DAZ aktuell

Zwei von drei mit Zusatznutzen

Beim Gemeinsamen Bundesausschuss ist man mit der frühen Nutzenbewertung zufrieden

BERLIN (ks). Der seit Juli amtierende unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Josef Hecken, sieht keinen Grund am Verfahren der frühen Nutzenbewertung gesetzlich nachzubessern. Er zieht nach 20 Monaten Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz vielmehr eine positive Zwischenbilanz: Immerhin 16 von 25 Präparaten, die das Verfahren der frühen Nutzenbewertung vollständig durchlaufen haben, bekamen einen Zusatznutzen bescheinigt.
Positive Zwischenbilanz Der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken ist mit den Resultaten der frühen Nutzenbewertungzufrieden.  Foto: Imago

Auch wenn man mittlerweile einige Monate Erfahrungen sammeln konnte – die frühe Nutzenbewertung befindet sich noch immer in einem Stadium, in dem alle Beteiligten dazulernen. Einige Verfahren haben für Wirbel gesorgt, etwa weil in ihrem Zuge Präparate vom Markt genommen (Trobalt®) bzw. gar nicht erst eingeführt (Trajenta®) wurden. Hier war es insbesondere die Auswahl der Vergleichstherapie, die den Herstellern nicht geschmeckt hatte. Für die Industrie gab es also immer wieder Gelegenheit, an dem sich neu etablierenden Verfahren Kritik zu üben.

Hecken zeigt hierfür ein gewisses Verständnis: "Pharmazeutische Unternehmen haben ein legitimes ökonomisches Interesse, möglichst hochpreisige Präparate auf den Markt zu bringen und damit entsprechende Umsätze zu generieren." Auch wenn er die Kritik am Verfahren nachvollziehen könne – in der Sache teile er sie ausdrücklich nicht, betont Hecken. Vorwürfe, die Bewertungen des G-BA verzögerten oder verhinderten in Deutschland die Versorgung von Patienten mit innovativen Präparaten, weist er als "haltlos" zurück. "Die Zahlen der bisherigen Bewertungspraxis widerlegen diese Behauptung ganz eindeutig. Sinn und Zweck der frühen Nutzenbewertung ist es nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers, echte Innovationen von Scheininnovationen systematisch zu trennen und bei tatsächlichen Neuerungen dafür zu sorgen, dass anschließend eine faire und für alle Seiten vertretbare Preisbildung erfolgt", so der G-BA-Vorsitzende.

Hecken ist überzeugt, dass das nun durchgeführte Verfahren "transparent, rechtssicher und im Ablauf für alle Beteiligten berechenbar" ist. Die Entscheidungen erfolgten nach klaren und evidenzbasierten Kriterien. Bei der Bestimmung der Vergleichstherapie stehe der patientenrelevante Zusatznutzen im Mittelpunkt. Gesetzgeberischen Nachbesserungsbedarf kann er daher nicht erkennen.

25 abgeschlossene Verfahren

Bislang wurden 25 Verfahren der frühen Nutzenbewertung fristgerecht abgeschlossen. Bei 64 Prozent der Wirkstoffe (16 Präparate) erkannte der G-BA einen positiven Zusatznutzen – wenn auch in unterschiedlich starkem Ausmaß. So ließ sich der Zusatznutzen bei drei Bewertungen zwar nicht quantifizieren, war aber dennoch positiv. Immerhin bei vier Präparaten (16 Prozent) wurde er als "beträchtlich" eingestuft. Die höchste Stufe eines "erheblichen" Zusatznutzens erreichte allerdings noch keine Substanz. Bei drei Präparaten konnte kein patientenrelevanter Zusatznutzen festgestellt werden. Zwei davon wurden direkt einer Festbetragsgruppe zugeordnet. In sechs Verfahren befand der G-BA die seitens der Unternehmen eingereichten Nachweise für unvollständig. Mit dieser Bilanz, so Hecken, liege das deutsche Verfahren insgesamt deutlich im positiven Bereich. Es entspreche im europäischen und internationalen Vergleich den Ergebnissen von Arzneimittel-Bewertungen in Frankreich, Großbritannien, Kanada oder Australien. "Der G-BA leistet mit der Bewertung von Arzneimitteln einen unverzichtbaren Beitrag, die knappen Beitragsgelder der Solidargemeinschaft sinnvoll einzusetzen", sagte Hecken.

Derzeit befinden sich sieben weitere Wirkstoffe im Verfahren der frühen Nutzenbewertung. Beim G-BA setzt man darauf, dass die Zusammenarbeit mit der Industrie künftig noch besser läuft. Dazu sei ein fortlaufender Erfahrungsaustausch zu spezifischen, fachlichen Fragestellungen etabliert worden, der großen Zuspruch erfahre. Auch das gesetzlich vorgesehene Beratungsangebot werde mittlerweile häufiger in Anspruch genommen als zu Beginn. Bis jetzt gab es laut G-BA 87 Anfragen für eine Beratung vor Einreichung eines Dossiers. Im Jahr 2011 waren es insgesamt 42. In diesem Jahr verzeichnete der G-BA bis Mitte August bereits 45 Beratungsanforderungen.



DAZ 2012, Nr. 36, S. 33

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