Gesundheitspolitik

Apothekerkammer Nord – ein Traum?

Hamburger Apotheker startet Petition für Fusion der nördlichen Kammern

HAMBURG (diz). Der Gedanke ist nicht neu: Warum sollten sich benachbarte oder kleine Kammerbezirke nicht zu einer gemeinsamen Kammer zusammenschließen? Ein Hamburger Apotheker startete nun eine Petition, um Stimmen zu sammeln für einen Zusammenschluss der Apothekerkammern Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein zur "Apothekerkammer Nord". Vor dem Hintergrund einer sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage der Apotheken könnte eine Fusion Vorteile bringen über Synergieeffekte, Kosteneinsparungen – und nicht zuletzt niedrigere Kammerbeiträge.

Aktueller Ausgangspunkt für die Überlegungen von Apotheker Holger Gnekow, Privilegierte Adler-Apotheke Hamburg, waren u. a. die Diskussionen auf der Kammerversammlung der Apothekerkammer Hamburg am 18. Juni 2012. Hier sollte eine neue Beitragsordnung beschlossen werden mit dem Ziel, mehr Gerechtigkeit zu schaffen. Die Aufsichtsbehörde hatte aus formalen Aspekten eine Reform der Beitragsordnung gefordert. In Hamburg werden die Apotheken nach ihrem Umsatz bemessen. Die neue Beitragsordnung sollte auf ein prozentuales Beitragssystem umgestellt werden. Dies hätte allerdings die Beiträge für die meisten Kammermitglieder erheblich verteuert. Nach dem Vorschlag der Apothekerkammer Hamburg sollte der Beitrag auf 1,38 Prozent vom jährlichen Bruttoeinkommen einschließlich Sonderzahlungen festgesetzt werden. Bei einem Jahreseinkommen von 40.000 Euro hätte dies zu einem Jahresbeitrag von 552 Euro geführt. Die Kammerversammlung lehnte diese Umstellung mit großer Mehrheit ab.

Kleine Kammern im Minus?

Es bleibt allerdings die Frage, ob eine kleine Kammer wie Hamburg mit dem derzeit gültigen Beitragssystem und den daraus resultierenden Einnahmen noch effektiv und schlagkräftig arbeiten kann. Wie Gnekow gegenüber der AZ ausführte, habe der Kammerhaushalt bereits rund 10 Prozent Unterdeckung. Mit Streichungen und Einsparungen im Kammerhaushalt könne dies auf Dauer nicht mehr aufgefangen werden. Auch Beitragserhöhungen sind nicht mehr durchzusetzen, wie die Abstimmung zeigte. Apothekenleiter und Angestellte könnten die steigenden Beiträge nicht mehr schultern und seien nicht mehr bereit dazu. Schon heute zahlen angestellte Apothekerinnen und Apotheker in Hamburg einen jährlichen Kammerbeitrag von 240 Euro.

Die massive Anhebung von Beiträgen für Apotheken und Mitarbeiter könne keine Lösung sein. Die Zusammenlegung von Vorständen, Geschäftsführungen, Immobilien, Fortbildungen, QM-Beauftragten etc. könnte dagegen die Kosten erheblich senken. Gleiches werde in vielen Teilen der Gesellschaft, z. B. den evangelischen Kirchen, bereits vollzogen. Hinzu komme, dass in kleinen Kammern wie Hamburg auch personelle Ressourcen knapp würden, es gebe immer weniger Kammermitglieder, die für die Aufgaben zur Verfügung stünden. Eine effektive und schlagkräftige Kammerarbeit, wie sie heute mehr denn je notwendig wäre, könnte so nicht mehr durchgeführt werden. Auf der Kammerversammlung wurde daher eine Fusion der Apothekerkammern von Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein angeregt.

"Das Thema endlich anpacken"

Wie Gnekow mitteilte, seien allerdings in früheren Jahren solche Anträge zur Fusion von Kammern auf der Ebene der Vorstände ins Leere gelaufen. Seine Kammer halte diesen Vorschlag einerseits zwar für nachdenkenswert, sei aber auf der anderen Seite zurückhaltend aufgrund der zahlreichen Hürden, die es bei einer solchen Fusion zu überwinden gilt. Um zu erkunden, wie denn Kammermitglieder darüber denken, und um ein Meinungsbild einzuholen, schaltete Gnekow die offene Petitionsseite im Internet unter www.apothekerkammer-nord.de. Sie zielt darauf ab, dass die Vorstände der drei nördlichen Kammern Verhandlungen zu diesem Thema aufnehmen sollen. Wenn sich ein klares Votum ergibt, möchte er mit dem Ergebnis an die Senatoren und Minister herangehen, um dieses Anliegen in die Politik zu tragen. "Man sollte dies endlich anpacken", so Gnekow, der sich in den drei SPD-geführten Ländern auch politisch Chancen ausrechnet. "Warum muss es siebzehn Kammergebäude mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Deutschland geben, warum muss es siebzehn Kammerpräsidentinnen und -präsidenten geben, die sich regelmäßig treffen und Kosten verursachen müssen?" fragte Gnekow, "ich möchte eine starke Standesvertretung, aber sie müsste heutzutage anders aufgestellt sein."

