Ernährung aktuell

Nicht jeder verträgt alles

Lebensmittelunverträglichkeiten im Erwachsenenalter (Ernährungs-Update 2012)

Neben Lebensmittelallergien, die wir in der letzten Folge unserer Serie "Ernährungs-Update" vorgestellt haben (DAZ 2012, Nr. 9, S. 98ff), gibt es noch eine Reihe weiterer Lebensmittelunverträglichkeiten. Dazu zählen Lebensmittelintoleranzen sowie toxische Reaktionen, die im nachfolgenden Beitrag näher beleuchtet werden.

Zu den Nahrungsmittelunverträglichkeiten, die nicht immunologisch vermittelt werden, zählen toxische Reaktionen sowie nicht-immunologische Reaktionen, sog. Lebensmittelintoleranzen. Letztere können enzymatisch oder pharmakologisch bedingt sein (siehe Tab. 1). Zudem gibt es pseudoallergische Reaktionen, die nicht konkret definiert werden können [1].


Tab. 1: Einteilung der Überempfindlichkeitsreaktionen gegen Lebensmittel

Erkrankung
Mechanismus
Symptomauslöser
Allergie
Immunreaktion
meist Proteine oder Glycoproteine aus den verschiedenen Lebensmitteln
Pseudoallergische
Reaktion
Verschieden, jedoch
keine Immunreaktion
häufig niedermolekulare Lebensmittelinhalts- oder -zusatzstoffe
Intoleranzreaktionen
Enzymdefekte
z. B. Lactose, Fructose, Phenylalanin
Intoxikationen
pharmakologische
bzw. toxikologische
Wirkung
z. B. biogene Amine, Alkaloide,
Bakterientoxine, Mykotoxine,
Kontaminanten

Quelle: [1]

Pseudoallergische Reaktionen

Im Fall der pseudoallergischen Reaktionen, auch als Idiosynkrasie bekannt, wird das klinische Bild von Allergien imitiert [1 – 4]. Dabei kann eine nahezu identische Symptomatik wie bei Allergien beobachtet werden. Zwar beruhen die Reaktionen auch auf einer Freisetzung physiologisch aktiver Mediatorsubstanzen, allerdings steht diese nicht in Verbindung mit einer Immunreaktion bzw. eine derartige Reaktion kann nicht nachgewiesen werden. Insgesamt beruht dieser Reaktionstyp auf unterschiedlichen Mechanismen, die teilweise noch nicht aufgeklärt werden konnten [1].

Im Vergleich zu einer Lebensmittelallergie sind pseudoallergische Reaktionen dosisabhängig und weisen eine hohe Spontanheilungsrate auf. Zudem können Symptome bereits bei Erstkontakt auftreten, so dass eine spezifische Sensibilisierung nicht unbedingt erfolgen muss [1, 5]. Des Weiteren ist es nicht möglich, diesen Reaktionstyp mittels Hauttestung nachzuweisen. Ein bekanntes Pseudoallergen ist die Acetylsalicylsäure. Es wird diskutiert, dass der pseudoallergischen Reaktion eine Störung im Arachidonsäurestoffwechsel zugrunde liegt. Dabei soll das Enzym Cyclooxygenase gehemmt werden, so dass die Bildung von protektiven Prostaglandinen vermindert und im Gegenzug die Leukotriensynthese bei überempfindlichen Personen gesteigert wird [1]. In einer Reihe von Lebensmitteln ist Salicylsäure enthalten (Tab. 2) [4]. Es konnte jedoch nicht bestätigt werden, dass eine Acetylsalicylsäure-Unverträglichkeit eine Reduzierung von Salicylaten in der Ernährung zwingend erfordert [5].


