Arzneimittel und Therapie

Statintherapie: Cholesterinsenker als Energiesauger

Geringe Dosen führen zu Ermüdung und Energieverlust

Über Müdigkeit oder Abgeschlagenheit hatten Patienten, die eine Therapie mit Statinen erhielten, bereits früher geklagt. US-amerikanische Wissenschaftler haben jetzt in einer placebo-kontrollierten Studie untersucht, wie häufig dieser Effekt unter körperlicher Belastung und bei welcher Dosierung auftreten kann. Da Patienten bereits unter relativ niedrigen Dosen der Cholesterinsenker bei körperlicher Belastung sehr häufig schnell ermüdeten, halten sie es für notwendig, diese Nebenwirkung bei der Verordnung zu bedenken. Dies gelte ganz besonders für die Anwendung zur Primärprävention.
Foto Klaus Eppele – Fotolia.com
Ermüdung bei körperlicher Aktivität und Energieverlust können die Nebenwirkungeiner Statintherapie sein, wobei selbst geringe Dosen schnell müde machen. Der Effektist unter Simvastatin offensichtlich etwas stärker als unter Pravastatin.

Der Einsatz von Statinen (HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren) bleibt auch weiterhin in der Diskussion. Die Autoren des 2011 erschienenen Cochrane Reviews hatten den Nutzen eines frühzeitigen Statineinsatzes trotz positiver Wirkungen auf Gesamtmortalität, kardiovaskuläre Ereignisse und Revaskularisierungsraten bezweifelt und zu einem zurückhaltenden Einsatz geraten. Eine Metaanalyse des internationalen Wissenschaftlerteams CTT (Cholesterol Treatment Trialists) kam dann vor Kurzem zu völlig anderen Ergebnissen. Danach sei auch ohne kardiovaskuläres Vorereignis wie einen Herzinfarkt eine Medikation mit Statinen für "eigentlich Gesunde" sinnvoll. Zu mehr Zurückhaltung gerade bei der Primärprävention raten jetzt die Autoren einer US-Studie, die den Zusammenhang zwischen einer Statintherapie und Fatigue untersuchten.

Frauen von der unerwünschten Wirkung besonders betroffen

An der randomisierten und kontrollierten kalifornischen Studie hatten 1000 Probanden teilgenommen, die über 20 Jahre alt waren und für die keine Herzerkrankungen bekannt waren; Diabetiker nahmen nicht an der Studie teil. Die Ausgangswerte für LDL-Cholesterin der Teilnehmer lagen zwischen 115 und 190 mg/dl. Sie erhielten anschließend über sechs Monate entweder Pravastatin oder Simvastatin in äquivalenten Dosierungen von 40 bzw. 20 mg oder Placebo als optisch identische Kapseln.

Die Wissenschaftler befragten die Probanden während der Applikation nach Müdigkeit und subjektivem Energieverlust. Teilnehmer, die Pravastatin oder Simvastatin erhalten hatten, klagten besonders oft über Ermüdung bei körperlicher Aktivität, einen subjektiven Energieverlust oder sogar beide Nebenwirkungen, wobei der Effekt unter Simvastatin offensichtlich etwas stärker war als unter Pravastatin. Simvastatin führte allerdings auch zu einer stärkeren Senkung der LDL-Cholesterin-Werte. Die Nebenwirkungen der Statine waren dabei generell dosisabhängig.

Besonders deutlich war die Nebenwirkung bei den Teilnehmerinnen. Bei vier von zehn Frauen, die Simvastatin erhalten hatten, kam es zu einer Ermüdung unter Belastung oder zu einer Energieeinbuße. 20% der Frauen bewerteten beide Parameter als verschlechtert oder zumindest einer sei "viel schlechter" geworden. Jede zehnte Frau bewertete sowohl ihre Energie als auch ihre Ermüdbarkeit seit Beginn der Simvastatin-Einnahme als "viel schlechter" als vor der Medikation.

Da die Dosierungen in ihrer Studie nach gegenwärtigem Standard relativ niedrig gewesen seien, sollten die unerwünschten Wirkungen bei der Verordnung berücksichtigt werden, so die Autoren, die eine Energiedämpfung als Verlust an Lebensqualität bewerten und eine grundsätzliche Primärprävention infrage stellen.


Quelle

Golomb, B.A.; et al.: Effects of Statins on Energy and Fatigue With Exertion: Results From a Randomized Controlled Trial. Arch. Intern. Med. 2012; doi:10.1001/archinternmed. 2012.2171 vom 11. Juni 2012.

Cholesterol Treatment Trialists‘ (CTT) Collaborators: The effects of lowering LDL cholesterol with statin therapy in people at low risk of vascular disease: meta-analysis of individual data from 27 randomised trials. Lancet 2012, DOI:10.1016/S0140-6736(12)60367-5, Vorabveröffentlichung vom 17. Mai 2012.


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2012, Nr. 25, S. 40

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.