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Gesundheitspolitik
Koalition verspricht höheres Honorar – ABDA will mehr
"Wir können nicht mal eben 500 bis 600 Millionen Euro geben. Diese Summe können Sie nicht von uns verlangen. Das ist nicht realistisch", sagte Spahn unter dem Protest der anwesenden Apotheker. Die Koalition werde nicht an allen Schrauben gleichzeitig drehen. 350 Millionen will die Koalition bei den Krankenhäusern drauflegen. Der Zuschlag für die Apotheken werde geringer ausfallen, so Spahn. Nach AZ-Informationen ist ein Betrag von 200 Millionen Euro im Gespräch.
Klar ist nun jedoch, dass Union und FDP nach Auslaufen der zweijährigen Sparfrist beim Apothekenhonorar etwas drauflegen wollen. In den Gesprächen zwischen ABDA, DAV und den zuständigen Bundesministerien für Wirtschaft und Gesundheit ist zwar noch keine endgültige Entscheidung gefallen. Zur Diskussion steht eine Aufbesserung des Apothekenhonorars, und/oder der Vergütung für Nacht- und Notdienst sowie für BtM-Rezepte. "Sie sagen uns, was Ihnen das Wichtigste ist", forderte Spahn DAV-Chef Becker in der Diskussion auf, die Prioritäten zu nennen. "Die Anpassung der 8,10 Euro hat 1. Priorität", reagierte Becker. "Da brauchen wir eine Anpassung." Jetzt heißt es abwarten: Geplant ist, dass die Regierungskoalition im Zuge der Beratungen der AMG-Novelle im Gesundheitsausschuss mit einem konkreten Vorschlag aufwarten wird.
Spahn warnte die Apotheker erneut, ihre Honorarforderungen zu überdrehen: "Wenn zu viele Bälle in der Luft sind, muss man achtgeben, dass am Ende nicht alle auf dem Boden liegen." Die Koalition befinde sich in der Honorarfrage in einer unangenehmen Lage, so Spahn: "Die Apotheker sind nicht zufrieden, weil sie nicht alles erhalten, wir stehen als Lobby-Partei da und andere Gruppen im Gesundheitswesen werden ebenfalls Forderungen stellen." Trotzdem, so Spahn: "Wir werden etwas tun. Sie sagen uns, was Ihnen das Wichtigste ist."
Einigkeit bestand zwischen Spahn, DAV-Chef Becker und ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf zudem darüber, dass für die Verhandlungen über den Kassenabschlag für 2013 der Betrag von 1,75 Euro als Ausgangspunkt steht. Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Heinz Lanfermann stellte sogar in Aussicht, den Kassenabschlag gesetzlich auf 1,75 Euro festzulegen.
Becker: Apotheken steht das Wasser bis zum Hals
In seinem politischen Lagebericht zum Auftakt des 49. DAV-Wirtschaftsforums zeichnete Becker ein düsteres Bild: Die Apotheken wirtschafteten in "einer Schlammzone, ihnen steht das Wasser bis zum Hals." Sie würden von der Politik systematisch "kaputtgespart". Nach der zweiten Runde der Margenkürzung durch den Großhandel Anfang 2012 seien die Einkaufskonditionen auf einen "historischen Tiefstand" gesunken. "Wir sind definitiv unterbezahlt und fordern Gerechtigkeit", beklagte Becker. Die Apotheker würden mit allen "zur Verfügung stehenden Mitteln" für ein höheres Honorar kämpfen. Die Apotheker seien keine "Bettler oder Bittsteller", so Becker. Deswegen müsse die Politik das Apothekenhonorar wie bei Ärzten und Krankenhäusern indizieren und an die wirtschaftliche Entwicklung koppeln. Doch derzeit arbeiteten die Apotheken zum Einkommen von 2004 und zu den Kosten von 2012.