Tab. 2: Beispiele für das Vorkommen von Salicylsäure und biogenen Aminen in Lebensmitteln

Salicylsäure
Tyramin
Histamin
Serotonin
  • Obst: Ananas, Apfelsine, Aprikose, Nüsse, Beerenobst
  • Gemüse: Champignons, Chicorée, Endivie, Paprika, Rettich, Radieschen
  • Gewürze: Anis, Curry, Muskat, Oregano, Rosmarin, Thymian
  • Getränke: Schwarzer Tee
  • Fischextrakt
  • Hefeextrakt
  • Wurst
  • Reifer Käse: Cheddar, Edamer, Emmentaler, Camembert, Brie
  • Himbeeren
  • Fisch: Thunfisch, Sardellen, Sardinen
  • Reifer Käse: Emmentaler, Harzer, Gouda, Tilsiter, Cheddar
  • Rohwurstsorten: Salami, Krakauer, Schinken, roh
  • Gemüse: Sauerkraut, Spinat, Tomaten
  • Wein
  • Ananas
  • Bananen
  • Walnüsse

Quelle: [4]


Ein weiterer Mechanismus für eine Pseudoallergie ist die unspezifische Überbrückung von zwei membranständigen IgE-Antikörpern über deren Kohlenhydratanteil durch Lectine. Diese Proteine verfügen über eine hohe spezifische Bindungsfähigkeit für bestimmte Zucker, die u. a. in Hülsenfrüchten enthalten sind. Daraus resultiert eine Mediatorfreisetzung ohne Immunreaktion. In anderen Fällen werden Auslösemechanismen wie die Destabilisierung der Mastzellmembran mit anschließender Mediatorfreisetzung genannt.

Auch Lebensmittelzusatzstoffe können Pseudoallergien auslösen, z. B. Benzoesäure, pHBEster, Sorbinsäure, Sulfite und Gallate sowie Tartrazin, das noch in einzelnen EU-Staaten eingesetzt wird [1]. Untersuchungen haben allerdings gezeigt, dass Zusatzstoffe (Tab. 3) lediglich für einen kleinen Anteil von Pseudoallergien verantwortlich sind [5].


Tab. 3: Beispiele für Lebensmitteladditiva, die eine pseudoallergische Reaktion auslösen können

Natürlichen Ursprungs
Chemischer Natur
Ätherische Öle
Azorubin
Gelatine
Malz
Guakernmehl
Traganth
Harze
Pektine
Parabene
Gummi arabicum
Carrageen
Rote-Beete-Farbstoff
Amaranth
Schwefeldioxid
Sorbinsäure
Benzoesäure
Azofarbstoffe (Tatrazin u. a.)
Naturidentische Aromen
Nitritpökelsalz

Quelle: [4]


Darüber hinaus gelten alkoholische Getränke als mögliche Auslöser für Pseudoallergien. Dabei werden Inhaltsstoffe wie Sulfite, die in der Weinherstellung Anwendung finden, ebenso wie Ethanol und seine Abbauprodukte diskutiert. Allerdings wird vermutet, dass es sich in den meisten Fällen um Beschwerden im Rahmen einer Histamin-Intoleranz handelt [5]. Noch nicht abschließend geklärt ist zudem, ob andere biogene Amine Pseudoallergien auslösen können oder ob eine Intoleranz vorliegt [6]. Insgesamt ist die Datenlage zur Beschreibung der Prävalenz derzeit noch unzureichend. Die Zahlen schwanken zwischen 0,1 und 0,23% im Hinblick auf Zusatzstoffe. Werden auch natürliche Lebensmittel berücksichtigt, liegt der Wert bei 1%. Um eine Pseudoallergie zu diagnostizieren, wird zunächst mit der Anamnese begonnen. Auch werden prädestinierende Krankheitsbilder wie eine chronische Urtikaria berücksichtigt. Darauf basierend wird eine pseudoallergenarme Diät (Tab. 4) durchgeführt, der sich eine Provokation anschließt.


