Arzneimittel-Mikronährstoffe

Diuretika und Vitamin B1

Supplementierung verbessert die Herzfunktion

Bei Patienten, die aufgrund einer Herzinsuffizienz mit einem Diuretikum (z. B. Furosemid) behandelt werden, kann die Herzfunktion durch eine hochdosierte Vitamin-B1 -Supplementierung verbessert werden. Darauf weisen erneut die Ergebnisse einer klinischen Studie hin, die in der Schweiz durchgeführt wurde.

Mit 3 bis 8 μg/g weist der Herzmuskel den höchsten Gehalt an Thiamin (Vitamin B1) im menschlichen Körper auf. Bei Patienten, die wegen kardiovaskulärer Erkrankungen (z. B. Herzinsuffizienz) Furosemid erhielten, konnte anhand eines signifikanten Abfalls der erythrozytären Transketolase (ETK)-Aktivität im Vollblut ein Thiaminmangel nachgewiesen werden. Andererseits verbesserte die Gabe von Thiamin (200 mg tgl., i. v.) bei Patienten, die aufgrund einer Herzinsuffizienz mit dem Diuretikum Furosemid behandelt wurden, nicht nur die laborchemischen Marker eines Thiaminmangels, sondern auch die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) des Herzmuskels.

Thiamin hat eine zentrale Bedeutung für die energetische Verwertung von Kohlenhydraten im Rahmen des mitochondrialen Energiestoffwechsels. Allerdings besteht unter den B-Vitaminen vor allem für Thiamin aufgrund seiner geringen Speicherkapazität (25 – 30 mg) und hohen Umsatzrate das Risiko, in einen kritischen Bereich abzusinken. Ein latenter Thiaminmangel ist dementsprechend weit verbreitet [1].

Bis zu 50% der älteren Menschen in Industrienationen werden langfristig mit einem Diuretikum behandelt. Schon seit Langem ist bekannt, dass diese Diuretika-Therapie mit einem erhöhten Risiko für einen Thiaminmangel verbunden ist. Denn durch die erhöhte Harnausscheidung wird auch das wasserlösliche Vitamin vermehrt über den Urin ausgeschieden. Einer früheren Studie zufolge sind 33% aller Patienten mit Herzinsuffizienz von einem Thiaminmangel betroffen. Der Diuretika-induzierte Thiaminmangel kann eine Herzinsuffizienz verschlimmern (kardiale oder "nasse" Beriberi).

Thiamindepletion durch Diuretika

Mechanismus: Furosemid und andere Diuretika erhöhen signifikant die renale Thiaminausscheidung, denn aufgrund seiner niedrigen Molekularmasse ist die tubuläre Rückresorption des Thiamins gering. Die Kardiomyozyten nehmen entsprechend weniger Thiamin auf.

Folgen des Thiaminmangels: Abfall der ETK-Aktivität, Verschlechterung der Herzmuskelfunktion (Herzinsuffizienz, Kardiomyopathie), Begünstigung einer Lactatazidose.

Hinweis: Zur Unterstützung der Herzfunktion und Kompensation medikationsbedingter Verluste unter einer Therapie mit Diuretika sollten die Patienten neben Magnesium einen Vitamin-B-Komplex mit den Vitaminen B1, B6, B12 und Folsäure einnehmen (Folsäure vor allem bei Hydrochlorothiazid-Triamteren-Kombinationen!).

Zur oralen Kompensation eines Vitamin-B1 -Defizits eignet sich vor allem das lipidlösliche Thiamin-Prodrug Benfotiamin.

Diabetiker sind besonders gefährdet

Ein subklinischer Thiaminmangel ist ein unterschätztes Problem bei Patienten mit Herzinsuffizienz und Diabetes mellitus. Ein Thiaminmangel kann zu den als Beriberi bekannten Syndromen führen und sowohl Nervenstörungen ("trockene" Beriberi) als auch eine Herzinsuffizienz ("nasse" Beriberi) verursachen oder verschlimmern. Unter Umständen kann die Therapie der Herzinsuffizienz mit einem Diuretikum deshalb sogar das Therapieziel – die Stärkung des Herz-Kreislauf-Systems – konterkarieren.

Gefährdet sind vor allem Diabetiker, die häufig mit einem Diuretikum oder mit Kombinationspräparaten zur Blutdrucksenkung behandelt werden. Denn auch der Diabetes kann mit hohen renalen Thiaminverlusten und erniedrigten Thiaminspiegeln verbunden sein. Der Mangel belastet nicht nur das Herz-Kreislauf-System, sondern fördert auch eine diabetische Neuropathie, von der etwa jeder dritte Diabetiker betroffen ist. Das Risiko, eine Herzinsuffizienz zu entwickeln, ist bei Diabetikern mehr als doppelt so hoch wie bei Stoffwechselgesunden [2].

Supplementierung hilft

In älteren Studien an Patienten, die aufgrund einer Herzinsuffizienz mit Furosemid behandelt wurden, verbesserten Thiamingaben (200 mg tgl., i. v.) nicht nur die ETK-Aktivität, sondern auch die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) des Herzmuskels. Dass Herzkranke unter Diuretikatherapie von einer hochdosierten Thiamingabe profitieren, bestätigen jetzt erneut die Ergebnisse einer Studie von Andreas Schoenenberger, Bern, und Mitarbeitern [3]. Neun Patienten, die aufgrund einer chronischen Herzinsuffizienz (LVEF von weniger als 40%) mit einem Diuretikum behandelt wurden, erhielten zusätzlich entweder 300 mg Thiamin pro Tag oder ein Placebo. Nach 28 Tagen verbesserte sich in der Verumgruppe die LVEF signifikant gegenüber der Placebogruppe. Der absolute Therapieeffekt betrug 3,9%.


Quellen

[1] Gröber U. Arzneimittel und Mikronährstoffe. Medikationsorientierte Supplementierung. 2. Aufl. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2012.

[2] Katare RG, et al. Vitamin B1 analog benfotiamine prevents diabetes-induced diastolic dysfunction and heart failure through Akt/Pim-1-mediated survival pathway. Circ Heart Fail 2010;3:294 – 305.

[3] Schoenenberger AW, et al. Thiamine supplementation in symptomatic chronic heart failure: a randomized, double-blind, placebo-controlled, cross-over pilot study. Clin Res Cardiol 2011, November 5 (online first).


Autor
Uwe Gröber, Akademie & Zentrum für Mikronährstoffmedizin, Zweigertstraße 55, 45130 Essen www.mikronaehrstoff.de


Literaturtipp

Arzneimittel und Mikronährstoffe


Omeprazol beeinträchtigt die Vitamin B12-Resorption, Statine interferieren mit dem Coenzym-Q10-Status, Thiazid-Diuretika steigern den renalen Verlust an Magnesium und erhöhen dardurch das Risiko für Stoffwechselstörungen. Dies sind nur einige Beispiele, wie sich Nahrungsmittel, Mikronährstoffe und Arzneistoffe gegenseitig beeinflussen.

Die 2. Auflage dieses Buches wurde komplett überarbeitet und erweitert. Neu sind die Kapitel Antidementiva, Antidepressiva, Psychostimulanzien und Mitochondriale Toxizität von Arzneimitteln.

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Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2011

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DAZ 2012, Nr. 8, S. 86

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