Management

Selbstreflexion – Schlüsselkompetenz für den Apotheker

Analysieren Sie Ihre Motive, Ansichten oder Einstellungen?

Eine Studie des Trainingsunternehmens AchieveGlobal Deutschland hat ergeben, dass die Fähigkeit zur Selbstreflexion in einem Set von sechs Kompetenzen zu den wichtigsten Fähigkeiten einer Führungskraft gehört. Doch was genau bedeutet die Kompetenz zur Selbstreflexion? Und welche Möglichkeiten hat die Apothekerin oder der Apotheker, festzustellen, ob sie ausbaufähig ist oder nicht?

Natürlich muss ein Apotheker vor allem fit sein auf dem pharmazeutischen Gebiet. Aber die Fähigkeit, als Apothekenleiter die Mitarbeiter so zu führen und zu motivieren, dass sie ihr Bestes für die Apotheke geben können und auch wollen, ist für den Apothekenerfolg ebenfalls unumgänglich.

Komplexitätsgrad der Führungsaufgaben steigt

Die Studie "Die Führungskraft im 21. Jahrhundert", die von AchieveGlobal erstellt wurde, zeigt, dass ein zeitgemäßer Führungsstil mehrere Kompetenzfelder umfasst. Insgesamt 42 Führungsfähigkeiten – sowohl verhaltensbezogene als auch kognitive – haben die Ersteller der Studie in sechs Feldern zusammengefasst. Übertragen auf die Apotheken bedeutet dies:

1. Reflexion: In diesem Kompetenzfeld analysiert der Apotheker die eigenen Motive, Ansichten, Einstellungen und Handlungen.

2. Werteorientierung: Hierbei geht es um Prinzipien wie Fairness, Respekt und die Bedeutung des "übergeordneten Wohls". Die Fokussierung auf Einzelinteressen ist legitim – erfolgsentscheidend aber ist, die übergeordneten Interessen des Teams und der Apotheke zu berücksichtigen.

3. Umgang mit Vielfalt: Dieses Kompetenzfeld umfasst die Fähigkeit des Apothekers, die Unterschiedlichkeit von Menschen zu respektieren und überdies zu fördern.

4. Kreativität: Der Apotheker versteht es, ein umsetzungsorientiertes Innovationsklima zu schaffen.

5. Mensch: In diesem Kompetenzfeld stellt der Apotheker vertrauensvolle Beziehungen und Verbindungen zu anderen Menschen her.

6. Business: Jeder Apotheker entwickelt Strategien, trifft – zuweilen auch harte und unangenehme – Entscheidungen und organisiert die Arbeit der Mitarbeiter, um die Ergebnisse zu erzielen, die den Apothekenerfolg sichern.

Selbstreflexion als Schlüssel zum Erfolg

Die Auswertung der Studie zeigt: Die Komplexität der Führungsaufgaben nimmt zu. Ein zeitgemäßer Führungsstil muss alle sechs Kompetenzfelder abdecken, und zwar möglichst gleichmäßig. Am wichtigsten scheint die Fähigkeit zur Selbstreflexion zu sein. Denn Apotheker mit Stärken im Kompetenzfeld Reflexion sind besser in der Lage, ihre Stärken zu nutzen und Schwächen abzubauen. Der selbstreflexive Apotheker beobachtet ständig sein Umfeld, legt sein Tun und Denken unter die kritische Lupe und reflektiert seine Entscheidungen selbstkritisch.

Mit anderen Worten: Er hält andauernd Ausschau nach Verbesserungsmöglichkeiten, und das bezieht sich auch auf die anderen fünf genannten Felder. Etwas überspitzt ausgedrückt: Ohne die Fähigkeit zur Selbstreflexion käme es bei den meisten der notwendigen Führungskompetenzen zur Stagnation.

Erfreulich: Die Fähigkeit, brachliegende Verbesserungspotenziale aufzudecken, gilt auch bezüglich der Mitarbeiter und der Organisation insgesamt. Auch hier besitzt der selbstreflexive Apotheker die Fertigkeit, den Finger in die Weiterentwicklungswunde zu legen und kontinuierliche Verbesserungsprozesse in Gang zu setzen. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus?