Tab. 4: Beispiel einer pseudoallergenarmen Diät

Generell verboten: Alle Lebensmittel, die Aromastoffe, Konservierungsstoffe, Farbstoffe und Antioxidanzien enthalten. Verdacht besteht bei allen industriell verarbeiteten Lebensmitteln.
erlaubt
verboten
Getreideprodukte
und Kartoffeln
Brot und Brötchen ohne Konservierungsmittel, Grieß, Hirse, Kartoffeln, Reis, Hartweizennudeln (ohne Ei), Reiswaffeln (nur aus Reis und Salz!)
alle übrigen (z. B. Nudelprodukte, Eiernudeln, Kuchen, Pommes frites)
Fette
Butter, Pflanzenöle
alle übrigen Fette (Margarine, Mayonnaise etc.)
Milchprodukte
Frischmilch, frische Sahne (ohne Carrageen), Quark, Naturjoghurt, Frischkäse
(ungewürzt), wenig junger Gouda
alle übrigen Milchprodukte
Lebensmittel
tierischen Ursprungs
frisches Fleisch, frisches Gehacktes (ungewürzt), Bratenaufschnitt (selbst hergestellt)
alle verarbeiteten Lebensmittel tierischen Ursprungs, Eier, Fisch, Schalentiere
Gemüse
alle Gemüsesorten außer den verbotenen; erlaubt sind z. B. Salat (gut waschen!), Möhren, Zucchini, Rosenkohl, Weißkohl, Chinakohl, Brokkoli, Spargel
Artischocken, Erbsen, Pilze, Rhabarber, Spinat, Tomaten und Tomatenprodukte, Oliven, Paprika
Obst
in jeder Form verboten
alle Obstsorten und Obstprodukte (auch getrocknetes Obst wie Rosinen)
Gewürze
Salz, Zucker, Schnittlauch, Zwiebeln
alle übrigen Gewürze, Knoblauch, Kräuter
Süßigkeiten
Nur selbst hergestellt aus erlaubten Zutaten
alle Süßigkeiten, auch Kaugummi und Süßstoffe
Getränke
Milch, Mineralwasser, Kaffee, schwarzer Tee (unaromatisiert)
alle übrigen Getränke, auch Kräutertees und Alkoholika
Brotbeläge
Honig und alle unter "erlaubt" aufgeführten Produkte
alle nicht genannten Produkte

Quelle: [5]


Wird eine Pseudoallergie diagnostiziert, erfolgt auf Basis der pseudoallergenen Diät der Kostaufbau: Dabei sollte im Abstand von drei Tagen jeweils ein Lebensmittel, das unter der Diät gemieden wurde, eingeführt und in ansteigender Menge hinsichtlich der Verträglichkeit getestet werden. Da bei diesem Typ von Nahrungsmittelunverträglichkeiten eine hohe Spontanheilungsrate nachgewiesen werden konnte, sollte nach sechs Monaten eine erneute orale Provokation durchgeführt werden, um unnötige diätetische Einschränkungen für den Patienten zu vermeiden [5]. Insgesamt muss beachtet werden, dass sich heute in einigen Publikationen der Begriff der Pseudoallergie als Überbegriff für nicht-immunologische, nicht-toxische Unverträglichkeitsreaktionen eingebürgert hat [3], in diesem Beitrag wird jedoch der Begriff der Lebensmittelintoleranz als Überbegriff gewählt.

Lebensmittelintoleranzen durch Enzymeffekte

Bevor die Einteilung der Lebensmittelintoleranzen in verschiedene Gruppen, u. a. die der Pseudoallergie, erfolgte, verstand man unter diesem Begriff Krankheitsbilder, die durch angeborene oder erworbene Enzymdefekte verursacht sind (siehe Kasten "Enzymdefekte").


Enzymdefekte


Beispiele für Intoleranzreaktionen durch Enzymdefekte

  • Lactose-Intoleranz
  • Fructose-Intoleranz
  • Galactose-Intoleranz
  • Phenylketonurie
  • Glucose-6-Phosphatasemangel (Favismus)
  • Glutensensitive Enteropathie (Zöliakie, Sprue)

Quelle: [4]


Derlei Enzymdefekte führen zu Störungen des Gastrointestinaltrakts und des Stoffwechsels. Anders als bei allergischen oder pseudoallergischen Reaktionen werden Symptome nicht durch die Freisetzung von Mediatorsubstanzen aus Immunzellen ausgelöst [1]. Eines der wohl bekanntesten Beispiele ist die Lactoseintoleranz bzw. Lactose-maldigestion. Betroffene sind nicht in der Lage, das Disaccharid Lactose, das in Milch sowie in vielen Milch- und Fertigprodukten vorkommt (Tab. 5), in seine Einzelbausteine Glucose und Galactose aufzuspalten [7]. Ursache ist ein Mangel an Lactase in der Dünndarmmukosa [1].


