Ernährung aktuell

Malnutrition vermeiden

Ernährungstherapie bei chronischer Niereninsuffizienz (Ernährungs-Update 2012)

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Personen mit chronischer Niereninsuffizienz angestiegen. Bei der Therapie der Betroffenen spielt auch die Ernährung eine wichtige Rolle. Durch eine geeignete Lebensmittelauswahl sollen eine Malnutrition vermieden sowie die Lebensqualität der Patienten verbessert werden. Worauf es dabei ankommt, können Sie im folgenden Beitrag aus unserer Reihe Ernährungs-Update nachlesen.
Nierenprobleme? Dann ist eine Ernährung, die reich an pflanzlichen Lebensmitteln ist, zu bevorzugen. Bei einer fortgeschrittenen Niereninsuffizienz müssen darüber hinaus verschiedene Ernährungsaspekte genau bedacht werden, um eine Malnutrition zu vermeiden.
Foto: AOK Mediendienst

Eine chronische Niereninsuffizienz ist durch einen langsamen, über Monate oder Jahre, voranschreitenden Verlust der Nierenfunktion gekennzeichnet. Der Definition zufolge muss ein Nierenschaden über eine Periode von mehr als drei Monaten anhalten und mit einem strukturellen Nierenschaden oder veränderten Blut- oder Urinmarkern einhergehen, um als chronische Niereninsuffizienz klassifiziert zu werden [1]. Für ihre Entstehung gibt es eine Reihe von Risikofaktoren. Dazu zählen Arteriosklerose, arterielle Hypertonie, Herzinsuffizienz, oxidativer Stress sowie Rauchen. Aber auch Störungen des Stoffwechsels begünstigen Nierenerkrankungen, etwa Adipositas, das metabolische Syndrom, ein gestörter Eiweiß-/(Phosphat-)Stoffwechsel, konsumierende Erkrankungen und Hyperurikämie. Daneben bestimmen Determinanten der Ernährung wie eine salz-, eiweiß- und phosphatreiche Kost und ein nicht ausgeglichener Flüssigkeitshaushalt die Erkrankung. Schließlich erhöhen die regelmäßig Einnahme von tubulusschädigenden Substanzen wie nichtsteroidale Antirheumatika oder Sulfonamide das Risiko, eine chronische Niereninsuffizienz zu entwickeln [2]. Insgesamt ist die Zahl der Dialysepatienten und Nierentransplantierten in den vergangenen Jahren stetig angestiegen. So wurden laut letztem Jahresbericht des Bundesverbandes Niere e.V. 66.508 Patienten mit Dialyseverfahren behandelt und 25.210 Personen nach einer Nierentransplantation in der Nachsorge betreut [1].

Verlauf und Stoffwechselbesonderheiten

Der Verlauf der chronischen Niereninsuffizienz wird in fünf Stadien eingeteilt, die sich an der errechneten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) orientieren [1, 3] (Tab. 1). In Deutschland sind zwischen neun bis zwölf Prozent der Allgemeinbevölkerung von chronischen Nierenerkrankungen betroffen. Dabei entfallen sechs Prozent auf die Stadien 1 und 2, vier Prozent auf Stadium 3 und lediglich 0,2 Prozent weisen Stadium 4 oder 5 auf.


Tab. 1: Stadieneinteilung der chronischen Niereninsuffizienz nach K/DOQI-Kriterien

