- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 46/2012
- Basensupplemente für ...
Ernährung aktuell
Basensupplemente für starke Knochen?
Im Zuge der Metabolisierung fällt bei einer üblichen westlichen Ernährung ein täglicher Säureüberschuss von 50 bis 100 Milliäquivalenten (mEq) an, der über die Nieren eliminiert werden muss [15; 14]. Ursachen hierfür sind [17; 19]:
Der hohe Konsum von Eiweißträgern wie Wurst- und Fleischwaren sowie Getreideprodukten liefert reichlich Methionin und Cystein. Beide Aminosäuren bilden bei ihrem Abbau in der Leber Schwefelsäure.
Stark verarbeitete Produkte wie Schmelzkäse sowie Fleisch- und Wurstwaren enthalten phosphorhaltige Verbindungen, die im Zuge der Verdauung Phosphorsäure bereitstellen, die in den Organismus gelangt. Auch Cola-Getränke enthalten Phosphorsäure und tragen zur Säurelast des Organismus bei.
Der vergleichsweise geringe Verzehr von Obst und Gemüse bedingt eine niedrige Zufuhr an organischen Salzen (z. B. Kalium- und Calciumcitrat sowie Magnesiummalat), die im Organismus als Basenäquivalente fungieren.
Der Säureüberschuss der westlichen Kost ist also Ausdruck eines Zuviel an potenziell säureüberschüssigen und eines Zuwenig an basisch wirkenden Lebensmitteln. Als Maß für den Einfluss eines Lebensmittels auf den Säure-Basen-Haushalt dient der sog. PRAL-Index (Potential Renal Acid Load). Vereinfacht gilt: Je mehr Methionin und Cystein und je weniger organische Salze ein Lebensmittel enthält, desto höher sein PRAL-Wert, d. h. sein säuernder Charakter (siehe Tabelle).
Tabelle: Potenzielle renale Säurelast (PRAL) ausgewählter Lebensmittel in Abhängigkeit von ihrem Gehalt an schwefelhaltigen Aminosäuren [8; 16]. | |||
Lebensmittel |
Methionin (mg/100 g) |
Cystein (mg/100 g) |
PRAL (mEq) |
Emmentaler (45% i. Tr.) |
0,6 – 1,0 |
0,2 – 0,35 |
21,1 |
Rindfleisch, mager |
0,7 |
0,35 |
7,8 |
Lachs |
0,8 |
0,24 |
9,7 |
Hühnerfleisch |
0,5 |
0,28 |
8,7 |
Erdnüsse |
0,32 |
0,36 |
8,3 |
Vollkornbrot |
0,15 |
0,24 |
5,3 |
Weißbrot |
0,14 |
0,22 |
1,8 |
Vollmilch |
0,094 |
0,031 |
0,7 |
Reis (gekocht) |
0,048 |
0,037 |
1,7 |
Erbsen |
0,048 |
0,056 |
1,2 |
Kartoffeln |
0,023 |
0,018 |
– 4,0 |
Zwiebel |
0,02 |
0,0 |
– 1,5 |
Orangen |
0,012 |
0,01 |
– 2,7 |
Karotten |
0,07 |
0,07 |
– 4,9 |
Äpfel |
0,02 |
0,03 |
– 2,2 |
Trotz des "sauren" Charakters der üblichen Ernährung bleiben starke Schwankungen des Blut-pH-Wertes aus. Ursache hierfür ist die Fähigkeit der Nieren, sehr hohe Mengen an Protonen (bis zu 1000 mmol/Tag) auszuscheiden; eine nahrungsinduzierte klinisch-manifeste Azidose (Blut-pH < 7,35; Azidämie) ist bei Gesunden somit ausgeschlossen. Allerdings nimmt die Fähigkeit der Nieren zur Säureausscheidung mit fortschreitendem Alter ab [3; 7]. Unter westlichen Ernährungsbedingungen entwickelt sich so eine chronische, geringfügige Azidose ("latente Azidose"). Dabei liegt der pH-Wert des Blutes im (unteren) Normbereich, während die Pufferkapazität des Blutes vermindert ist [11].
Der chronische Säureüberschuss induziert eine Reihe von Kompensationsmechanismen. Sie betreffen vor allem den Calcium- und Knochenstoffwechsel [2; 4; 20]:
Lokale, physiko-chemische Freisetzung von Calcium und anderen Mineralstoffen aus der Knochenmatrix.