Tab. 5: Auswahl an Lebensmitteln mit unterschiedlichem
Lactosegehalt (Souci et al., 2000)

Lactosefrei
Alle Lebensmittel, die keine Milch- oder Milchprodukte enthalten:
z. B. Fleisch, Fisch natur, Reis, Obst, Gemüse, Kartoffeln, Kräuter, Tee, …
fast lactosefrei (< 1 g Lactose/100 g)
Butter, länger gereifte Käsesorten und viele Weichkäsesorten, Milchprodukte, bei denen der Lactose-Gehalt künstlich reduziert wurde
Butter
0,6 g
Fetakäse (45% F. i. T.)
0,5 g
Camembert (45% F. i. T.)
0,1 g
Parmesan
0,06 g
Emmentaler, Gouda …
0 – 0,1 g
Lactose-reduzierte Milch
0,1 g
mittlerer Lactose-Gehalt (1 – 4,5 g Lactose/100 g)
Topfen, Hüttenkäse, gesäuerte Milchprodukte
Sauermilch
4,0 g
Schlagsahne
3,3 g
Hüttenkäse
3,3 g
Joghurt
3,2 g
Topfen
2,6 – 3,2 g
Frischkäse
2,5 – 3,4 g
lactosereich (> 4,5 g Lactose/100 g)
Alle Formen unvergorener Milch (Vollmilch, Magermilch), Molke, Speisen, die Milch, Milchpulver oder Milchzucker in größerer Menge enthalten
Magermilchpulver
50,5 g
Milchschokolade
9,5 g
Kondensmilch
9,3 g
Eiscreme
6,7 g
Molke
4,7 g
Vollmilch (3,6% Fett)
4,7 – 4,8 g


Quelle: [7]


Wie Tabelle 6 zeigt, gibt es verschiedene Formen des Lactasemangels. Neben den seltenen Formen der kongenitalen Lactoseintoleranz und der Alaktasie, tritt die adulte Hypolaktasie sehr häufig auf. In Abhängigkeit der geografischen Lage schwankt die Prävalenz zwischen 3 und 75% innerhalb Europas. Am seltensten wird dieser Enzymdefekt in Nordwesteuropa beobachtet. Dagegen beträgt die Prävalenz in Asien und bestimmten Regionen Afrikas nahezu 100%. Dabei geht zwischen dem zweiten und fünften Lebensjahr die Lactase-Aktivität zurück. Im Gegensatz dazu liegt beim sekundär bedingten Lactasemangel kein genetischer Defekt, sondern eine Erkrankung, die die Dünndarmmukosa schädigt, zugrunde. Beispiele sind verschiedene Darmerkrankungen, Infektionen sowie Magenresektionen oder eine totale Gastrektomie.


Tab. 6: Arten des Lactasemangels und der Lactose-Unverträglichkeit

Bezeichnung
Pathogenese
kongenitale
Lactoseintoleranz
Eigenständige Funktionsstörung, bei der es zur Absorption von Lactose im Magen und Lactosurie kommt. Häufigkeit: sehr selten.
primär-kongenitaler
Lactasemangel
(Alaktasie)
Die Enzymaktivität ist bereits bei der Geburt nicht vorhanden. Zeigt nur in Finnland ein gehäuftes Vorkommen. Häufigkeit: selten.
primärer Lactasemangel
der Erwachsenen
(Adulte Hypolaktasie)
Genetisch bedingte Veranlagung zur Verminderung der Enzymaktivität in der Kindheit oder im frühen Erwachsenenalter.
Häufigkeit: sehr häufig
sekundär bedingter
Lactasemangel
Es liegt kein genetischer Defekt vor. Die Verminderung der Enzymaktivität kommt aufgrund einer geschädigten Darmmukosa oder einer reduzierten funktionellen Oberfläche der Mukosa zustande.

