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Arzneimittel und Therapie
Keuchhustenepidemie in Australien: Veränderte Erreger sorgen für Zweifel an Wirksamkeit des azellulären Wirkstoffs
Keuchhusten (Pertussis) ist eine bakterielle Infektionskrankheit, die früher vorwiegend Kinder befiel. Sie wird meist durch Bordetella pertussis , seltener durch Bordetella parapertussis ausgelöst und verläuft in mehreren Stadien regelhaft über mehrere Wochen. Charakteristisch sind anfallsartige Hustenanfälle. Heute sind zu fast 80% Personen über 18 Jahren betroffen. Weltweit kommt es zu etwa 280.000 Todesfällen als Folge einer Pertussis-Erkrankung. Nach der Wiedervereinigung entwickelte sich die Epidemiologie der Pertussis in beiden Teilen Deutschlands aufgrund abweichender Impfpraktiken sehr unterschiedlich. Derzeit ist die Datenlage sehr unübersichtlich, da zahlreiche Veränderungen hinsichtlich des Impfstoffs, Meldepflicht von Erkrankungen bzw. Todesfällen und Empfehlungen in den letzten Jahrzehnten erfolgt sind. Die früher gebräuchlichen Ganzkeimimpfstoffe wurden durch azelluläre, besser verträgliche Impfstoffe ersetzt, die nur noch die Bestandteile des Erregers enthalten, die eine Immunantwort hervorrufen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die dreimalige Impfung im ersten Lebensjahr, beginnend in der 9. Lebenswoche, sowie eine Auffrischung zwischen dem 12. und 15. Lebensmonat (Grundimmunisierung). Außerdem sollen Kinder mit fünf bis sechs Jahren sowie Jugendliche zwischen dem 9. und 18. Geburtstag routinemäßig eine Auffrischung gegen Keuchhusten erhalten.
Zunehmende Pertussis-Erkrankungen trotz hoher Impfquote
Wie in vielen anderen Industrienationen steigt allerdings seit einigen Jahren die Zahl der Neuerkrankungen auch in Deutschland. Australische Wissenschaftler haben den Pertussis-Erreger Bordetella pertussis jetzt genauer untersucht. Seit 2008 steigen in Australien trotz hoher Impfquote die Erkrankungszahlen. So wurden im letzten Jahr 38.000 Erkrankungen diagnostiziert, wobei dies zum Teil auch auf eine verbesserte Labordiagnostik zurückzuführen wird, der größte Teil beruht jedoch auf der Ausbreitung eines neuen Genotyps, so die Wissenschaftler. Er ist genetisch gekennzeichnet durch die Allele prn2 oder ptxP3. 84% der in Australien auftretenden Keuchhustenerkrankungen sind auf diesen Genotyp zurückzuführen. Zehn Jahren zuvor habe der Anteil nur 31% betragen. Es wird eine Verbindung mit dem Wechsel vom Ganzkeimimpfstoff zur azellulären Vakzine gesehen. Nachdem es zuvor zu schweren Komplikationen gekommen war, wurden danach azelluläre Impfstoffe mit besserer Verträglichkeit appliziert. Im Gegensatz zum Ganzkeimimpfstoff mit einer Vielzahl von Antigenen enthält der azelluläre Impfstoff aber nur wenige Antigene. Durch Selektionsdruck können sich dann Erreger ausbreiten, gegen die der Impfstoff keinen oder nur geringen Schutz bietet.
Der Genotyp ptxP3 bildet außerdem mehr Toxin als andere Genotypen. Bei einer Erkrankung vor dem sechsten Lebensmonat sterbe einer von 200 Säuglingen, so die Wissenschaftler. Die Gesundheitsbehörde im australischen New South Wales empfiehlt deshalb, die erste Impfung vom 2. Lebensmonat auf die 6. Woche vorzuziehen. Zudem sollten neue Eltern und alle Betreuer von Säuglingen sich impfen lassen. Der Genotyp ptxP3 wurde auch in verschiedenen europäischen Ländern nachgewiesen und ist in Schweden offensichtlich Ursache für die höhere Erkrankungsrate im Raum Göteborg.
Quelle
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