K/DOQI-Stadium
eGFR (MDRD) in
ml/min/1,73 m²
Klinische Symptomatik
1
> 90
Normale exkretorische Nierenfunktion, jedoch liegt eine Albuminurie, Proteinurie oder Mikrohämaturie bzw. eine strukturelle Nierenschädigung vor
2
60 – 89
Wie Stadium 1, jedoch mit reduzierter eGFR, als Symptom ist zumeist nur eine arterielle Hypertonie auffällig
3
30 – 59
Klinische Symptome treten auf, u. a. mangelnder Appetit, beginnende Malnutrition, Zeichen der renalen Anämie, Störungen des Calcium-Phosphat-Haushaltes bei sekundärem Hyperparathyreoidismus, metabolische Azidose, Elektrolytstörungen, Salz- und Wasserretention
Vorstellung beim Nephrologen erforderlich
4
15 – 29
Wie Stadium 3, jedoch aggravieren die Symptome – Vorbereitung auf Nierenersatzverfahren
5
< 15
Terminale Niereninsuffizienz, es treten Urämiesymptome auf (Übelkeit, Erbrechen, Pruritus, Perikarderguss), zerebrale Beeinträchtigung bis hin zum urämischen Koma/ Tod; Einleitung eines Nierenersatzverfahrens

K/DOQI: Kidney Disease Outcomes Quality Initiative, eGFR: errechnete glomeruläre Filtrationsrate, MDRD: Modification of Diet in Renal Disease

Quelle: [1]


Für das Fortschreiten der chronischen Niereninsuffizienz trägt eine zunehmende Sklerosierung und Verödung des Nierengewebes bei. Während zunächst nur einzelne Glomeruli betroffen sind, entwickelt sich im Verlauf eine ausgeprägte interstitielle Fibrose. Dabei zählen die eingangs erwähnte arterielle Hypertonie und die Proteinurie zu den wichtigsten Risikofaktoren. Während die Hypertonie den Druck im Glomerulus erhöht, bewirkt die Proteinurie eine Schädigung der Tubuluszellen, die zur Fibrosierung im peritubulären Gewebe führt. Daraus resultiert ein Circulus vitiosus: die geschädigte Niere aktiviert das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS), so dass der systemische Blutdruck und die Proteinurie gesteigert werden [4].

Im Rahmen der chronischen Niereninsuffizienz kommt es zu zahlreichen Veränderungen des Metabolismus (siehe Kasten "Besonderheiten des Stoffwechsels"). Sie können durch die Grunderkrankung, beispielsweise Diabetes mellitus, Begleit- und Folgeerkrankungen wie eine renale Anämie oder eine Azidose, aber auch durch therapeutische Maßnahmen wie den Einsatz von Glucocorticoiden herbeigeführt werden. Durch eine Niereninsuffizienz ist ein erhöhter Energieverbrauch beobachtbar. Zudem bewirkt die verminderte renale Clearance von Eiweißhormonen Beeinträchtigungen des endokrinen Systems mit erhöhten peripheren Hormonspiegeln und konsekutiven Resistenzsyndromen der Zielorgane wie Hyperinsulinismus [5].


Besonderheiten des Stoffwechsels


  • Energieverbrauch in Ruhe 8 - 16 % höher als von Menschen mit gesunder Niere

  • Verlust von Aminosäuren (Hämodialyse: 5 - 18 g, Peritonealdialyse: 2 - 4 g)
  • Verlust von Protein (Peritonealdialyse: 5 - 15 g)

  • Metabolische Azidose
  • Endokrine Störungen (z. B. hohe Leptinspiegel)

  • (Mikro-) Inflammation

  • Häufig Malnutrition

Quelle: [5]


Auch ernährungsrelevante Hormone wie Leptin und nachfolgende Stoffwechselwege sind gestört. Als Folge sind eine negative Energiebilanz und ein verminderter Appetit zu beobachten [6]. Zudem begünstigen Veränderungen der insulinähnlichen Wachstumsfaktoren und deren Bindungsproteine katabole Prozesse des Knochens und der Muskulatur. Des Weiteren kann eine metabolische Azidose bei ungenügender Pufferung zur Entstehung einer Malnutrition und zur Schädigung der verschiedenen Organsysteme beitragen [5].

