DAZ aktuell

Schmerzliga: Koalition lässt Patienten im Stich

Petition zum Austausch von BtM-Schmerzmitteln will mehr als Schwarz-Gelb anbietet

BERLIN (ks). Die Deutsche Schmerzliga traut der Selbstverwaltung von Krankenkassen und Apothekern nicht: Sie hält nichts von den Plänen der Regierungskoalition, es dem Deutschen Apothekerverband (DAV) und dem GKV-Spitzenverband zu überlassen, die Substitution starker Schmerzmittel über den Rahmenvertrag zur Arzneimittelversorgung auszuschließen. Die Patientenorganisation fordert vielmehr einen klaren gesetzlichen Ausschluss – nur so könne den rund eine Million betroffenen Patienten wirklich geholfen werden.
Foto DAZSket
Schmerzberatung Jede Umstellung eines Opioids kommt einer Neueinstellunggleich. Trotz gleichen Wirkstoffs kann das Freisetzungsverhalten variieren.

Kürzlich konnte die Deutsche Schmerzliga einen Erfolg für sich verbuchen: Der Petitionsausschuss des Bundestages beschloss einstimmig, Schmerzmittel, die der Betäubungsmittelverordnung unterliegen, von der Substitutionspflicht zu befreien. Dem ging eine entsprechende Petition der Schmerzliga voraus. Sie wurde dem Bundesgesundheitsministerium überwiesen und den Fraktionen zur Kenntnis gegeben.

Die Regierungsfraktionen wurden daraufhin auch tätig: Mittlerweile liegt ein Änderungsantrag zur AMG-Novelle vor, demzufolge der DAV und der GKV-Spitzenverband zukünftig im Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V Ausnahmen von der Substitutionspflicht regeln können. Doch nach Auffassung der Schmerzliga reicht diese "Kann-Vorschrift" nicht – sie befürchtet, dass so alles beim Alten bleibt. Schon jetzt könnte die Selbstverwaltung einen Austausch unterbinden, betonte letzte Woche der Präsident der Schmerzliga, Dr. Michael Überall, bei einer Pressekonferenz in Berlin. Doch dies sei nicht geschehen. Es sei nicht richtig, dass sich das Ministerium zurückziehe und der Selbstverwaltung den "Schwarzen Peter" zuschiebe, so Überall. Aus seiner Sicht muss die Politik Fakten schaffen und die der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung unterliegenden stark wirksamen Opioid-Analgetika komplett von der automatischen Austauschpflicht ausschließen. "Das ist alternativlos", so Überall.

Aut-idem-Kreuz keine Lösung

Dr. Gerhard Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie, zeigte auf, warum der Austausch bei dieser speziellen Gruppe von Arzneimitteln so problematisch ist: Jede Umstellung eines Opioids komme einer Neueinstellung gleich – und diese könne sich bei Schmerzpatienten oft über Wochen hinziehen. Auch wenn Wirkstoff und Dosierung identisch seien, variiere häufig das Freisetzungsverhalten der Präparate. Die Folge seien unterschiedliche Wirkprofile, eine kürzere oder längere Wirkdauer sowie Über- oder Unterdosierungen. Eine Befragung von Schmerzpatienten habe ergeben, dass 84 Prozent nach einem Austausch "ihres" Opioid-Analgetikum gegen ein Rabattarzneimittel über eine Schmerzzunahme klagten. Dieser Austausch sei aber nicht nur für den Patienten schlecht – auch wirtschaftlich sei die Umstellung auf Rabattarzneimittel unsinnig, so Müller-Schwefe. Patienten würden angebrochene Arzneimittelpackungen nicht aufbrauchen, möglicherweise sei zudem eine Zusatzmedikation nötig. Die zunächst naheliegende Lösung, dass der Arzt durch Setzen eines "Aut-Idem"-Kreuzes den Austausch in der Apotheke ausschließt, ist für Müller-Schwefe kein Ausweg. Zu hoch sei die Regressgefahr für die Mediziner.

Und so warnte auch die Petentin Dr. Marianne Koch, Ehrenpräsidentin der Deutschen Schmerzliga, vor den Plänen der Regierung: "Ein erneutes Hin- und Hergeschiebe wäre eine Katastrophe." Sie setzt darauf, dass im Gesetzgebungsverfahren zur 16. AMG-Novelle noch etwas bewegt werden kann. Die Bundestagsabgeordneten Stefanie Vogelsang (CDU) und Jens Ackermann (FDP) hat sie dabei auf ihrer Seite. Beide sind sowohl Mitglieder des Petitionsausschusses als auch des Gesundheitsausschusses. Doch sie haben Probleme, in ihren Fraktionen eine Mehrheit für ihr Anliegen zu bekommen, räumte Ackermann ein. Der FDP-Politiker gab sich dennoch zuversichtlich: Wenn es nicht im Rahmen der AMG-Novelle klappe, so werde sich in dieser Legislaturperiode noch ein anderes Gesetzesvorhaben finden, in dessen Rahmen eine gesetzliche Regelung untergebracht werden könne.



DAZ 2012, Nr. 25, S. 33

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.