Gesundheitspolitik

DocMorris hält an Rx-Rabatten fest

Celesio sauer – Linda AG sieht Apothekerkammern gefordert

Stuttgart/Berlin (lk/ks). Die holländische Versandapotheke DocMorris will sich nicht an die neuen Vorgaben des Arzneimittelgesetzes halten und ihren Kunden weiterhin deutliche Boni auf Rx-Arzneimittel gewähren. Beim Mutterkonzern Celesio schweigt man zwar offiziell – doch glücklich dürfte die Stuttgarter Chefetage über den Alleingang von DocMorris-Vorstand Olaf Heinrich nicht sein. Empörung löste DocMorris auch bei der Linda AG aus, die bis vor Kurzem selbst auf die Zusammenarbeit mit einer holländischen Versandapotheke setzte.

Am 21. September hatte das "Zweite Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften" seinen abschließenden Durchgang im Bundesrat. Nun wird in Kürze ausdrücklich im Gesetz stehen, dass auch ausländische Versandapotheken die Arzneimittelpreisverordnung einzuhalten haben, wenn sie nach Deutschland versenden. Nach der Ende August ergangenen Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe wäre eine solche gesetzliche Klarstellung allerdings gar nicht zwingend nötig gewesen.

Dennoch: Schon nach diesem Urteil hatte der Europäische Versandapothekenverband EAMSP, in dessen Vorstand Heinrich ebenfalls sitzt, angekündigt, Rx-Boni nicht kampflos aufgeben zu wollen. Nun ging er in seiner Eigenschaft als DocMorris-Vorstand auch gegenüber seinen Kunden in die Offensive: "Wir versprechen: Für jedes Rezept, das Sie uns senden, bekommen Sie weiterhin Ihren Preisvorteil", heißt es in einem Brief, den Heinrich an seine Kunden verschickt hat. DocMorris werde für den Erhalt der Rx-Boni bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen und rechne "fest mit einem klaren Votum für die Patienten". Heinrich: "Die Preisvorteile werden bleiben."

DocMorris-Attacke gegen "Apothekerlobby"

Zudem attackierte der DocMorris-Chef die deutschen Apotheker. In seiner Kundeninformation wirft er ihnen nicht nur vor, gemeinsam mit der Politik den Wettbewerb zum Nachteil der Patienten zu unterbinden. Nicht akzeptabel sei, dass die "Apothekerlobby" zugleich über eine Honorarerhöhung "in Millionenhöhe" verhandele. Heinrich: "Der gesunde Wettbewerb wird ausgeschaltet, Patientenvorteile werden gestrichen. Sie als Verbraucher bekommen weniger, die Apotheken mehr. Das passt nicht zusammen."

Beim Pharmahändler Celesio will man sich zu diesem provozierenden Kunden-Brief nicht offiziell äußern. Verwunderlich ist dies nicht: Gedanklich hat sich Celesio schon lange von DocMorris getrennt, aber faktisch steckt man derzeit noch mitten im Verkaufsprozess. Hinter vorgehaltener Hand sind allerdings aus dem Unternehmen deutliche Worte der Verärgerung zu hören. Das Vorgehen der Niederländer war offenkundig nicht abgestimmt, der Inhalt "mehr als unglücklich" formuliert und die Tonalität falsch – vor allem mit Blick auf die Kritik an der Apothekerlobby, hört man aus der Celesio-Zentrale. Heinrich soll dem Vernehmen nach in einem Anruf aus der Celesio-Zentrale persönlich erfahren haben, wie sehr der Brief den Stuttgartern "sauer aufgestoßen" ist.

Auch die Apothekenkooperation Linda sah sich angesichts der DocMorris-Ankündigungen bemüßigt, aktiv zu werden – und zwar indem sie die Apothekerkammern aufforderte "unverzüglich Schritte gegen die EU-Versandapotheken einzuleiten".

In einem offenen Brief wenden sich der Vorstand der Linda AG sowie der Präsident und Vize-Präsident des Linda-Hauptaktionärs MVDA e. V. an alle Apothekerkammern. Sie halten den Standesorganisationen vor, gegenüber DocMorris jahrelang untätig geblieben zu sein. Erst als Linda mit Vorteil24 der ausländischen Konkurrenz etwas entgegengesetzt habe, seien die Kammern aktiv geworden – und zwar "zum Teil sehr aggressiv" und gegen ihre eigenen Mitglieder.

Linda sieht ihren Vorteil24-Ausflug – erst kürzlich war die Kooperation mit der holländischen Montanus-Apotheke eingestellt worden – weiterhin als Erfolg: "Die Zielsetzung von Vorteil24, Wettbewerbsgleichheit zwischen den EU-Versandapotheken und den deutschen inhabergeführten Apotheken herbeizuführen, ist durch die AMG-Novelle erreicht", heißt es auch jetzt wieder. Nun müsse unbedingt verhindert werden, dass die Wettbewerbsgleichheit doch wieder unterlaufen werde. Dazu müssten die Apothekerkammern ihre Möglichkeiten nutzen, die ihnen das Wettbewerbsrecht biete. Außerdem könnten sie Anzeige bei den deutschen und niederländischen Aufsichtsbehörden erstatten und ihre Kontakte zu den Krankenkassen und der Politik mobilisieren.



AZ 2012, Nr. 39, S. 3

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