Ernährungstherapie der chronischen Niereninsuffizienz

Das Fortschreiten einer chronischen Niereninsuffizienz kann durch eine rechtzeitige medikamentöse Therapie deutlich hinausgezögert werden [1, 5]. Zu den wichtigsten Therapiezielen gehört die Senkung des Blutdrucks auf Zielwerte < 130/85 mmHg sowie die Reduktion der Proteinurie auf < 1g/Tag. Um die medikamentöse Therapie, auf die wir hier nicht näher eingehen wollen, zu unterstützen, werden ernährungsmedizinische Maßnahmen durchgeführt [1, 4]. Diese haben sich in den letzten 100 Jahren erheblich verändert: Spielten einst das Fasten, die kochsalz- und später die eiweißreduzierte Ernährung eine wichtige Rolle, liegt der Fokus heute darauf, eine Fehl- bzw. Mangelernährung zu vermeiden, die Lebensqualität des Patienten zu verbessern und ggf. die Verträglichkeit der Dialyse zu verbessern [1, 7].

Ernährung in Stadium 1 und 2

Für die einzelnen Stadien einer Niereninsuffizienz gelten verschiedene Ernährungsempfehlungen (Tab. 2) [4]. In den ersten zwei Stadien sollten sich Patienten mit normaler bis leicht eingeschränkter Nierenfunktion normokalorisch und kochsalzreduziert (100 mmol/Tag) ernähren. Dabei sollten besonders vegetarische Nahrungsmittel bevorzugt werden. Dagegen ist es zu diesem Zeitpunkt noch nicht notwendig, die Trinkmenge zu reduzieren oder die Kalium- und Phosphataufnahme einzuschränken [1].


Tab. 2: Stadiengerechte Ernährungsempfehlung bei chronischer Niereninsuffizienz (Chronic Kidney Disease, CKD)

Prädialyse
(CKD Stadien 3 – 4)
Hämodialyse
(CKD Stadium 5)
Peritonealdialyse
(CKD Stadium 5)
Protein (g/kg KG)
0,6 (CKD Stadium 3)
1,0 (nephrotisches Syndrom)
1,0 – 1,2 (CKD Stadium 4)
>1,1
1,2 – 1,4
1,5 (Peritonitis)
Kalorien (kcal/kg KG)
35 (< 60 Jahre)
30 – 35 (> 60 Jahre)
35 (< 60 Jahre)
30 – 35 (> 60 Jahre)
35 (< 60 Jahre)
30 – 35 (> 60 Jahre)
Dialysekalorien mit eingerechnet
Flüssigkeit (ml/d)
1500
Urinmenge + 500
Urinmenge + 800
Natrium (mmol)
60 – 100
60 – 100
60 – 100
Kalium (mmol)
50 – 70; Reduktion bei Hyperkaliämieneigung (>5,5 mmol/l)
50 – 70; Reduktion bei Hyperkaliämieneigung (> 5,5 mmol/l)
50 – 70; Hyperkaliämie tritt selten auf
Phosphat (g/d)
0,8 – 1,0
0,8 – 1,0
0,8 – 1,0
Calcium
Ab Stadium 3 sollten nicht mehr als 2 g Calcium/d zugeführt werden
Nicht mehr als 2g Calcium zuführen
Nicht mehr als 2 g Calcium zuführen
Vitamine
Empfehlungen analog zur Normalbevölkerung
Keine expliziten Empfehlungen für Erwachsene vorhanden, so dass analoge Empfehlungen wie bei Hämodialyse gelten
Thiamin (Vitamin B1 , mg)
Riboflavin (Vitamin B2 , mg)
Pyridoxin (Vitamin B6 , mg)
Ascorbinsäure (Vitamin C, mg)
Folsäure (Vitamin B9 , mg)
Cobalamin (Vitamin B12 , µg)
Niacin (Vitamin B3 , mg)
Biotin (Vitamin B8 , µg)
Pantothensäure (mg)
Retinol (Vitamin A, µg)
Tocopherol (Vitamin E, IE)
Vitamin K (µg)
1,1 – 1,2
1,1- 1,3
10
75 – 90
1
2,4
14 – 16
30
5
700 – 900/keine Supplemente
400 – 800
90 – 120/keine Supplemente
Spurenelemente
Eisen (mg/d)
Zink (mg/d)
8 (Männer)/ 15 (Frauen)
10 – 15 (Männer), keine
Routinesupplementation*
Selen (µg/d)
55, keine Routinesupplementation*

* Im Fall einer Malnutrition oder Symptomen eines Mangels kann ein Therapieversuch über 3 – 6 Monate unternommen werden.