Quelle: [7]


Da Lactase in der Spitze der Bürstensaummembran lokalisiert ist, können Funktionsstörungen bereits in frühen Stadien der Epithelschädigung beobachtet werden. Infolge der Lactose-intoleranz wird der Milchzucker nicht enzymatisch, sondern durch Darmbakterien abgebaut. Dies führt zu Symptomen wie Diarrhö, Blähungen, krampfartigen Bauchschmerzen, Völlegefühlen und Übelkeit.

Durch Anpassung der oralen Lactose-Aufnahme an die individuelle intestinale Lactose-Toleranz kann eine Beschwerdefreiheit erzielt werden. Zunächst ist über einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen eine lactose-freie Diät einzuhalten: Nicht nur Milch und Milchprodukte, sondern auch mit Milch und Milchpulver zubereitete Lebensmittel sind dabei zu meiden. Anschließend wird individuell getestet, welche Lactosekonzentration toleriert wird.

Im Regelfall ist bereits das Einhalten einer mäßig lactosearmen Diät, die 8 bis 10 g Lactose/Tag enthält, ausreichend. Nur bei einem ausgeprägten Lactasemangel sollte eine dauerhaft lactosefreie Diät eingehalten werden. Zusätzlich kann die Verträglichkeit durch lactasehaltige Enzympräparate in Tabletten- oder Pulverform verbessert werden. Diese können den Speisen zugegeben oder zu lactosehaltigen Mahlzeit eingenommen werden. Es muss jedoch beachtet werden, dass die meisten Präparate die zugeführte Lactose nicht vollständig hydrolisieren, da sie nicht magensaftresistent sind. Des Weiteren können Sorbit und/oder Xylit als Zusatz- und Füllstoff enthalten sein. Dies muss im Fall einer gleichzeitig vorhandenen Sorbit-Intoleranz und bei Fructosemalabsorption berücksichtigt werden [7].

Pharmakologisch bedingte Lebensmittelintoleranzen

Pharmakologisch bedingte Lebensmittelintoleranzen liegen laut Definition der European Academy of Allergology and Clinical Immunology (EAACI) gegenüber biogenen Aminen vor [9]. Amine werden in der Regel nach ihrer originären Aminosäure benannt. Beispielsweise entsteht Histamin aus Histidin und Tyramin aus Tyrosin. Biogene Amine kommen in geringen Mengen ubiquitär in Lebensmitteln vor. Sie entstehen mithilfe von Aminosäuredecarboxylasen aus Aminosäuren, die in tierischen und pflanzlichen Geweben sowie in Mikroorganismen zu finden sind. Folglich nimmt der Mensch neben der endogenen Synthese biogene Amine auch über die Nahrung auf [10]. Unter anderem sind biogene Amine in reifem Käse, einigen Fisch-, Rohwurst-, Gemüse- und Obstsorten zu finden [4].

Die exogen zugeführten Amine werden größtenteils von Mikroorganismen der Darmflora abgebaut, so dass nur geringe Mengen ins Blut gelangen. Üblicherweise werden daher keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen beobachtet. Anders ist es bei einer sehr hohen Zufuhr oder bei Insuffizienz der Regulationsmechanismen. Dazu zählen etwa die Histamin-Intoleranz, die Tyramin-Unverträglichkeit sowie die Histamin-Intoxikation, auf die später in diesem Beitrag eingegangen werden wird. Bei Vorliegen einer Histamin-Intoleranz, die in der Literatur z. T. den Pseudoallergien zugeordnet wird, können bei Überschreiten einer individuellen Toleranzschwelle konzentrationsabhängig Histamin-vermittelte Symptome beobachtet werden (Tab. 7) [10]. Ein wichtiges Leitsymptom ist die Urtikaria: So zeigte eine retrospektive Kohortenstudie, dass bei 25% der Urtikaria-Fälle Hinweise auf eine Histamin-Intoleranz vorlagen [11]. Als Ursache wird eine verminderte Aktivität des Histamin abbauenden Enzyms Diaminoxidase (DAO) diskutiert. Zudem soll eine erhöhte Darmpermeabilität von Bedeutung sein. DAO kann aufgrund eines genetischen Defekts, aber auch durch Medikamente, alkoholische Getränke, Polyamine in der Nahrung oder durch chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa eingeschränkt sein.


