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Arzneimittel und Therapie
Inhalationsarzneimittel sind erklärungsbedürftig
Basis für die Zulassung eines Arzneimittels ist der Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit in der klinischen Prüfung. Doch in der täglichen Praxis findet man längst nicht die ausgewählten, gut geschulten und hochmotivierten Patienten vor wie in den Phase-II- bzw. Phase-III-Studien, betonte Dr. Hartwig Schütte von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité Universitätsmedizin Berlin. Denn gerade viele Asthmatiker haben Angst vor der Therapie (insbesondere mit Corticosteroiden) und deren Nebenwirkungen. Sie wenden die verordneten Arzneimittel in der falschen Dosierung an, vergessen die Einnahme oder lassen sie absichtlich weg, um Arzneimittel "einzusparen". Zudem treten häufig Anwendungsfehler auf, vor allem, wenn Patienten mehr als einen Inhalator anwenden müssen, wenn sie älter sind oder Sprachbarrieren eine Rolle spielen. Der korrekten Anwendung und der Erhöhung der Adhärenz müsse daher unbedingt mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, betonte Schütte. Es sei jedoch nicht nur wichtig, den Patienten die richtige Inhalationstechnik zu vermitteln. Sie müssten auch ihre Krankheit verstehen lernen und sie annehmen – was vielen schwerfällt.
"Denken Sie nie, dass Patienten mit Arzneimitteln tun, was Sie denken, was Patienten mit Arzneimitteln tun." Prof. Dr. Martin Schulz |
Spacer sind hilfreich
Bei der Anwendung von Inhalationsarzneimitteln – insbesondere bei den Dosieraerosolen – werden noch zu viele Fehler gemacht, so auch die Erfahrung von Prof. Dr. Hartwig Steckel von der Abteilung Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie der Universität Kiel. Diese seit 1955 auf dem Markt befindlichen Darreichungsformen wurden eigentlich dafür entwickelt, den Wirkstoff rasch und mit geringer Nebenwirkungsrate an den Wirkort zu bringen. In der Realität erreichen jedoch nur zwischen 10 und 40% des Wirkstoffes die Lunge, der Rest wird bereits auf der Mund- und Rachenschleimhaut abgeschieden, verschluckt und gelangt dann in den systemischen Kreislauf. Um diesen Anteil zu minimieren, empfiehlt es sich, aus einem Dosieraerosol nicht ruckartig, sondern relativ langsam zu inhalieren. Nach der Inhalation ist es wichtig, den Mund auszuspülen oder etwas zu essen, um der Entstehung lokaler Candidosen vorzubeugen. Dem Nebenwirkungsproblem kann durch Verwendung eines Spacers begegnet werden, erläuterte Steckel. Größere Tröpfchen des Aerosols scheiden sich dann größtenteils im Spacer und weniger im Mund ab. Auch für Patienten, die Probleme mit der Koordination von Auslösen und Einatmen haben, ist der Spacer hilfreich. Zusätzliche Probleme sieht Steckel durch die Rabattverträge. "Wer gut auf ein Dosieraerosol eingestellt ist, sollte nicht grundlos umgestellt werden", so seine Meinung, die sich auch mit der DPhG-Leitlinie "Gute Substitutionspraxis" deckt. Darin werden Dosieraerosole als Darreichungsformen aufgeführt, bei denen eine Substitution kritisch sein kann, ebenso wie die Gruppe der Antiasthmatika generell. Im Gegensatz zu den Dosieraerosolen kommt es bei Pulverinhalatoren auf eine tiefe und kräftige Einatmung an, um das Pulver zu deagglomerieren (siehe Kasten). Die dritte große Gruppe der Inhalationsdevices, die Vernebler, kommen vor allem in der Pädiatrie und in Kliniken zum Einsatz. Auch hier kann ein Wechsel des Geräts zu Problemen führen, denn die mittels Druckluft, Ultraschall oder einer schwingenden Membran vernebelte Menge des Medikaments kann von Gerät zu Gerät variieren.
Good Inhalation PracticeDie Hinweise sind gültig für die meisten Trockenpulver-Inhalationssysteme.
modifiziert nach Prof. Dr. Hartwig Steckel |
Fehler systematisch untersucht
Prof. Dr. Martin Schulz, Geschäftsführer des Bereichs Arzneimittel der ABDA, stellte Ergebnisse von Studien vor, in denen Anwendungsfehler systematisch untersucht wurden. So waren beispielsweise in der Hamburger Asthmastudie, der ersten kontrollierten Untersuchung zur pharmazeutischen Betreuung von Asthmapatienten in Deutschland, nur 21% der Patienten in der Lage, das Device korrekt anzuwenden. Auch beim Behandlungswissen der Patienten zeigten sich große Lücken: So waren 41% der Befragten der Meinung, dass es sich bei Corticosteroiden um Notfallmedikamente handelt, 60% gaben an, diese Wirkstoffe würden die Atemwege erweitern.
