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- AZ 26/2012
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Management
Achtsame Führung
Deprimierende Studienergebnisse
Um die Führungskompetenz vieler Führungskräfte scheint es schlecht bestellt zu sein. Diese Vermutung legen Studien und Untersuchungen nahe, die den Führungskräften Versagen auf der ganzen Linie attestieren. Nur einige Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit: Jedes Jahr wartet das Beratungsunternehmen Gallup mit seiner Untersuchung zur emotionalen Bindung der Mitarbeiter an ihre Arbeitgeber mit erschreckenden Zahlen auf. Demnach können sich 2012 lediglich 14 Prozent mit ihrem Arbeitgeber identifizieren – der überwiegende Anteil der Arbeitnehmer befindet sich in der inneren Kündigung. Sie sitzen zwar an ihren Schreibtischen, werkeln in der Produktionshalle oder stehen im Geschäft – aber ohne innere Anteilnahme, ohne Engagement.
Verantwortlich dafür sind meistens die Chefs. Sie sind anscheinend unfähig, Zugang zum Mitarbeiter zu finden, ihn auch einmal zu loben, Gelungenes anzuerkennen, Wertschätzung zu zeigen. Und es gibt weitere Beispiele: Eine Studie der Talentmanagementberatung Development Dimensions International kommt zu dem deprimierenden Ergebnis: Die meisten Mitarbeiter nehmen lieber einen Strafzettel, eine Erkältung oder einen schmerzlichen Kater in Kauf als ein schwieriges Gespräch mit ihrem Chef zu führen. Und der Kommunikationsberater Ketchum Pleon hat in einer Befragung von 4000 Personen festgestellt: Nur 27 Prozent der befragten Deutschen attestieren den Führungskräften Führungsqualität. Die Hauptkritikpunkte sind Schwächen im Problemlösungsverhalten, mangelhafte Vorbildwirkung und intransparenter Kommunikationsstil.
Mangelfaktor "Wertschätzung"
Als gemeinsamer Nenner dieser und weiterer Umfragen kann festgehalten werden: Den Führungskräften mangelt es an kommunikativer Kompetenz und Empathie; es ist ihre Unfähigkeit, durch die Mitarbeiter in die innere Kündigung getrieben werden, es fehlt die Fähigkeit, konstruktives Feedback zu geben und produktive, zukunftsorientierte Gespräche zu führen.
In den Untersuchungen wird zwar nicht nach Branchen unterschieden – es dürfte aber auch aufseiten der Apotheker Chefinnen und Chefs geben, deren Führungskompetenz zumindest ausbaufähig ist. Dabei gilt: Dass man Mitarbeiter loben sollte, ist allgemein bekannt und akzeptiert. Allerdings: Es hapert an der Umsetzung in der Praxis und im Apothekenalltag. Deswegen müssen sich auch die Apotheker selbstkritisch hinterfragen und überprüfen, wie es um ihre Fähigkeit bestellt ist, Mitarbeiter zu loben und wertzuschätzen.
Entscheidend sind zwei Aspekte: Anerkennung sollte immer konkret ausgesprochen werden – der Apotheker nennt dezidiert die Gründe, warum er den Mitarbeiter lobt und Leistungen anerkennt. Er vermeidet mithin nichtssagendes Pauschallob. Hinzu kommen sollte die Fähigkeit der indirekten Wertschätzung.
Lob gegenüber Dritten aussprechen
Eine Form der indirekten Wertschätzung ist das Lob, das gegenüber Dritten artikuliert wird. Während Kritik nie im Beisein der Kollegen des Kritisierten geäußert werden darf, ist dies beim Lob durchaus sinnvoll. Nehmen wir an, der Apotheker lobt Frau Müller im Gespräch mit Herrn Schmitt für ihre hervorragende Kundenbetreuung – das Lob wird bestimmt weitergetragen. Diese Lob-Form ist sehr glaubwürdig. Eine weitere Möglichkeit ist, die Leistungen im Teammeeting hervorzuheben, also nicht direkt Frau Müller selbst anzusprechen, sondern ihre Leistungen im Beisein aller Kollegen wertzuschätzen.
