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- DAZ 26/2012
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Arzneimittel und Therapie
FimH-Inhibitor verhindert Andocken von Erregern
Während bei jüngeren Männern Harnwegsinfekte relativ selten sind, liegt die Inzidenz der Neuerkrankungen pro Jahr bei Frauen im jüngeren Alter bei etwa 5%. Sie steigt im Alter weiter an, und auch das Erkrankungsrisiko für Männer gleicht sich bei zunehmendem Lebensalter dem der Frauen an. Der Anteil der im Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt erworbenen nosokomialen Harnwegsinfektionen liegt bei etwa 40%. Rund 70% der Erkrankungen sind auf eine Infektion mit Escherichia coli, einem Gramnegativen, stäbchenförmigen Bakterium der Darmflora, zurückzuführen. Daneben können auch andere Enterobakterien wie Klebsiella- oder Proteus-Arten, aber auch Staphylokokken und Enterokokken Ursache der Infektion sein.
Neuer FimH-Inhibitor wirksam wie Ciprofloxacin
Eine Antibiotikatherapie von Harnwegsinfektionen ist durchaus sehr effektiv. Die zur Verfügung stehenden Fluorchinolon-Antibiotika der ersten Wahl Ciprofloxacin und Levofloxacin, aber auch andere Antibiotika wie Mecillinam und Nitrofurantoin zeigen eine gute Wirksamkeit bei vergleichsweise geringer Schädigung der körpereigenen Darmflora, und schwere Nebenwirkungen treten nur selten auf. Eine eingeschränkte Indikation, z. B. bei Schwangerschaft, und auch Hinweise auf eine längerfristige Resistenzentwicklung zeigen jedoch die Problematik einer Antibiotika-Therapie auf.
Wissenschaftler der Universität Basel haben jetzt eine neue Klasse von antimikrobiellen Wirkstoffen untersucht, die das Andocken der Infektionserreger an Zellen des Blasenepithels im Harntrakt verhindert. Dieser erste Schritt bei der Entstehung von Harnwegsinfekten wird durch das Adhäsin FimH vermittelt, ein Molekül auf der Bakterienoberfläche, das an Mannose bindet. FimH ist dafür verantwortlich, dass uropathogene Gram-negative Escherichia-coli-Bakterien an den Blasenepithelzellen adhärieren, in die Zellen penetrieren und dort Kolonien bilden, die sich dann später zum Biofilm organisieren. Blockiert man diese Mannose-spezifische Bindungsstelle mit kleinen Molekülen oder Antikörpern, so ist eine Infektion mit uropathogenen Escherichia-coli- Bakterien nicht möglich. Der potenteste dieser neuen Wirkstoffe, ein Indolinylphenyl-Mannosid, reduzierte im Mausmodell die Zahl der koloniebildenden Escherichia-coli-Bakterien in der Blase fast um den Faktor 10.000. Damit entspricht die Hemmwirkung etwa der von Ciprofloxacin.
Über die Effektivität von häufig verwendeten pflanzlichen Präparaten, Tees und Cranberry-Produkten zur Prophylaxe und Therapie von Harnwegsinfekten liegen keine hinreichenden Studien vor. Allerdings war bereits früher die Wirksamkeit von Cranberry-Präparaten durch eine Verminderung der Adhäsion von E.-coli-Bakterien an den Harnwegsoberflächen sowie eine Reduktion des Auftretens von Symptomen einer Harnwegsinfektion nachgewiesen worden. Derzeit sind Harnwegsinfekte der zweithäufigste Grund für eine Verschreibung von Antibiotika in der Hausarztpraxis. Eine antimikrobielle Therapie mit FimH-Inhibitoren könnte – so die Schweizer Autoren – langfristig eine Alternative zur Behandlung von Harnwegsinfekten mit Antibiotika darstellen.
Quelle
Dr. Hans-Peter Hanssen
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