Abgabe von Carbonat (CO32-) und anderen organischen Anionen aus der Knochenmatrix zur Pufferung.
Osteoklasten-vermittelte Aktivierung der Knochenresorption.
Hemmung der Osteoblastenaktivität und damit verminderte Knochenbildung.
Mögliche Dysfunktionen im Hormonhaushalt wie z. B. Anstieg der Cortisolwerte. Damit indirekte Hemmung der Osteoblastenaktivität.
Insgesamt ist die chronisch erhöhte Säurelast der Nahrung mit einer erhöhten Calciumausscheidung [6] und einer verminderten Knochendichte assoziiert. Langfristig steigt so das Risiko für Osteoporose [Übersicht bei 12; 20].
Effekte auf den Calcium- und Knochenstoffwechsel
Vor diesem Hintergrund hat ein Team um Deborah Sellmeyer von der Universität San Franzisko untersucht, ob sich der Calcium- und Knochenstoffwechsel durch Basensupplemente längerfristig positiv beeinflussen lässt. Einbezogen in die randomisierte, placebokontrollierte Studie wurden 52 gesunde Frauen und Männer im Alter von > 55 (65 ± 6,6) Jahren. Nach einer zweiwöchigen Eingewöhnungsphase mit einem basischen Calciumsalz (630 mg elementares Calcium in Form von Calciumcitrat) und einem Vitamin-D3-Präparat (10 µg/Tag) wurden die Teilnehmer in drei Gruppen eingeteilt. Gruppe 1 erhielt ein Placebo (n = 18), die beiden Verumgruppen (jeweils n = 17) ein Kaliumcitrat-Präparat in unterschiedlicher Dosierung (Gruppe 2: 60 mmol Kaliumcitrat/Tag; Gruppe 3: 90 mmol Kaliumcitrat/Tag). Vor der eigentlichen sechsmonatigen Interventionsphase erfolgte bei allen Teilnehmern eine Basisuntersuchung. Erfasst wurden u. a. wichtige Funktionsmarker des Calcium- und Knochenstoffwechsels. Dazu zählten die Calcium- und Säureausscheidungen mit dem Urin, der Calcidiol- und PTH-Spiegel und die Knochenumsatzmarker C-Telopeptid (Marker der Knochenresorption) und knochenspezifische alkalische Phosphatase (beides Indikatoren für Knochenresorption). Um auch Effekte auf die Calciumbilanz zu untersuchen, wurde zusätzlich die Calciumabsorption mittels Isotopentechnik erfasst [11].
Die Kernergebnisse der Studie lassen sich wie folgt zusammenfassen [11]:
Säureausscheidung: Unter der Gabe des basischen Mineralsalzes wurde der Säureüberschuss nicht nur neutralisiert; vielmehr konnte eine Alkalisierung des Urins erreicht werden.
Calciumstoffwechsel: Die Gabe von Kaliumcitrat bewirkte eine deutliche Senkung der Calciumverluste mit dem Urin, wobei die Effekte in der Gruppe mit der höheren Basenzufuhr ausgeprägter waren als in der Gruppe mit der geringeren Basenaufnahme. Die Absorptionsrate von Calcium änderte sich indes nicht. Insgesamt resultierte aus der Basengabe eine positive Calciumbilanz (siehe Abbildung).
-
Knochenumsatz: Die Intervention verbesserte den Knochenumsatz in Richtung "Anabolismus". Ausdruck hierfür ist die signifikante Senkung des Knochenresorptionsmarkers C-Telopeptid in beiden Calcium-Citratgruppen, während die Konzentration der knochenspezifischen alkalischen Phosphatase unverändert blieb. Auch kam es unter der Basengabe zu einer Absenkung des PTH-Spiegels – ein Effekt, der mit Blick auf die Knochengesundheit ebenfalls positiv zu werten ist.
Fazit
Eine Vielzahl von experimentellen und epidemiologischen Untersuchungen unterstreicht die negativen Effekte einer langfristigen säureüberschüssigen Nahrung auf den Knochenstoffwechsel [1; 2; 4; 20]. Dies gilt insbesondere im höheren Alter, da hier die renale Ausscheidungskapazität für Säuren vermindert ist [3; 7]. Mit der nun vorliegenden Interventionsstudie wurde erstmalig der Beleg erbracht, dass die längerfristige Gabe eines alkalisierenden Mineralsalzes den Calcium- und Knochenstoffwechsel günstig beeinflusst.