Quelle: [1]


Im Hinblick auf die Proteinaufnahme sind die bisherigen Studienergebnisse widersprüchlich. Ende der 1980er Jahre untersuchte eine große prospektive und randomisierte Studie (Modification of Diet in Renal Disease – MDRD) das Konzept der diätetischen Eiweißreduktion an 1800 Teilnehmern. Sie konnte keinen signifikanten Vorteil einer milden oder strengen Eiweißrestriktion nachweisen. Dagegen zeigten größere Metaanalysen, dass eine milde Eiweißreduktion von Vorteil ist. Daher sollten sich Patienten bereits in den ersten Krankheitsstadien leicht eiweißarm (0,8 g/kg KG/Tag) ernähren. Anders ist es bei Patienten mit nephrotischem Syndrom. Liegt der renale Eiweißverlust höher als 3,5 g/Tag, kann es zu einem deutlichen Verlust an Körpermasse kommen, der durch eine Restriktion der Proteinaufnahme noch verstärkt werden würde. Um einem Körpermasseverlust vorzubeugen, sollte diese Patientengruppe 0,8 bis 1 g Protein/kg KG/Tag aufnehmen.

Der Bedarf an Mikronährstoffen ist in den ersten zwei Stadien unverändert. Eine Ausnahme ist ein erhöhter Vitamin-D-Bedarf bei sekundärem Hyperparathyreoidismus [4].

Stadium 3

Im dritten Stadium der chronischen Niereninsuffizienz liegt die glomeruläre Filtrationsrate zwischen 30 und 59 ml/min. Um den Krankheitsfortschritt abzuschwächen und keine Malnutrition zu begünstigen, empfiehlt sich eine strengere eiweißreduzierte (0,6 g/kg KG/Tag) und salzarme (100 mmol/Tag) Kost. Durch diese Ernährungsform entstehen weniger Proteinabbauprodukte und Urämietoxine. Gleichzeitig sinkt die enterale Phosphataufnahme. Phosphatbinder kommen in diesem Stadium in der Regel noch nicht zum Einsatz. Allerdings besteht noch keine Einigkeit, ob ein Dialysebeginn auf diese Weise hinausgezögert werden kann.

Wichtig ist, dass die Trinkmenge auf 1500 ml/Tag eingeschränkt wird. Um mit dieser Restriktion gut umzugehen, sollten die im Kasten "Tipps zum Umgang mit Durst" aufgeführten Hilfestellungen berücksichtigt werden.


Tipps zum Umgang mit Durst


  • Medikamente mit dem Essen einnehmen
  • Kleine Eiswürfel oder Zitronenstückchen lutschen
  • Kaugummi ohne Zucker, saure Drops
  • Spülen, Gurgeln
  • Süße Getränke meiden – günstiger Bittergetränke
  • Heiße oder warme Getränke trinken
  • Salzige Speisen meiden
  • Essen statt Trinken
  • Trockene Raumluft meiden

Quelle: [7]


Bei einer hohen Zufuhr an vegetarischen Lebensmitteln kann eine Hyperkaliämietendenz bestehen [1]. Besonders kaliumreich sind z. B. Kartoffeln, Avocado, Spinat, Tomaten, Erdnüsse oder getrocknete Aprikosen [8]. Bei Feststellung einer entsprechenden Tendenz sollten diese Lebensmittel in verringerter Menge verzehrt werden. Schließlich sollte ab dem dritten Stadium die Calciumaufnahme nicht mehr als 2 g/Tag betragen [1].