Tab. 7: Symptome einer Histamin-Intoleranz

Organ
Symptome
Haut
Hautrötung und Hitzegefühl
(Flush)
Urtikaria
Juckreiz
Gastrointestinaltrakt
Übelkeit, Erbrechen
Bauchschmerzen
Meteorismus
Diarrhö
Zentrales Nervensystem
Kopfschmerzen, Schwindel
Kardiovaskuläre System
Hypotonie
Tachykardie
Herzrhythmusstörungen
Atemwege
nasale Obstruktion
Fließschnupfen
Urogenitaltrakt
Dysmenorrhö

Quelle: [13]


In der Regel lassen sich Symptome einer Histamin-Intoleranz 45 Minuten nach Verzehr des Histamin-haltigen Lebensmittels beobachten. Nach etwa acht bis zwölf Stunden klingen diese dann wieder ab. Da bei allergischen Reaktionen ebenfalls Histamin freigesetzt wird, kommt es leicht zu Verwechslungen [10]. Der erste Diagnoseschritt sollte die Anamnese sein, welche sich entweder an Symptomen, die durch Histamin ausgelöst werden können oder an den verzehrten Speisen mit hohem Histamin-Gehalt orientiert. Es muss berücksichtigt werden, dass die Histamin-Konzentration in Lebensmitteln und alkoholischen Getränken starken Schwankungen unterliegen kann. Obwohl bei einem vorliegenden Verdacht basierend auf der Anamnese eine doppelblind placebokontrollierte Provokation als Test am besten geeignet wäre, kann diese Methode nicht empfohlen werden. Weniger riskant ist die sog. negative Provokation. Dabei sollten Patienten entweder eine Histamin-freie Diät oder eine Kartoffel-Reis-Diät, die auch bei Urtikaria seit Langem erfolgreich eingesetzt wird, durchführen [11].

In der Therapiephase gilt es, eine Histamin-arme Kost einzuhalten, wobei neben Histamin-reichen Lebensmitteln auch alkoholische Getränke gemieden werden sollen. Teilweise gibt es für diese Lebensmittel gute Alternativen (Tab. 8). Zudem muss unter Umständen auch auf Lebensmittel verzichtet werden, die in Verdacht stehen, nicht-immunologisch Histamin aus den Mastzellen und basophilen Leukozyten freizusetzen. Dazu zählen Schokolade, Alkohol, Zitrusfrüchte, Schalentiere, Nüsse, Tomaten, Ananas, Erdbeeren, Gewürze und Zusatzstoffe wie Azofarbstoffe und Benzoesäure.


Tab. 8: Histamin-reiche Nahrungsmittel und Alternativen

Lebensmittelgruppe
Histamin-reiche Lebensmittel
Histamin-arme Lebensmittel
Fisch
Thunfisch, Sardinen, Sardellen, Makrelen,
Fischkonserven
Frischer und tiefgefrorener Fisch
Käse
Hartkäse wie Parmesan, alter Gouda, Emmentaler, Rohmilchkäse,
Sauermilchkäse, z. B. Harzer
Frischmilchprodukte, Butterkäse,
junger Gouda, Frischkäse
Wurst
gepökelte, getrocknete und geräucherte Fleisch- und Wurstwaren wie Schinken und
Salami
Frischwurstaufschnitt, Kochwurst
(z. B. Leberwurst)
Gemüse
vergorene Gemüse wie Sauerkraut, in Essig marinierte Gemüse, Spinat, Tomate, Aubergine, Avocado
Karotte, Blumenkohl, Broccoli, Lauch,
Erbsen, Weißkohl
Alkoholika
Rotwein, Champagner, Weizenbier
In geringen Mengen klare Spirituosen,
untergärige Biere (z.B. Pils, Export),
trockener Wein
Sonstiges
Würzsoßen wie Sojasoße, Hefeextrakt und
Ketchup
Gewürze, Salz

