstellung benutzt, erfüllt man sich schon seit geraumer Zeit durch die katalytische Hydrierung (Fetthärtung). Sie bietet auch die Möglichkeit, Fisch- und Walöle in neutral schmeckende Fette umzuwandeln und für die menschliche Ernährung nutzbar zu machen. Bei der Hydrierung werden die Doppelbindungen zu Einfachbindungen, und aus ungesättigten Fettsäuren werden gesättigte Fettsäuren. Dabei entstehen durch partielle Hydrierung oder Isomerisierung als unerwünschte Nebenprodukte trans-konfigurierte Fettsäuren (trans-Fettsäuren), wie ein Beispiel zeigt (Abb. 1). Dort ist auch die sterische Beeinflussung der Konfigurationen zu erkennen:
Ein Triglycerid, das drei gesättigte Fettsäurereste (z. B. Stearinsäure) enthält, ist einem Dreizack mit drei langen parallelen Zinken vergleichbar. Solche Triglyceride liegen eng aneinander und ergeben eine stabile, um nicht zu sagen ziemlich starre Formation, die einen relativ hohen Schmelzpunkt bedingt. Sie lassen sich daher höher erhitzen, bevor sie thermisch abgebaut werden und u. a. Acrolein liefern.
Enthält das Triglycerid ungesättigte Fettsäuren mit cis-Doppelbindungen (z. B. Ölsäure, Linolsäure), so ist der Zusammenschluss lockerer; das Triglycerid ist beweglicher, sein Schmelzpunkt ist niedriger; die meisten nativen Fette und fetten Öle bestehen aus solchen Triglyceriden.
Triglyceride, die trans-Fettsäuren (z. B. Elaidinsäure) enthalten, unterscheiden sich räumlich und physikochemisch wenig von Triglyceriden aus gesättigten Fettsäuren und üben physiologisch den gleichen negativen Einfluss aus (s. u.).
Eine Zwischenfrage: Warum werden die Tiefseefische im kalten Wasser nicht steif und unbeweglich? Bei Temperaturen, wie sie in der Tiefsee herrschen, sollte man erwarten, dass Fischöle ihren Erstarrungspunkt erreichen. Das tun sie allerdings infolge des hohen Anteils an ungesättigten Fetten nicht. Es ist also kein Zufall, dass die gesundheitsfördernden vielfach ungesättigten Fettsäuren wie Eikosapentaensäure oder Dokosahexaensäure besonders in den Triglyceriden der Tiefseefische anzutreffen sind.
Woher kommen die trans-Fettsäuren?
Nicht alle Fette mit trans-Fettsäuren sind künstlich. Im Pansen von Wiederkäuern, die uns Milch liefern, befinden sich bestimmte anaerobe Bakterien, die in der Lage sind, cis-Fettsäuren enzymatisch in trans-Fettsäuren umzuwandeln. Man nennt diese Reaktion Biohydrogenierung. trans-Fettsäuren sind demnach natürliche Bestandteile von Milch und Milchprodukten und kommen auch im Fleisch von Wiederkäuern sowie in einigen nativen Pflanzenölen vor, allerdings nur in geringen Mengen (Tab. 1).
Tab. 1: Native Fettsäuren mit | ||
Fettsäure |
cis- Gruppen |
trans- Gruppen |
Elaidinsäure |
– |
1 |
Vaccensäure |
– |
1 |
Punicinsäure |
2 |
1 |
Calendulasäure |
1 |
2 |
α-Elaeostearinsäure |
1 |
2 |
Licansäure |
– |
3 |
Künstliche trans-Fettsäuren finden sich vor allem in Pommes frites, Pfannkuchen, Blätterteigwaren, "Schweinsohren", Spritzringen, Schokoriegeln und Fast-Food-Produkten. Bei Menschen, die sich bevorzugt von den genannten, industriell in großem Maßstab gefertigten Produkten ernähren, kann die täglich zugeführte Menge an trans-Fettsäuren den Wert von 10 g übersteigen.
Vor rund 20 Jahren lag die tägliche Aufnahme von trans-Fettsäuren in der Bundesrepublik für Frauen bei 3,4 g, für Männer bei 4,1 g. Durch die verbesserte Lebensmitteltechnologie liegen die Mengen jetzt bei etwa 2 g (bei Frauen etwas niedriger, bei Männern etwas höher).