Die Stadien 4 und 5

In den nachfolgenden Stadien 4 und 5 ist das Risiko, eine Katabolie zu entwickeln und somit ungewollt Körpermasse zu verlieren, deutlich erhöht [4]. Zwar gelten in Stadium 4 weiterhin die Empfehlungen von Stadium 3, doch muss nun der Ernährungsstatus regelmäßig überprüft werden, da sich das Malnutritionsproblem zunehmend verschärft, insbesondere wenn einer oder mehrere der im Kasten genannten Risikofaktoren für Malnutrition bei Niereninsuffizienz vorhanden ist.


Risikofaktoren für Malnutrition bei Niereninsuffizienz


  • Inappetenz
  • Gebiss- und Kauprobleme bei älteren Patienten
  • Schluckstörungen
  • Veränderung der intestinalen Bakterienflora
  • Gastroparese (z. B. bei autonomer diabetischer Neuropathie)
  • Störung der biliären und pankreatischen Sekretion
  • Störungen der digestiven und absorptiven Funktionen
  • Störung der intestinalen Motilität
  • Verzögerte intestinale Fettresorption
  • Depressive Stimmungslage
  • Falsch verstandene restriktive Diätempfehlungen

Quelle: [5]


In der eingangs vorgestellten MDRD-Studie konnte für dieses Stadium beobachtet werden, dass bei nachlassender Nierenfunktion die spontane Eiweißaufnahme sinkt. Aufgrund dessen müssen Patienten auf ihre Proteinzufuhr achten, die zwischen 1 bis 1,2 g/kg KG/Tag liegen sollte. Tritt zudem eine metabolische Azidose auf, sollten zur Pufferung konsequent Bicarbonattabletten verschrieben werden.

Auch andere Folgeerkrankungen können in diesem Stadium auftreten. So kann bei sekundärem Hyperparathyreoidismus eine Hyperphosphatämie auftreten, so dass Phosphatbinder und die Substitution von 25(OH)-Vitamin D bzw. 1,25(OH)2 -Vitamin D bei aufgefüllten Calcidiolspeichern notwendig werden. Ebenso ist eine eingeschränkte Kaliumzufuhr notwendig, wohingegen auf eine ausreichende orale Eisenaufnahme geachtet werden muss. Vor allem vor einer Erythropoetintherapie müssen die Eisenspeicher sowie die funktionellen Eisenreserven aufgefüllt sein.

Liegt die glomeruläre Filtrationsrate unter 15 ml/min/1,73 m², ist von der terminalen Niereninsuffizienz (Stadium 5) die Rede. Zu diesem Zeitpunkt wird eine Dialyse notwendig. In Stadium 5 muss der Ernährungsstatus genauestens bewertet werden. Wird keine Malnutrition diagnostiziert, sollte bei Personen, die jünger als 50 Jahre sind alle sechs Monate eine Reevaluation erfolgen. Bei Personen, die älter sind oder sich schon länger als fünf Jahre einer Dialyse unterziehen müssen, erfolgt sie vierteljährlich [1].

Da eine Nierenersatztherapie zusätzlich die katabole Stoffwechsellage begünstigt, ändert sich auch der Nährstoffbedarf [4]. Zwar bleibt die empfohlene Energiemenge unverändert, doch verändert sich der Nährstoffbedarf für Hämo- und Peritonealdialysepatienten. Dabei sind die Ernährungsempfehlungen bei letzterer etwas weniger restriktiv (Tab. 3) [1, 9].


