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- AZ 36/2012
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Wirtschaft
Bedroht die Finanzkrise die Apotheken?
Die Grundsatzfrage dreht sich letztlich darum: Mehr Schulden machen, der Wirtschaft und des Wohlstands zuliebe, und Geld verteilen oder aber entschulden und "gesundschrumpfen"? Da das Vertrauen des privaten Kapitals schwindet, müssen wieder die Staaten und Notenbanken her. Damit ist die Zukunft der Finanzen so politisiert wie selten zuvor – und deshalb schwer kalkulierbar.
Inflation
Traditionell ist hierzulande die Angst vor Inflation groß, während andere Länder, insbesondere der "Südschiene", damit lange Zeit "gut" gelebt haben. Gut ist aber relativ – eine hohe Wertschöpfung, Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit auf Weltniveau hat ihnen auch die Inflationspolitik der Vor-Euro-Zeit nicht beschert.
Die Apotheken wären krasse Inflationsverlierer! Grund ist der hohe Rohertragsanteil, den das Fixhonorar ausmacht; fast die Hälfte des gesamten Rohertragsvolumens stammt daraus. Und wie schwer eine Anpassung ist, diese Lehrstunde wird ja gerade erteilt. Was Inflation in der Apothekenbilanz anrichten könnte, zeigt Tab. 1.
Inflationsrate = konstant 4% |
Heute |
nach 5 Jahren
Szenario 1 – Stagnation:
Kosten + 4% p.a. Pckg.-Zahl +/– 0% p.a. Pckg.-Preise + 3% p.a. |
nach 5 Jahren
Szenario 2 – Wachstum:
Kosten + 3% p.a. Pckg.-Zahl + 2% p.a. Pckg.-Preise + 3% p.a. |
Umsatz |
1.750.000 € |
1.994.000 € |
2.185.000 € |
Rohertrag |
434.000 € |
469.000 € |
517.000 € |
Gesamtkosten |
310.000 € |
377.000 € |
359.000 € |
Cashflow nominal |
124.000 € |
92.000 € |
158.000 € |
Cashflow real |
124.000 € |
75.000 € (!) |
129.000 € |
Finanzielle Repression
Eine andere Variante der Sanierung und Entschuldung ist die finanzielle Repression, die inzwischen offen diskutiert wird. Mini-Zinsen bei mäßiger Inflation, d. h. unter dem Strich deutlich negative Realzinsen, führen zu einem ähnlichen Schrumpfungseffekt auf Schulden- wie auf der Vermögensseite wie eine sehr hohe Inflation und "nur" hohe Zinsen. Die absoluten Summen bleiben aber überschaubarer. Aus Milliarden werden nicht so schnell Billionen. Abgerundet wird das Ganze durch verstärkte staatliche Zugriffe, wie verschärfte Vermögens- und Zinsbesteuerung, aber auch lenkende Eingriffe, wie eine privilegierte Stellung von Staatsanleihen z. B. bei Rentenversicherern (Stichwort Solvency II). Zurzeit deutet vieles auf diesen Ansatz hin. Angesichts einer abkühlenden Konjunktur, europaweit hoher Arbeitslosigkeit und einem möglichen Nachgeben bei den Rohstoffpreisen sind vorübergehend sogar deflationäre Tendenzen, sprich zurückgehende Preise, möglich.
Für die Apotheken wäre dieser Ansatz, betrieblich gesehen, der mildere. Wie oben ausgeführt, sind starke Preissteigerungen pures Gift. Das Privatvermögen ist indes hier ebenfalls gefährdet.
Sind die Finanzen und Zahlungen der GKV sicher?
Mit einer Umsatzbedeutung von gut 70% (und knapp 60% des Rohertrages) ist die GKV unter den jetzigen Randbedingungen der wichtigste Garant für das wirtschaftliche Überleben der Apotheke. Zwar wären andere Szenarien denkbar – warum müssen Arzneimittel in einem Wohlstandsland überwiegend von der GKV bezahlt werden? – , aber absehbar wird sich wohl nicht allzu viel ändern. Es sei denn, man spekuliert auf den "Crash" und kompletten System-Reset.