Aber Achtung: Das im Kreis der Kollegen ausgesprochene indirekte Lob kann unter Umständen bei den anderen Mitarbeitern Neidgefühle hervorrufen. Der Apotheker sollte darauf achten, dass die Wertschätzung eines Mitarbeiters nicht als Herabsetzung der Kollegen interpretiert werden kann. Dies gelingt, wenn er in seinem Team eine Atmosphäre des gegenseitigen Respekts und der gegenseitigen Wertschätzung aufbaut. Das Lob eines Mitarbeiters kann so als die verdiente Anerkennung der gesamten Teamleistung verstanden werden.
Mitarbeitern Verantwortungsbereiche übertragen
Ein guter Nährboden für indirekte Wertschätzung entsteht, wenn der Apotheker dem Mitarbeiter zutraut, Hervorragendes in seinem Kompetenzbereich zu leisten. Evelyn Rosewich, Beraterin für Qualitätsmanagement in Apotheken (www.a-wie-apotheke.de), nennt ein konkretes Beispiel: "Der Apotheker hat einem Mitarbeiter, und zwar nach Rücksprache mit ihm, eine bestimmte Aufgabe übertragen, etwa die Betreuung des Posteingangs in dessen Verantwortungsbereich. Damit ist der Mitarbeiter für diese Aufgabe voll verantwortlich. Erbringt er dabei dauerhaft gute Leistungen, soll und kann der Apotheker ihn dafür loben – im Vieraugengespräch, aber auch indirekt, in der Teamsitzung."
Ein Vorteil der Vorgehensweise: Sie kann nicht zu Neidgefühlen führen, denn der Mitarbeiter erhält das Lob in dem Bereich, für den er als "Spezialist" anerkannt ist. Es gibt mithin für die Kollegen keinen Grund, ihm die Anerkennung zu neiden – vor allem, wenn auch sie selbst über einen eigenen Verantwortungsbereich verfügen.
Spezialgebiete für alle Mitarbeiter
Empfehlenswert ist es, diese Vorgehensweise zu institutionalisieren. Mit anderen Worten: Der Apotheker baut wo immer möglich Verantwortungsbereiche auf, die er an einzelne Mitarbeiter delegiert: Der eine kümmert sich um die Organisation der Weiterbildungen für die Apothekenmitarbeiter und sucht regelmäßig Alternativen für Weiterbildungsschulungen heraus. Ein zweiter wird in die Vorbereitung und Durchführung der Teammeetings integriert. Der dritte Kollege kümmert sich hauptverantwortlich um die Betreuung des Qualitätsmanagementhandbuchs und die Qualitätssicherung in der Apotheke.
Das Motto lautet: Jeder Mitarbeiter kann und soll sich für einen bestimmten Bereich spezialisieren – so eröffnen sich dem Apotheker gleich mehrere Möglichkeiten, Leistungen jedes einzelnen Mitarbeiters anzuerkennen, direkt und indirekt.
"Allein die Tatsache, dass ein Apotheker einem Mitarbeiter einen Verantwortungsbereich überträgt, ist schon eine Form der indirekten Wertschätzung", betont die Apotheken-Beraterin Evelyn Rosewich, "ohne dass der Apotheker dies aussprechen muss, signalisiert er: ‚Ich traue es dir zu, lieber Mitarbeiter, ein Aufgabenfeld eigenständig und eigenverantwortlich zu betreuen.‘"
Natürlich wird die "Kümmerer-Funktion" der einzelnen Spezialisten an alle Mitarbeiter kommuniziert. So steht ein Mitarbeiter den Kollegen bezüglich seines Verantwortungsbereiches als Informationsquelle zur Verfügung. "Ich möchte gerne eine Weiterbildung besuchen, da spreche ich doch mal den Kollegen an, der dafür zuständig ist."
Und das ist vielleicht die höchste und motivierendste Art der Wertschätzung: die Wertschätzung durch den Chef und die Kollegen..
Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater
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