Tab. 3: Ziele und Ernährungsempfehlungen für Dialysepatienten

Hämodialyse
Peritonealdialyse
Ernährungs-
empfehlungen
  • Strenge Flüssigkeitsrestriktion (Faustregel: Urinmenge in ml/d + 500 ml)
  • Lebensmittel mit hohem Kaliumgehalt meiden (Trockenfrüchte, Nüsse, Obst/ Gemüsesäfte/ Diätsalze)
  • Proteinzufuhr von 1,1 g/ kg KG/d (davon 50% hochwertige Eiweiße)
  • Bei Zeichen einer Protein-Energie-Malnutrition: enterale Supplementation mit hochkalorischen und auf Dialysepatienten abstimmten Trinklösungen, evtl. auch individuell zu rezeptierende intradialytische parenterale Ernährung
  • Nur moderate Flüssigkeitsrestriktion
  • Keine starke Einschränkung der enteralen Kaliumzufuhr, ggf. sogar Kaliumsubstitution
  • Resorption von 150 – 200 g Glucose (600 – 800 kcal) über das Peritonealdialysat muss bei der Energiebilanz berücksichtigt werden
  • Proteinzufuhr von 1,2 – 1,4g/kg KG/d, bei Peritoniiden 1,5 g/kg KG/d (bei der Peritonealdialyse gehen bis zu 15 g Protein pro Tag über das Dialysat verloren!)
Therapieziele
  • Individuelle "Diätdosis" und Dialysedosis
  • Optimaler Ernährungszustand
  • Prävention einer Proteinmangelernährung
  • Optimale Serumphosphat- und Kaliumspiegel
  • Ausgeglichene Flüssigkeits- und Elektrolytbilanz
  • Verhindern von Folgeerkrankungen
  • Verbesserung des Wohlbefindens
  • Individuelle "Diätdosis" und Dialysedosis
  • Prävention einer Proteinmangelernährung
  • Optimale Serumphosphatspiegel
  • Ausgeglichene Flüssigkeits- und Elektrolytbilanz
  • Prävention und Intervention der durch CAPD möglichen Hyperlipidämie
  • Unter besonderer Beachtung der Glucosebelastung durch das Dialysat: Erreichen bzw. Halten eines Normalgewichtes (BMI < 25)
  • Verhindern von Folgeerkrankungen
  • Verbesserung des Wohlbefindens

Quelle: modifiziert nach [1, 9]


Im Rahmen einer Hämodialyse werden viele Patienten anurisch. Dadurch wird eine strenge Flüssigkeitsrestriktion unabdingbar, die eine der größten Belastungen darstellt. Des Weiteren muss die Kaliumzufuhr reduziert werden, um eine lebensbedrohliche Hyperkaliämie zu verhindern [1]. Gut geeignete kaliumarme Durstlöscher sind zum Beispiel Leitungswasser, Kräuter- und Früchtetees sowie Zitronenwasser [9].

Oftmals erreichen Hämodialyse-Patienten nicht die erforderliche Proteinzufuhr. Durch eine sehr gute Dialyseeffizienz kann die Energie- und Proteinversorgung positiv beeinflusst werden. Daher muss die Dialysedosis an eine suffiziente Ernährung angepasst werden. Bei Hinweisen für eine Protein-Energie-Malnutrition ist ein Stufenschema anzuwenden. Neben einer enteralen Supplementation mit hochkalorischer auf die Dialyse abgestimmter Trinklösung, kommen ggf. auch eine individuell zu rezeptierende intradialytische parenterale Ernährung oder eine Gastroparesetherapie zum Einsatz. Die Trinkrestriktion besteht für Peritonealdialysepatienten weniger bis gar nicht. Auch die enterale Kaliumzufuhr ist aufgrund des kaliumfreien Peritonealdialysats liberaler zu handhaben. In einigen Fällen entwickelt sich sogar eine Hypokaliämie, die eine Substitution erforderlich macht. Des Weiteren enthält das Dialysat 150 bis 200 g Glucose, die in der Energiebilanz berücksichtigt werden müssen. Da im Rahmen der Dialyse bis zu 15 g Protein/Tag verloren gehen, sollte die Zufuhr zwischen 1,2 und 1,4 g/kg KG/Tag liegen [1].