Quelle: [10]


Ergänzend können die diätetischen Maßnahmen durch Antihistaminika oder Mastzellstabilisatoren unterstützt werden. Im Gegensatz dazu liegen noch keine ausreichend fundierten Hinweise vor, ob DAO-Präparate zur Substitution des Enzyms in der Therapie eingesetzt werden können. In Einzelfällen konnte jedoch bei einer Vitamin-B6 -Gabe, das als DAO-Cofaktor dient, eine Besserung beobachtet werden [10].

Daneben kann auch eine Tyramin-Unverträglichkeit durch pharmakodynamische Interaktionen auftreten. So wurden bei Patienten, die mit Monoaminooxidase-Inhibitoren (MAO-Hemmer) behandelt wurden, bereits bei einer geringen Tyramin-Zufuhr Vergiftungserscheinungen beobachtet. MAO ist jedoch das wichtigste Tyramin abbauende Enzym, das das Amin bereits im Darm entgiftet. Bei einer Unverträglichkeitsreaktion, die etwa eine halbe bis drei Stunden nach der Mahlzeit eintritt und bis zu 24 Stunden anhalten kann, werden Bluthochdruck in Verbindung mit Kopfschmerz, Schwindel, Sehstörungen, Übelkeit und teilweise Diarrhö und Erbrechen beobachtet. Im Extremfall können aus dem starken Blutdruckanstieg Gefäßrupturen resultieren, die tödliche Hirnblutungen hervorrufen können. Vor diesem Hintergrund sollten Patienten, die MAO-Hemmer erhalten, eine tyraminarme Kost, die maximal 6 g Tyramin/Tag enthält, einhalten. Insgesamt gleicht diese Kost einer Histamin-armen Kost. Zudem sind Lebensmittel wie Ananas, Rharbarber, Banane, Papaya, Pilze, Nüsse, Leber, Sauermilchprodukte, Kakao, Schokolade und Curry nicht geeignet [10].

Toxische Reaktionen

Toxische Reaktionen bilden eine eigene Untergruppe der Lebensmittelunverträglichkeiten. Dabei erweist sich als problematisch, dass Intoxikationen mit Lebensmittelallergien oder Pseudoallergien aufgrund der Symptomatik verwechselt werden können [1]. Toxische Effekte durch Nahrungsmittel können bei jedem Menschen in Abhängigkeit von der Dosierung beobachtet werden [1, 3, 9]. Verursacht werden diese Reaktionen durch Stoffe in Lebensmitteln mit toxischer oder pharmakologischer Wirkung, die jedoch keine Freisetzung von Entzündungsmediatoren bewirken, obwohl z. T. die gleichen Substanzen, etwa Histamin, für die Symptomatik verantwortlich sind [1]. Diese Substanzen können unterschiedlichen Ursprungs sein. Neben einem natürlichen Vorkommen, können toxische Inhaltsstoffe auch durch den Herstellungsprozess oder durch Kontaminationen in das Lebensmittel gelangen [9]. Dazu zählen natürliche biogene Inhaltsstoffe wie Alkaloide, z. B. Solanin in Kartoffeln oder Tomaten. Auch biogene Amine wie Histamin und Serotonin zählen zu dieser Gruppe.Die Abbauprodukte von Aminosäuren sind besonders in reifen Käse, Rotwein, Hefeextrakt, Sauerkraut, Bananen, Fisch und Walnüssen enthalten [1]. Beispielsweise wird eine Histamin-Intoxikation durch verdorbenen Thunfisch oder Makrelen ausgelöst. Neben dem Gehalt an Aminen scheinen weitere Fäulnisprodukte das Krankheitsbild zu bestimmen [10]. Des Weiteren gehören der Gruppe der natürlichen biogenen Inhaltsstoffe Phytoalexine wie Furocumarine aus Sellerie, Pastinake und Petersilie sowie toxische Proteine, etwa Lectine in Hülsenfrüchten, an. Daneben können Intoxikationen durch infektiöse Keime, Bakterientoxine, Saxitoxin sowie Umweltkontaminanten ausgelöst werden. Auch bestimmte Zusatzstoffe können toxische Effekte auslösen. So kann infolge einer Glutamat-Aufnahme das "China-Restaurant-Syndrom" bei empfindlichen Personen auftreten [1]. Herstellungsbedingt können Vergiftungen durch Pestizide, aber auch Medikamente wie Hormone, Antibiotika oder β-Blocker ausgelöst werden [3]. Schließlich können auch über die Verpackung toxische Substanzen in unerwünschten Mengen in das Lebensmittel gelangen und dessen Sicherheit gefährden. In Artikel 3 der EU-Rahmenrichtlinie ist jedoch geregelt, dass alle Materialien und Gegenstände im Kontakt mit Lebensmitteln so hergestellt werden müssen dass sie unter den üblichen Verwendungsbedingungen keine Inhaltsstoffe auf das verpackte Lebensmittel abgeben [12].