Die Ergebnisse decken sich mit den Befunden früherer Kurzzeituntersuchungen, die unter Basengabe eine verminderte Knochenresorption und eine verbesserte Calciumbilanz nachweisen konnten [18; 5; 9 – 10]. Nun müssen weitere Untersuchungen zeigen, inwieweit es effizient und sinnvoll ist, Basensupplemente zur Prävention und adjuvanten Therapie der Osteoporose einzusetzen, insbesondere bei Risikogruppen [11].
Literatur
[1] Adeva MM, Souto G. Diet-induced metabolic acidosis. Clin Nutr. 2011;30:416-21.
[2] Arnett TR. Extracellular pH regulates bone cell function. J Nutr. 2008;138:415S-8S.
[3] Berkemeyer S, Vormann J, Günther AL, Rylander R, Frassetto LA, Remer T. Renal net acid excretion capacity is comparable in prepubescence, adolescence, and young adulthood but falls with aging. J Am Geriatr Soc. 2008;56:1442-8.
[4] Bushinsky DA. Acid-base imbalance and the skeleton. Eur J Nutr. 2001;40:238-44.
[5] Dawson-Hughes B, Harris SS, Palermo NJ, Castaneda-Sceppa C, Rasmussen HM, Dallal GE. Treatment with potassium bicarbonate lowers calcium excretion and bone resorption in older men and women. J Clin Endocrinol Metab. 2009;94:96-102.
[6] Fenton TR, Eliasziw M, Lyon AW, Tough SC, Hanley DA. Meta-analysis of the quantity of calcium excretion associated with the net acid excretion of the modern diet under the acid-ash diet hypothesis. Am J Clin Nutr. 2008;88:1159-66.
[7] Frassetto LA, Morris RC Jr, Sebastian A. Effect of age on blood acid-base composition in adult humans: role of age-related renal functional decline. Am J Physiol. 1996 Dec;271(6 Pt 2):F1114-22.
[8] Ginty F. Dietary protein and bone health. Proc Nutr Soc. 2003;62:867-76.
[9] Lemann J Jr, Gray RW, Pleuss JA. Potassium bicarbonate, but not sodium bicarbonate, reduces urinary calcium excretion and improves calcium balance in healthy men. Kidney Int. 1989;35:688-95.
[10] Marangella M, Di Stefano M, Casalis S, Berutti S, D'Amelio P, Isaia GC. Effects of potassium citrate supplementation on bone metabolism. Calcif Tissue Int. 2004;74:330-5.
[11] Moseley K, Weaver C, Appel L, Sebastian A, Sellmeyer DE. Potassium citrate supplementation results in sustained improvement in calcium balance in older men and women. J Bone Miner Res. 2012 Sep 18. doi: 10.1002/jbmr.1764. [Epub ahead of print]
[12] Pizzorno J, Frassetto LA, Katzinger J. Diet-induced acidosis: is it real and clinically relevant? Br J Nutr. 2010;103:1185-94.
[13] Rehner G, Daniel H. Biochemie der Ernährung. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg/Berlin, 1999.
[14] Remer T, Berkemeyer S, Rylander R, Vormann J. Muscularity and adiposity in addition to net acid excretion as predictors of 24-h urinary pH in young adults and elderly. Eur J Clin Nutr. 2007;61(5):605-9.
[15] Remer T, Manz F. Estimation of the renal net acid excretion by adults consuming diets containing variable amounts of protein. Am J Clin Nutr. 1994;59:1356-61
[16] Remer T, Manz F. Potential renal acid load of foods and its influence on urine pH. J Am Diet Assoc. 1995;95:791-7.
[17] Remer T. Influence of nutrition on acid-base balance - metabolic aspects. Eur J Nutr. 2001; 40:214-20.
[18] Sebastian A, Morris RC Jr. Improved mineral balance and skeletal metabolism in postmenopausal women treated with potassium bicarbonate. N Engl J Med. 1994;331:279.
[19] Siener R. Einfluss der Ernährung auf den Säure-Basen-Haushalt. Ernähr Umsch. 2006; 53:168-173.
[20] Wynn E, Krieg MA, Lanham-New SA, Burckhardt P. Postgraduate Symposium: Positive influence of nutritional alkalinity on bone health. Proc Nutr Soc. 2010;69:166-73.
Autor
Dr. Alexander Ströhle
Am Landwehrgraben 8
30519 Hannover
E-Mail:
stroehle@nutrition.uni-hannover.de
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.