Allgemein sollte die Kochsalzaufnahme in allen Erkrankungsstadien auf 80 bis 100 mmol/Tag reduziert werden, um die Wirkung der pharmakologischen Therapie nicht negativ zu beeinflussen [1]. Während naturbelassene Lebensmittel wie Fleisch, Fisch, Obst, Gemüse, Kartoffeln, Reis und Nudeln als salzarm gelten, haben vor allem verarbeitete Produkte wie Matjesfilet, Salami, Gouda, Sojasoße, Pizza, Brühwürfel oder Brot einen hohen Natriumgehalt [9].

Im Hinblick auf Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente kann eine fortgeschrittene Niereninsuffizienz einen Mangel bewirken oder zu einer Akkumulation führen. Anders als die Empfehlungen für Gesunde, sind Empfehlungen für Dialysepatienten weniger gut untersucht. Bei den Ernährungsempfehlungen handelt sich um eine Extrapolation der Daten von Gesunden auf Nierenkranke, die eine veränderte Ausscheidungskinetik aufweisen. Vitamin-Mangelzustände entstehen vorrangig durch Diätvorgaben. So hat eine Protein- und/oder Kaliumreduktion zur Folge, dass Eisen, Zink, Folsäure, Vitamin C und Vitamin B12 unzureichend aufgenommen werden. Zudem kann ein Selenmangel bei Dialysepatienten beobachtet werden. Schließlich führt eine Dialyse zu Verlusten der wasserlöslichen Vitamine. Trotz alledem wird nur in Ausnahmefällen eine Supplementation empfohlen [1].

Ernährung bei Nierentransplantierten

Ist eine Nierentransplantation erfolgreich durchgeführt worden, können alle notwendigen Organfunktionen ersetzt werden. Dennoch ist es möglich, dass metabolische Störungen der chronischen Niereninsuffizienz, etwa im Calcium-Phosphat-Haushalt, bestehen bleiben. Zudem können Erkrankungen wie Adipositas, Posttransplantationsdiabetes, arterielle Hypertonie oder eine Hyperlipidämie neu dazu kommen. Diese Krankheitsbilder können durch die notwendige immunsuppressive Behandlung mit Corticosteroiden, Calcineurininhibitoren, mTOR-Inhibitoren oder den Derivaten der Mycophenolsäure ausgelöst oder verstärkt werden. Daher müssen vor und nach einer Transplantation verschiedene ernährungstherapeutische Maßnahmen ergriffen werden.

Ist eine Nierentransplantation geplant, sollten Empfehlungen für Dialysepatienten befolgt werden. Zudem soll ein kataboler Eiweißverlust unterbunden werden, um den Patienten in einem guten Allgemeinzustand zu transplantieren. Kurz nach der Transplantation sollte bei einem funktionierenden Transplantat und unter Berücksichtigung des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts die Proteinaufnahme bei 1,2 g/kg KG/Tag bei einer Energieaufnahme von 30 bis 35 kcal/kg KG/Tag liegen. Schließlich soll in der späten Posttransplantationsphase ein optimaler Ernährungsstatus angestrebt werden. Dies ist wichtig, um Folgeerkrankungen und somit Risikofaktoren, die für das kardiovaskuläre Überleben nach einer Transplantation relevant sind, entgegenzuwirken. Zudem stellen diese Erkrankungen immunologische Risiken für das Entstehen einer chronischen Allograft-Nephropathie dar. Des Weiteren können nach einer Transplantation Hypophosphatämien, Hypomagnesiämien, Hypo-/Hyperkaliämien oder eine Hyperurikämie beobachtet werden. Diese Komplikationen können diätetisch oder mittels Supplementierung therapiert werden. Ein besonderes Augenmerk gilt der ausreichenden Calcium- und Vitamin-D-Versorgung, um der Entwicklung einer Osteoporose, insbesondere bei Einsatz von Kortikosteroiden oder bei postmenopausalen Frauen, entgegenzuwirken [1].