Literatur

[1] Baltes W, Matissek R. Unverträglichkeitsreaktion/Allergien gegen Lebensmittel. In: Baltes W, Matissek R (Hrsg.). Lebensmittelchemie. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg 2011:351 – 365.

[2] Binder C. Ernährungsdiagnostik und -therapie bei Lebensmittelunverträglichkeiten im Überblick. Ernährungs-Umschau 2005(10):411 – 413.

[3] Bruckbauer H et al. Nahrungsmittelallergien. In: Biesalski H. et al. (Hrsg.). Ernährungsmedizin: Nach dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer, 3. Auflage. Stuttgart, New York: Georg Thieme Verlage 2004.

[4] Constien A. Allergological Problems in Adults.Akt Ernähr Med 2002;27(4):238 – 241.

[5] Reese I. Pseudoallergische Reaktionen. Ernährung 2008;2(1):16 – 21.

[6] Maintz L, Novak N. Histamine and histamine intolerance. The American Journal of Clinical Nutrition 2007;85(5):1185 – 1196.

[7] Kerber M et al. Laktoseintoleranz: Nahrungsmittelallergien- und unverträglichkeiten. In: Ledochowski M, (Hrsg.). Klinische Ernährungsmedizin. Wien New York: Springer 2010:441 – 450.

[8] Ledochowski M et al. Carbohydrate Malabsorption Syndromes and Early Signs of Mental Depression in Females. Digestive Diseases and Sciences 2000;45(7):1255 – 1259.

[9] Bruijnzeel-Koomen Cet al. Adverse reactions to food. European Academy of Allergology and Clinical Immunology Subcommittee. Allergy 1995;50(8):623 – 635.

[10] Weiß C. Biogene Amine. Ernährungs-Umschau 2009(3):172 – 179.

[11] Jarisch R. Histaminintoleranz: Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten. In: Ledochowski M, (Hrsg.). Klinische Ernährungsmedizin. Wien New York: Springer 2010:433 – 440.

[12] Franz R. Verpackungstoxikologie: Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten. In: Ledochowski M, (Hrsg.). Klinische Ernährungsmedizin. Wien New York: Springer 2010:461 – 471.

[13] Maintz L et al. Die verschiedenen Gesichter der Histaminintoleranz - Konsequenzen für die Praxis. Deutsches Ärzteblatt 2006;103(51-52):3477 – 3483.


Autorin
Katja M. Aue M. Sc. Ökotrophologie
E-Mail: katja_aue@web.de



DAZ 2012, Nr. 13, S. 66

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