Gemeinsame Betreuung durch Arzt und Apotheker
Arzt und Apotheker müssten sich gemeinsam darum bemühen, dass Asthmapatienten die verordneten Präparate korrekt anwenden, betonte Schulz. Daher sei es sehr begrüßenswert, dass in der nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) Asthma die Kooperation von Arzt und Apotheker explizit festgeschrieben ist. In dieser Leitlinie wurde auch der Tatsache Rechnung getragen, dass eine einmalige Erklärung zur Funktionsweise des Inhalationssystems häufig nicht ausreicht. Selbst wenn ein Patient zu Beginn richtig inhaliert, können später Fehler auftreten. Daher ist eine kontinuierliche Betreuung notwendig ist (siehe Kasten).
Auszüge aus der Nationalen Versorgungsleitlinie AsthmaÄrzte und Apotheker können durch eine gemeinsame, unterstützende Betreuung von Patienten auf eine effektive und sichere Anwendung von inhalativen Arzneimitteln hinwirken. Apotheker können unter anderem durch Überprüfung und Korrektur der Anwendung von Inhalationssystemen zu einer leitliniengerechten Inhalationstechnik und einer Steigerung der Therapietreue (Adhärenz) beitragen. Die korrekte Arzneimittelanwendung sowie Inhalationstechnik des Patienten sollen regelmäßig durch den Arzt und gegebenenfalls zusätzlich durch einen entsprechend qualifizierten Apotheker überprüft werden. Bei Patienten, die ihr Inhalationssystem fehlerfrei anwenden, sollte die Überprüfung mindestens einmal jährlich vorgenommen werden. Patienten, die Fehler bei der Anwendung machen, sollten durch den Arzt und gegebenenfalls zusätzlich durch den Apotheker angeleitet werden. Der Erfolg der Intervention ist von diesem zeitnah (innerhalb von vier Wochen) zu überprüfen. Quelle: Nationale Versorgungsleitlinie Asthma, 2. Auflage, Stand Juli 2011. |
Betreuung führt tatsächlich zum Erfolg
Dass die Betreuung von Asthmapatienten in der Apotheke tatsächlich zu positiven Ergebnissen führt, konnte in einigen Studien gezeigt werden, berichtete Schulz. So habe beispielsweise die VITA-Studie (Verbesserung der Inhalationstechnik von Menschen mit Asthma und COPD in Apotheken) der ABDA belegt, dass eine einmalige Beratung in der Apotheke den Anteil der Patienten, die bei der Anwendung eines Inhalationsarzneimittels Fehler machen, um 65% reduzieren kann. In der Studie war die Inhalationstechnik von 750 erwachsenen Patienten in 55 Apotheken untersucht worden. Die Patienten wurden gebeten, dem Apotheker eine Inhalation vorzuführen, anschließend informierte er sie in einem einmaligen Beratungsgespräch über die individuellen Fehler. Nach vier Wochen demonstrierten die Patienten erneut eine Inhalation. Vor dem Beratungsgespräch war bei 79% der Patienten die Inhalation nicht korrekt, nach der Beratung lag die Fehlerquote nur noch bei 28%. Die Patienten machten vor der Beratung durchschnittlich 2,5, danach nur noch 0,5 Fehler.
Neue Wege gehen
Schulz verwies auf die ABDA-Homepage, wo unter anderem auch Praxishilfen für die Beratung von Asthmapatienten wie beispielsweise die Standardarbeitsanweisung (SOP) "Patientenberatung zur korrekten Anwendung inhalativer Arzneimittel" zu finden ist. Der Zusammenarbeit mit den Ärzten wird große Bedeutung beigemessen. So wurden beispielsweise die Inhalte der Zertifikatsfortbildung "Pharmazeutische Betreuung von Asthma-Patienten" der Bundesapothekerkammer in Abstimmung mit den Ärzten vereinheitlicht. Wie Schulz berichtete, sucht die ABDA zurzeit nach neuen Wegen, um z. B. in enger Zusammenarbeit mit den Krankenkassen die Versorgungsqualität von Patienten mit Asthma sowie auch COPD zu verbessern.
Apothekerin Dr. Claudia Bruhn
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