Akutes Nierenversagen

Ein akutes Nierenversagen kann oftmals auf Intensivstationen bei Patienten mit systemischer Entzündungsreaktion (SIRS) oder Multiorgan-Dysfunktion-Syndrom (MODS) beobachtet werden. Dabei treten Störungen im Flüssigkeits- und Elektrolytstoffwechsel sowie im Säure-Basen-Haushalt auf. Des Weiteren kommt es zu Veränderungen des Protein-, Kohlenhydrat- und Fettmetabolismus. Im Hinblick auf die Ernährungstherapie sollte stets eine suffiziente enterale Ernährung einer parenteralen Ernährung vorgezogen werden. Da aber bei vielen Betroffenen eine Protein-Energie-Malnutrition vorgebeugt werden muss, erhalten diese zunächst eine parenterale Ernährung. Insgesamt richtet sich die Ernährungstherapie nach der jeweiligen auslösenden Grunderkrankung und dem Schweregrad des akuten Nierenversagens (siehe Kasten "Empfehlungen bei akutem Nierenversagen") [1].


Empfehlungen zur Ernährung bei akutem Nierenversagen


  • Die optimal zu verordnende Kalorienmenge bleibt bei Patienten mit akutem Nierenversagen umstritten – angestrebt werden 25 – 30 Nichtproteinkalorien/kg KG/Tag bei einem Kohlenhydratanteil von 5 g/kg KG/Tag und einem Fettanteil von 0,8 – 1,2 g/kg KG/Tag.

  • In Abhängigkeit von der Schwere der Erkrankung werden folgende Proteindosierungen empfohlen:

  • – 0,8 g/kg KG/Tag (konservative Therapie ohne Dialyse, milder Katabolismus)
  • – 1,0 – 1,5 g/kg KG/Tag (intermittierende Hämodialyse, moderater Katabolismus)
  • – 1,5 – 2,0 g/kg KG/Tag (kontinuierliche venovenöse Hämofiltration (CVVH), kontinuierliche venovenöse Hämodialyse (CVVHD), kontinuierliche venovenöse Hämodiafiltration (CVVHDF), langsame tägliche Dialyse mit geringer Effektivität (SLEDD), schwerer Katabolismus


Quelle: [1]


Literatur

[1] Friedrich B, Risler T. Nierenerkrankungen. In: Biesalski HK et al. (Hrsg.) Ernährungsmedizin: Nach dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer; 276 Tabellen, 4. Auflage. Stuttgart [u.a.]: Thieme 2010:695 – 712.

[2] Dotter C. Ernährung bei chronischer Niereninsuffizienz. Ernährungs-Umschau 2012(3):166 – 167.

[3] Manjunath G, Sarnak MJ, Levey AS. Prediction equations to estimate glomerular filtration rate: an update. Curr. Opin. Nephrol. Hypertens. 2001;10(6):785 – 792.

[4] Kuhlmann M. Ernährung bei Nierenerkrankungen. AktuelErnahrungsmed 2011;36(06):367 – 384.

[5] Jehle PM, Rehm K, Jentzsch M. Ernährung bei Niereninsuffizienz. Der Nephrologe 2008;3(2):108 – 117.

[6] Nishizawa Y, Shoji T, Tanaka S, et al. Plasma leptin level and its relationship with body composition in hemodialysis patients. Am. J. Kidney Dis. 1998;31(4):655 – 661.

[7] Blättermann D. Ernährung bei Niereninsuffizienz. Heilberufe 2008;60(4):29 – 30.

[8] Bosch T. Nierenerkrankungen. In: Biesalski HK et al. (Hrsg.) Ernährungsmedizin: Nach dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer, 3. Auflage. Stuttgart: Thieme 2004:555 – 566.

[9] Geberth S, Nowack R. Ernährung von Dialysepatienten: Praxis der Dialyse. In: Geberth S, Nowack R, (Hrsg.) Praxis der Dialyse: Springer Berlin Heidelberg 2011:277 – 289.


Autorin
Katja M. Aue
M. Sc. Ökotrophologie
E-Mail: katja_aue@web.de



DAZ 2012, Nr. 25, S. 60

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