Was einem selbstständigen Apotheker bleibt
Untermauert wurden Beckers Wertungen mit aktuellen Wirtschaftsdaten der Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover und der ABDA. Im ungünstigsten Fall kann es auch 2012 zu einem weiteren Rückgang des Betriebsergebnisses und des Verfügungsbetrages kommen. Zu diesem Schluss kam Dr. Frank Diener von der Steuerberatungsgesellschaft Treuhand. In seiner Simulation für das Gesamtjahr 2012 rechnet Diener mit einem "Verfügungsbetrag" nach Betriebskosten, Steuern und Altersvorsorge für einen selbstständigen Apotheker zwischen 31.000 Euro und 36.000 Euro im Jahr. Der erste Wert ergibt sich bei einem unterstellten Umsatzwachstum von zwei Prozent im laufenden Jahr. Die obere Variante setzt ein Umsatzwachstum von vier Prozent voraus. Im Jahr 2011 betrug der Verfügungsbetrag des Inhabers einer "typischen" Apotheke mit einem Jahresumsatz von 1,3 Millionen Euro 35.000 Euro. Damit hat das Netto-Tarifgehalt eines angestellten Apothekers fast schon den Verfügungsbetrag des Inhabers einer typischen Apotheke erreicht.
Bereits von 2010 auf 2011 war der Verfügungsbetrag deutlich um 10,5 Prozent von 39.000 Euro auf 35.000 Euro gesunken. Hauptverantwortlich dafür sind laut Treuhand der auf 2,05 Euro per Gesetz erhöhte Kassenabschlag (40 Prozent) sowie die verschlechterten Einkaufskonditionen (60 Prozent) aufgrund der Rabattkürzungen des Großhandels.
Ungünstig entwickelt hat sich laut Treuhand dementsprechend auch das Betriebsergebnis: Es sank auf nur noch 5,3 Prozent vom Nettoumsatz. Damit hat sich das Betriebsergebnis einer typischen Apotheke in den vergangenen fünf Jahren um 23 Prozent verschlechtert.
Karl-Heinz Resch, ABDA-Geschäftsführer Wirtschaft, Soziales und Verträge, beklagte in seinem Wirtschaftsbericht ebenfalls, dass die Apotheken von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt seien. Demgegenüber sei die Inflationsrate auf über 114 Prozentpunkte gestiegen, die Adexa-Tariflöhne auf 118 Prozentpunkte, das Bruttoinlandsprodukt auf 120 und die GKV-Einnahmen auf über 130 Prozentpunkte. Auch die Personal- und Sachkosten seien – aufgrund neuer gesetzlicher Aufgaben – um 624 Millionen Euro gestiegen. Die sogenannte leistungsgerechte Vergütung von 8,10 Euro pro abgegebener Rx-Packung hätte bis zum Jahr 2012 um 1,04 Euro auf 9,14 Euro angepasst werden müssen, rechnet Resch vor. Die Alternative dazu wäre gewesen, den Apothekenabschlag an die Krankenkassen auf 0,96 Euro abzusenken.
Als weitere Belastung und als Argument für eine dringende Anpassung sieht Resch neben dem Apothekenabschlag und der damit verbundenen Rechtsunsicherheit über dessen Höhe den Ausschluss der OTC aus der Erstattungspflicht (Umsatzverluste) und das Verbot der Naturalrabatte sowie die Begrenzung der Barrabatte. In der Summe fehlten den Apotheken dadurch 200 Millionen Euro pro Jahr. Hinzu komme der dauerhafte Solidarbeitrag des pharmazeutischen Großhandels von rund 200 Millionen Euro, den dieser über nachteiligere Einkaufskonditionen an die Apotheken weiterreiche.
Resch sieht dringenden Handlungsbedarf: "Ausreden und Vertröstungen haben wir uns lange genug anhören müssen. Jetzt ist die Politik gefordert, die unterbliebene Teilhabe der Apothekerschaft an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland endlich nachzuholen und für die Zukunft einen regelmäßigen Anpassungsmechanismus wie bei anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen gesetzlich vorzusehen."
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