"Thema Fusion nichts Neues"

Für Hamburgs Kammerpräsident Kai Peter Siemens ist das Thema einer möglichen Zusammenlegung nichts Neues. Bereits sein Vorgänger im Amt befasste sich mit solchen Überlegungen. Er stehe einer Fusion zwar nicht ablehnend gegenüber und trete diesen Überlegungen offen gegenüber. Inhaltlich sei die Petition von Gnekow nicht verkehrt. Er gibt einem solchen Unterfangen allerdings wenig Chancen. Nach Siemens Auffassung sei die Petition von Gnekow sogar kontraproduktiv, um dieses Ziel zu erreichen. Die Vorstände der anderen Kammern sähen nach seiner Kenntnis keine Veranlassung für eine Fusion. Positive Rückmeldungen gebe es lediglich aufseiten der Mitglieder. Zwar würden einige Kosten eingespart, beispielsweise bei den Kammergebäuden, bei der Kammergeschäftsstelle (Präsident, Geschäftsführer, Justiziar, Mitarbeiter), Synergieeffekte gäbe es. Eine gemeinsame größere Kammer müsste allerdings auch eine größere Geschäftsstelle unterhalten, so dass die Einsparungen letztlich nicht gravierend wären. Selbst wenn eine intensive Diskussion zur Umstrukturierung in Gang käme, so müssten zunächst die Kammervorstände übereinkommen, dann müssten die Mitglieder zustimmen, danach müsste es die Politik befürworten und schließlich müsste ein neuer Staatsvertrag der Länder geschlossen werden – ein Weg, der viel Zeit kostet.


Weniger Apothekerkammern?


Über Fusionen von Apothekerkammern nachzudenken, ist nicht neu. Je mehr Apotheken unter Druck geraten und Einsparungen realisiert werden müssen, rücken auch die Kammerabgaben in den Fokus. Theoretisch könnten sich aus Fusionen Synergieeffekte ergeben und Kosteneinsparungen. Allerdings wären hohe politische Hürden zu nehmen. Mögliche Kandidaten für Zusammenschlüsse von Apothekerkammern liegen auf der Hand:

  • Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein
  • Bremen und Niedersachsen
  • Berlin und Brandenburg
  • Rheinland-Pfalz und Saarland
  • Nordrhein und Westfalen-Lippe

Eine Rückfrage beim Kammerpräsident von Schleswig-Holstein, Gerd Ehmen, zeigte prinzipiell ein ähnliches Resultat. Im Augenblick sehe er derzeit keine Möglichkeit für eine derartige Fusion, dies sei nicht ernsthaft zu verfolgen. Es sei fraglich, ob letztlich die Effizienz besser würde. Gleichwohl begrüßt Ehmen solche Aktivitäten von Mitgliedern, die sich Gedanken über ihre Kammer und deren Struktur machen. Auch vor dem Hintergrund der Kammerbeiträge. Eine Anpassung der Beiträge nach oben lasse sich nicht unendlich fortsetzen, sie müssten auch zumutbar bleiben.

Auch aus Sicht der Kammerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Christel Johanns, ist der Gedanke, Kammern zusammenzulegen, nicht neu. Man wird in Zukunft sicher darüber nachdenken werden. Sie sieht allerdings erhebliche bürokratische Hürden. So müsse man auch die doppelte Verkammerung von Apotheken, nämlich Apothekerkammer und Handelskammer, in Betracht ziehen Und fraglich sei auch, ob die Mitglieder eine Zusammenlegung der Kammern wollten.

Resüme: Eine Fusion der drei nördlichen Apothekerkammern Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein ist sicher überlegenswert. Möglicherweise könnten auch Synergieeffekte gehoben und Kosten eingespart werden. Aber die politischen und bürokratischen Hürden für eine solche Unternehmung sind immens groß. Ausgeschlossen ist es nicht. Es wird für die Befürworter aber vorerst wohl ein Traum bleiben.



AZ 2012, Nr. 26, S. 1

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