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Arzneimittel und Therapie
Kombinieren statt steigern?
"Nach klinischer Erfahrung kann die Kombination aus zwei oder drei Wirkstoffen sinnvoll sein", berichtet Dr. Kai-Uwe Kern bei einem von Lilly veranstalteten Pressegespräch beim diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) in Mannheim. Allerdings sei der Erfolg dieser Strategie bislang nur in wenigen, sehr kleinen Studien belegt worden. Eine große randomisierte, doppelblinde Kombinationsstudie bei diabetischer Polyneuropathie wurde mit zwei Substanzen durchgeführt, die bei neuropathischen Schmerzen einen festen Platz in den Leitlinien haben: dem dualen Serotonin-/Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer Duloxetin und Pregabalin, das nozizeptive Neuronen über spannungsabhängige Calciumkanäle beeinflusst. Die COMBO-DN-Studie (Use of Duloxetine or Pregabaline in Monotherapy versus Combination Therapy of Both Drugs in Patients with Painful Diabetic Neuropathy) wurde jüngst beim Weltschmerzkongress in Mailand vorgestellt und bei der DGSS referiert. Zentrale Frage der Studie war: Ist eine Kombinationstherapie aus Duloxetin und Pregabalin in den jeweiligen Standarddosierungen (60 mg/Tag bzw. 300 mg/Tag) der Hochdosis-Monotherapie mit Duloxetin (120 mg/Tag) oder mit Pregabalin (600 mg/Tag) überlegen im Hinblick auf die Schmerzreduktion? Als sekundäre Studienziele wurden die initiale Schmerzreduktion, Responseraten und die Befindlichkeit der Patienten hinsichtlich Angst und Depression untersucht.
Stärkere initiale Schmerzlinderung unter Duloxetin
Randomisiert wurden 811 Erwachsene mit diabetischer Polyneuropathie, die in der ersten Studienphase die jeweilige Standarddosis von Duloxetin (60 mg/Tag) und Pregabalin (300 mg/Tag) erhielten.
Jene Patienten, die eine unzureichende Schmerzreduktion von weniger als 30% nach acht Wochen erfuhren, zählten als Nonresponder und wurden in der zweiten Studienphase einer intensivierten Therapie zugeführt: Entweder erhielten sie für weitere acht Wochen die Kombinationstherapie aus 60 mg/Tag Duloxetin und 300 mg/Tag Pregabalin (den jeweiligen Standarddosierungen) oder eine Hochdosis-Monotherapie mit 120 mg Duloxetin oder 600 mg Pregabalin.
Die Monotherapie mit Duloxetin führte in der ersten Studienphase zu einer signifikant stärkeren Schmerzreduktion als eine Monotherapie mit Pregabalin. Auch die Responderraten waren höher: Acht Wochen nach Therapiebeginn verzeichneten 52% der Duloxetin-Anwender eine Schmerzreduktion von mindestens 30% im Vergleich zu 37% in der Pregabalin-Gruppe. Bei 40% der Patienten unter Duloxetin und 28% unter Pregabalin wurde die Schmerzintensität halbiert.
Kombination nicht besser als Monotherapie
Beim Hauptendpunkt wurde bei den initialen Nonrespondern eine gepoolte Analyse der Kombinations- und der Monotherapien vorgenommen. Es ergab sich nach acht Wochen ein kleiner, nicht signifikanter Vorteil der Kombinationsbehandlung. Beim durchschnittlichen 24-Stunden-Schmerzscore (modifizierte Kurzform des Brief Pain Inventory BPI-MSF) ergaben sich für die Kombination -2,35 Zähler und für die Hochdosis-Monotherapie -2,16 Zähler (p = 0,37). Die meisten sekundären Endpunkte wie die Response-raten und eine Depressionsskala begünstigten konsistent die Kombinationstherapie.
Sicherheit und Verträglichkeit vergleichbar
Die Sicherheit war in allen Studienarmen und -phasen vergleichbar. Es traten keine Nebenwirkungen auf, die nicht aus früheren Studien mit den Einzelsubstanzen bekannt gewesen wären. Häufige unerwünschte Wirkungen in der initialen Studienphase waren Benommenheit (Duloxetin 7,2%, Pregabalin 15,1%), Schläfrigkeit (10% vs. 10,9%) und Übelkeit (14,2% vs. 6,5%).
Das Fazit der Studienautoren: Wenn auch beim Vergleich der Kombi- und hochdosierten Monotherapie kein signifikanter Unterschied bei der Analgesie gefunden wurde, so begünstigten doch die meisten der sekundären Endpunkte wie die Responseraten und psychometrische Skalen eher die Kombinationstherapie.
DPNP: Häufigste Ursache neuropathischer Schmerzen
Die schmerzhafte diabetische Polyneuropathie (DPNP) zählt zu den mikrovaskulären Folgeerkrankungen eines Diabetes mellitus. Schmerzen und Missempfindungen (Dysästhesien) in den distalen Gliedmaßen zählen zu den wichtigsten Symptomen. Sie können den Alltag und die Lebensqualität der betroffenen Patienten erheblich beeinträchtigen. Etwa jeder fünfte an Diabetes Erkrankte leidet auch an einer diabetischen Polyneuropathie, wenngleich sie häufig unerkannt und unbehandelt bleibt.
Die pharmakologische Therapie neuropathischer Schmerzsyndrome umfasst Antikonvulsiva mit Wirkung auf neuronale Kalziumkanäle (z. B. Pregabalin), trizyklische Antidepressiva und SNRI (Venlafaxin, Duloxetin), lang wirksame Opioide sowie – mit geringerer Evidenz – Antikonvulsiva mit Wirkung auf neuronale Natriumkanäle (z. B. Carbamazepin) und topische Therapien. Als realistische Therapieziele werden bei neuropathischen Schmerzen eine Schmerzreduktion um mindestens 30 bis 50% angestrebt, darüber hinaus eine Verbesserung von Schlaf und Lebensqualität sowie der Erhalt der sozialen Aktivität und der Arbeitsfähigkeit.
Apotheker Ralf Schlenger
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