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- AZ 39/2012
- Heißer Herbst
Gesundheitspolitik
Heißer Herbst?
Die Honorarerhöhung ist durch, es bleibt bei 25 Cent. Kam der öffentliche Protest der Apotheker zu zögerlich und zu spät? Auf den ersten Blick sieht es so aus. Auf den zweiten Blick haben die "Warnstreiks" durchaus Wirkung gezeigt: Die Medien haben so neutral und ausgewogen wie selten über die Forderungen der Apotheker und über die Arzneimittelpreise generell berichtet. Der Aufhänger zu diesen Meldungen und sogar Fernsehberichten war fast immer die Berichterstattung über die Protestaktionen vor allem in den südwestdeutschen Ländern. (Offenbar sind hier die Menschen besonders kämpferisch bei der Durchsetzung ihrer Ziele. Vielleicht ist es kein Zufall, dass Gewerkschaften gerne Baden-Württemberg als Pilotregion für Tarifverträge wählen.) Und das Argument, man verscherze sich mit solchen Aktionen das Wohlwollen der Patienten und Kunden, sollte für immer vom Tisch sein. Die meisten Menschen haben Verständnis, wenn man berechtigten (!) Forderungen Nachdruck verleiht.
Ob die nun – auch für die ABDA – überraschend ins Spiel gebrachte Notdienstpauschale in Höhe von insgesamt 120 Millionen Euro auch auf die Proteste zurückzuführen ist, ist reine Spekulation. Aber bei allen Unklarheiten, die noch herrschen: Die "Mehrzahlungen" an die Apotheker summieren sich damit auf 310 Millionen Euro. Das ist ungefähr die Hälfte der geforderten 624 Millionen. Bei den oben bereits erwähnten Tarifverhandlungen wäre das ein durchaus respektables Verhandlungsergebnis. Nur steigen die Verhandlungspartner mit Forderungen in die Tarifgespräche ein, die das von vorneherein berücksichtigen.
Nun hat die ABDA in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung beschlossen, die Proteste gegen die Regierung einzustellen und sich auf die Verhandlungen mit der GKV über den Kassenabschlag zu konzentrieren. Es ist sinnvoll, sich nicht in verlorenen Schlachten zu verkämpfen, an den 25 Cent ist erst mal nicht mehr zu rütteln. Aber könnte man den Elan der Proteste, die sich immer stärker artikulierende Wut der Basis nicht nutzen, um schon vor den Verhandlungen Druck auf die Kassen aufzubauen? Statt von einer "Tool-Box" mit Protestmaßnahmen zu reden, die eher eine Wundertüte zu sein scheint, weil keiner weiß, was sich darin versteckt?
Ich meine, es wäre sinnvoll, die Proteste jetzt anzupassen und den Adressaten zu ändern, statt sie auszusetzen.
Dr. Benjamin Wessinger
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