Warum E und Z?Die cis- und trans-Transfigurationen werden auch mit den Buchstaben Z und E abgekürzt. Warum? Die Suche nach entsprechenden Wörtern im Englischen wäre vergeblich, denn ausnahmsweise handelt es sich um deutsche Wörter, die die Form der Kette bei der Doppelbindung beschreiben: Z heißt zusammen, und E heißt entgegen. |
Gesundheitliche Aspekte
Beim Cholesterinspiegel senken trans-Fettsäuren den "guten" HDL-Wert und erhöhen den "schlechten" LDL-Wert sowie den Gesamtcholesterol-Wert. Ein erhöhtes Atheroskleroserisiko – so wird die Situation heute beurteilt – besteht erst bei einer täglichen Aufnahme von über 4 g trans-Fettsäuren, und nach einer Metaanalyse der WHO haben sie keinen Einfluss auf das Herzinfarktrisiko.
Margarine ist heute nicht mehr in erster Linie das preiswerte Ersatzprodukt, zumal der Preis der Butter stark gefallen ist. Hersteller von Margarine werben deshalb vor allem damit, dass ihr Produkt gesünder sei als Butter. Dies ist zwar umstritten und lässt sich kaum beweisen, doch einige Aspekte weisen in diese Richtung: Die meisten Sorten werden heute ohne katalytische Hydrierung hergestellt, einige sind auch frei von natürlichen trans-Fettsäuren, weil sie nur aus pflanzlichen Ölen gewonnen werden. Bestimmte Margarinesorten sind besonders reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren (vor allem Linolsäure), was sie in den Augen mancher Experten ernährungsphysiologisch wertvoll macht.
Es darf als gesichert gelten, dass mehrfach ungesättigte Fettsäuren das Risiko für die koronare Herzkrankheit senken, weil sie die Cholesterinwerte günstig beeinflussen. Epidemiologische Studien, die in verschiedenen Ländern durchgeführt wurden, zeigten einen signifikanten Zusammenhang zwischen der alimentären Aufnahme gesättigter Fettsäuren und dem Auftreten der koronaren Herzkrankheit. Um seine Einwohner zu einer gesünderen Ernährung zu motivieren, hat Dänemark kürzlich eine Steuer für die meisten Lebensmittel eingeführt, die gesättigte Fettsäuren enthalten. Betroffen ist vor allem die Butter, die im Schnitt 82% Milchfett enthält, das wiederum zu etwa 60% aus gesättigten Fettsäuren besteht (Tab. 2).
Tab. 2: Gesättigte Fettsäuren in Butter und Kokosfett – durchschnittlicher Gehalt. | ||
Struktur – Name |
Butter |
Kokosfett |
C18 – Stearinsäure |
9 −11% |
1 − 3% |
C16 – Palmitinsäure |
26 −29% |
7 −10% |
C14 – Myristinsäure |
8 −11% |
13 −18% |
C12 – Laurinsäure |
2,5− 3% |
47 −52% |
C10 – Caprinsäure |
3 − 7% |
6 −10% |
C8 – Caprylsäure |
8 − 9% |
|
C6 – Capronsäure |
– |
|
C4 – Buttersäure |
3 − 5% |
– |
Wesentlich reicher an ungesättigten Fettsäuren ist mit etwa 70% das Kokosfett (Tab. 2); es wird durch Pressen oder Extraktion aus Kopra, dem getrockneten Fruchtfleisch der Kokosnuss, gewonnen und nach der Raffination als geruch- und geschmackloses Speisefett mit hohem Schmelzpunkt angeboten (z. B. "Palmin"; Markenname seit 1894). Kokosfett eignet sich daher – wie die Fette mit trans-Fettsäuren (s. o.) – besonders zum Braten und Frittieren.
Fazit
Die Zusammensetzung der verschiedenen Margarinesorten und anderer Speisefette ist nicht als Marginalie einzustufen, denn sie kann unseren Gesundheitszustand beeinflussen. Achten Sie also darauf, was Sie essen – und natürlich auch darauf, wie viel Sie essen.
Literatur
W. Ternes, A. Täufel, L. Tunger, M. Zobel: Lexikon der Lebensmittel und Lebensmittelchemie. 4. Aufl. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2005.
S. Krist, G. Buchbauer, C. Klausberger: Lexikon der pflanzlichen Fette und Öle. Springer Vienna, 2008.
H. J. Roth: Die Fettsäuren in fetten Wirkstoffölen. Dtsch Apoth Ztg 2010;
150(35):3925– 3934.
A. Hahn, A. Ströhle, M. Wolters: Ernährung – Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie. 2. Aufl. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2006.
Autor
Prof. Dr. rer. nat. Dr. h. c. Hermann J. Roth, Friedrich-NaumannStr. 33, 76187 Karlsruhe,
www.h-roth-kunst.com,
info@h-roth-kunst.com
DAZ 2012, Nr. 8, S. 91
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