Die Fähigkeit zur Selbstreflexion – Analyse

Zuallererst sollte der Apotheker versuchen, seine Selbstreflexionskompetenz zu analysieren, also den Ist-Zustand feststellen. Dies kann durch Eigenbeobachtung gelingen, durch die Befragung vertrauenswürdiger Personen oder durch einen Kompetenzcheck, wie er zum Beispiel von Beratungsunternehmen wie der Scheelen AG, Waldshut-Tiengen, und der SYNK Group in Stuttgart durchgeführt wird. Bei der Scheelen AG etwa wird ein Persönlichkeits- und Kompetenzdiagnostiktool eingesetzt, um die Führungskompetenzen eines Menschen im Detail zu analysieren.

Bei der Eigenbefragung ist es empfehlenswert, sich die folgenden Fragen zu stellen:

  • "Wie gehe ich mit Fehlern um, die mir unterlaufen?"

  • "Übernehme ich die Verantwortung für meine eigenen Fehler?"

  • "Welche Versuche unternehme ich, um mir das Wissen und die Kenntnisse anzueignen, die erforderlich sind, mir einen Überblick über das ‚große Ganze‘ in meiner Apotheke und meinem beruflichen Umfeld zu verschaffen?"

  • "Bin ich zu der Analyse in der Lage, inwiefern es mir gelingt, die strategischen und operativen Herausforderungen zu bewältigen, vor denen meine Apotheke steht?"

  • "Betrachte ich Fehler als Chance, um zu lernen, mich weiterzuentwickeln und zu wachsen?"

Auch den privaten Bereich einbeziehen

Gerade der Punkt des Umgangs mit Fehlern zeigt, wie wichtig es ist, mit Menschen aus dem beruflichen, aber auch dem privaten Umfeld Rücksprache zu halten. Dabei kann das Gespräch mit der Partnerin oder dem Partner zuweilen konkreteren Aufschluss bieten als die Befragung etwa eines befreundeten Apothekers. Der Grund: Wir geben uns im Privatleben eher so, "wie wir wirklich sind". Ohne den beruflichen Filter verhält sich der Apotheker authentischer als in der Apotheke, weil er dort bestimmte Rollen spielen und bestimmten Erwartungen entsprechen muss.

Und darum ist es interessant zu erfahren, wie der Apotheker mit Fehlern umgeht, die ihm im Familienkreis, bei der Gartenarbeit oder im Kegelclub unterlaufen.

Zu den bereits erwähnten Fragestellungen kommen weitere hinzu, wenn der Apotheker seine Selbstreflexionskräfte unter die kritische Analyselupe legen will. So zum Beispiel die Frage, ob er häufig über die eigenen Leistungen als Führungskraft nachdenkt, mithin nicht allein seine Fachkompetenz reflektiert, sondern ebenso über seine Führungsfähigkeiten.

Ein weiteres Merkmal für ausgeprägte Selbstreflexionskompetenz ist die Bereitschaft, ernsthaft über andere Meinungen nachzudenken und diese in die eigene Entscheidungsfindung zu integrieren. Denn die andere Ansicht stellt ja immer die persönliche Einstellung und Überzeugung infrage oder relativiert sie zumindest. Menschen, die zum Perspektivenwechsel bereit und fähig sind und manchmal eine andere Wahrnehmungsbrille als die eigene aufsetzen können, denken und handeln im höchsten Maße selbstreflexiv. Selbstreflexive Apotheker sind darum willens, anderen Menschen zu vertrauen und von ihnen zu lernen.

Selbstreflexion hilft Apothekern, mögliche Fallstricke in den anderen fünf Kompetenzfeldern zu umgehen und aus ehrlichem Feedback Gewinn zu ziehen. Ganz wichtig: Sie können die Grenzen des eigenen Wissens anerkennen. Vereinfacht ausgedrückt: Sie stellen sich selbst nicht in den Mittelpunkt der Welt, wissen um die Relativität ihres Tuns und nehmen sich selbst nicht immer ganz so wichtig. Trotzdem oder gerade deswegen engagieren sie sich voll und ganz für ihre Apotheke und ihre Mitarbeiter.

Fazit

Die Analyse der Selbstreflexionskompetenz ist die Voraussetzung für die Überlegung, welche Veränderungsprozesse der Apotheker einleiten muss. Konkret: Stellt er fest, dass diese Kompetenz unterentwickelt ist, sollte und kann er über Möglichkeiten nachdenken, sie auf- oder auszubauen.


Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater



AZ 2012, Nr. 49, S. 7

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