Insbesondere die pünktliche Rezeptauszahlung ist ein oft übersehener Vorteil, von dem die Apotheken weiter südlich nur träumen können. Würden sich diese Erstattungen um Monate verzögern oder mal ganz ausbleiben, würde dies die Apothekenlandschaft schnell ausdünnen.
Zurzeit scheinen die Gelder in den Sozialkassen nur so zu sprudeln. Übersehen wird dabei, dass sowohl die Krankenkassen als auch die Rentenkassen mit erheblichen Steuermitteln gestützt werden. Bei der Rentenkasse sind es rund 25% (über 60 Mrd. Euro), bei der GKV immerhin gut 8% (15,5 Mrd. Euro), die als Zuschuss fließen. Faktisch werden die Ausgaben der GKV trotz guter Einkommenslage nicht aus Beiträgen gedeckt! Im Zuge einer sich verschärfenden Krise mit Inanspruchnahme des Bundeshaushaltes (für weitere Rettungspakete, Kreditausfälle etc.) stünden die Zuschüsse schnell zur Disposition.
Sollte die Beschäftigungslage kippen, steht Ungemach ins Haus. Bereits kurzfristig Arbeitslose bringen weniger Geld in die Kasse, und jeder ledige ALG II-Empfänger kostet die GKV statistisch mindestens etwa 1200 Euro im Jahr (da mit monatlich rund 135 Euro keine kostendeckenden Beiträge entrichtet werden), im Falle mitversicherter Angehöriger klafft eine noch größere Lücke. Bleiben Lohnsteigerungen aus (jedes Prozent Lohnerhöhung bringt der GKV fast 1,6 Mrd. Euro) bei unvermindert steigenden Leistungsausgaben (1% höhere Kosten = ca. 1,7 – 1,8 Mrd. Euro), kann man sich ausrechnen, wie schnell aus Überschüssen wieder Defizite werden.
Dies passiert allerdings erst mit einem deutlichen Verzögerungseffekt.
Kommt die PKV unter die Räder?
Die Privatversicherer stehen vor vielen Herausforderungen: Überdurchschnittliche Kostensteigerungen, abflachende Zahl an Neuzugängen, alternde Mitglieder und, im Einzelfall noch schlimmer, "vergreisende" Tarife, die schon vor Jahren geschlossen wurden, sprich niemanden mehr aufnehmen, also nicht mehr "aufgefrischt" werden. Immerhin: 158 Mrd. Euro Kapital standen in 2010 (siehe www.pkv.de) zu Buche, gut 135 Mrd. Euro in der Kranken- und 22,5 Mrd. Euro in der Pflegeversicherung. Dieses "Ruhekissen", welches so manch zusätzliche Milliarde an Kapitaleinkünften einspielte, entwickelt sich in der jetzigen Niedrigzinsphase zum echten Problem. Eine mögliche "finanzielle Repression" zeigt sich gerade hier besonders deutlich (wie auch bei kapitalgestützten Rentenversicherern, siehe unten), und illustriert den "Beitrag" der Bürger zur Sanierung der zerrütteten Finanzen an Stellen, an denen er es auf den ersten Blick nicht vermutet.
Sind die Versorgungswerke betroffen?
Prinzipiell gilt hier Ähnliches wie für die Kapitallebensversicherungen – so sehr unterscheiden sich die Modelle nicht: Dauerhaft niedrige Renditen würden sich bemerkbar machen!
So weist z. B. die Bayerische Apothekerversorgung in 2010 Kapitalanlagen in Höhe von ca. 6,52 Mrd. Euro auf, 257.000 Euro je Mitglied, bei rund 25.330 Mitgliedern und 9230 Versorgungsempfängern. 201 Mio. Euro Beitragseinnahmen plus zusätzlich einem Vermögenszuwachs von knapp 340 Mio. € standen 178 Mio. Euro Rentenausgaben gegenüber. Die Durchschnittsverzinsung wurde für 2010 noch mit respektablen 4,81% ausgewiesen. Das sieht alles ganz gut aus. Eine um 1%-Punkt niedrigere Verzinsung hätte indes schon spürbare Auswirkungen. Allerdings brechen die Renditen bei konservativer Wertanlage nicht von jetzt auf gleich ein. Je nachdem, wie das Geld angelegt ist, ob in Anleihen (von welchen Schuldnern mit welcher Laufzeit), Immobilien oder Aktien, wirkt die Mischung erst einmal stabilisierend. Tatsache ist aber, dass die schon erwähnte, finanzielle Repression auf fast alle Anlageklassen mehr oder minder abfärbt, und sei es indirekt oder mit Verzögerung, z. B. durch Blasenbildung an den Immobilien- oder Aktienmärkten. Ein Jahrzehnt solcher Verzerrungen, ob inflationär oder deflationär bzw. repressiv, würde ohne Zweifel starke Spuren hinterlassen.
Nebenbei: Rechnet man einmal den o.a. Kapitalstock auf alle Erwerbstätigen in Deutschland (41,5 Mio. Mitte 2012) hoch, kommt man auf die geradezu groteske Summe von 10.700 Mrd. Euro oder etwa der vierfachen Jahreswirtschaftsleistung (und Zinserträge von gut 500 Mrd. Euro), was nebenbei die Grenzen kapitalgedeckter Systeme illustriert und deswegen ein "Mehrsäulen-Modell" wie in der Schweiz (Mischung aus Umlage- und Kapitaldeckung!) sinnvoll erscheinen lässt.
Private Geldanlage
Angst ist hier ein schlechter Ratgeber! Und wer dem Herdentrieb folgt oder gar der Schafherde hinterherläuft, erzielt meist keine guten Ergebnisse. Und genau diese Gefahr besteht.
So bei der Flucht in Sachwerte, und hier besonders in Immobilien. Gerne vergessen wird: Eigentum verpflichtet – und belastet! Ob Auflagen, Energiewendewahn, horrende Sanierungskosten, Probleme mit Mietern, Eingriffe des Staates in Form verschiedenster, ggf. neu hinzukommender Steuern und Abgaben (Häuser laufen ja nicht weg ...): Betongold glänzt nicht immer! Und vergessen wir nicht: Viele Finanzkrisen haben ihren Ursprung im Immobiliensektor! Warum? Weil eine Immobilie für die meisten Menschen die größte Investition im Leben bedeutet, somit an Krediten (mit allen Folgen u. a. auf die Finanzwirtschaft) hängt und insofern ein hohes "Klumpenrisiko" darstellt. Ein guter Indikator für die Blasenbildung ist übrigens das Verhältnis von Quadratmeterpreis durchschnittlichen Wohnraumes zum durchschnittlichen Stundenlohn im Verlaufe der Jahre.
Echtes Gold mag unter dem Kopfkissen beruhigen, aber ist es eine ernsthafte Vermögensanlage, noch dazu auf derzeitigem Preisniveau? Oder beteiligen wir uns lieber an großen Immobilienprojekten, an Ackerland in Übersee oder Baumplantagen? Oder sind nicht Aktien eine gute Wahl (für den, der Unternehmen beurteilen kann: in jedem Fall!)?
Letztlich stellt sich die Frage: Habe ich die Übersicht, bzw. bin ich bereit, Verantwortung für mein Geld zu übernehmen und mich sachkundig zu machen? Oder verlasse ich mich auf andere, mit allen Chancen und Risiken?
Geld verdienen mit Geld ist echte Arbeit gerade in der Krise – und Dummheit, Nachlässigkeit oder falsches Vertrauen kann ein Vermögen kosten! Oft ist dann Nichtstun sogar klüger als hektisch das Falsche machen.
Fazit
Auch wenn es nicht zum Schlimmsten kommt – die Bürger werden für die Sünden der Vergangenheit teuer bezahlen, und zwar an Stellen, die den meisten noch gar nicht bewusst sind. Und es wird nicht leicht, dem zu entgehen – es sei denn, Sie ziehen eine Auswanderung fernab Europas in Betracht.
Panikreaktionen und Torschluss-Käufe sind jedoch fehl am Platz. Kluge Überlegung ist nach wie vor der beste Vermögensschutz.
Dr. Reinhard Herzog, Apotheker,
72076 Tübingen,
E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de
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